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Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

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wo er als junger Mensch eine Zuchthausstrafe verbüßt hatte. Meine Frau weiß weder von diesem Uebernamen, noch von der Strafe, aus welcher er beruht; und - ich denke, Sie stimmen mir bei - ich möchte nicht, daß sie das je erführe; ihr Vater, den sie kindlich verehrt, würde mit jenem Schreckbild zusammenfallen, das ihre Phantasie ihr immer wieder vorbringt, und das leider keine bloße Phantasie war."

Fast mechanisch reichte ich ihm die Hand, und bald waren wir wieder auf dem Heimwege; die Frau ging, längst wieder an ihrem Kranze flechtend, neben mir, als ich aus andrängenden und sich ineinanderfügenden Erinnerungen wieder aufschaute. "Verzeihen Sie", sagte ich, "es kommt mir mitunter, von einem plötzlichen Gedanken bis zur Vergessenheit der Gegenwart hingenommen zu werden. Im Elternhause sagte dann mein Bruder, des alten Volksglaubens gedenkend: "Stört ihn nicht, seine Maus ist ihm aus dem Mund gesprungen!" Aber ich verspreche, sie in Zukunft besser zu überwachen."

Aus den Augen des Oberförsters traf mich ein verständnißvoller Blick. "Auch wir haben hier den

wo er als junger Mensch eine Zuchthausstrafe verbüßt hatte. Meine Frau weiß weder von diesem Uebernamen, noch von der Strafe, aus welcher er beruht; und – ich denke, Sie stimmen mir bei – ich möchte nicht, daß sie das je erführe; ihr Vater, den sie kindlich verehrt, würde mit jenem Schreckbild zusammenfallen, das ihre Phantasie ihr immer wieder vorbringt, und das leider keine bloße Phantasie war.“

Fast mechanisch reichte ich ihm die Hand, und bald waren wir wieder auf dem Heimwege; die Frau ging, längst wieder an ihrem Kranze flechtend, neben mir, als ich aus andrängenden und sich ineinanderfügenden Erinnerungen wieder aufschaute. „Verzeihen Sie“, sagte ich, „es kommt mir mitunter, von einem plötzlichen Gedanken bis zur Vergessenheit der Gegenwart hingenommen zu werden. Im Elternhause sagte dann mein Bruder, des alten Volksglaubens gedenkend: „Stört ihn nicht, seine Maus ist ihm aus dem Mund gesprungen!“ Aber ich verspreche, sie in Zukunft besser zu überwachen.“

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[30/0030] wo er als junger Mensch eine Zuchthausstrafe verbüßt hatte. Meine Frau weiß weder von diesem Uebernamen, noch von der Strafe, aus welcher er beruht; und – ich denke, Sie stimmen mir bei – ich möchte nicht, daß sie das je erführe; ihr Vater, den sie kindlich verehrt, würde mit jenem Schreckbild zusammenfallen, das ihre Phantasie ihr immer wieder vorbringt, und das leider keine bloße Phantasie war.“ Fast mechanisch reichte ich ihm die Hand, und bald waren wir wieder auf dem Heimwege; die Frau ging, längst wieder an ihrem Kranze flechtend, neben mir, als ich aus andrängenden und sich ineinanderfügenden Erinnerungen wieder aufschaute. „Verzeihen Sie“, sagte ich, „es kommt mir mitunter, von einem plötzlichen Gedanken bis zur Vergessenheit der Gegenwart hingenommen zu werden. Im Elternhause sagte dann mein Bruder, des alten Volksglaubens gedenkend: „Stört ihn nicht, seine Maus ist ihm aus dem Mund gesprungen!“ Aber ich verspreche, sie in Zukunft besser zu überwachen.“ Aus den Augen des Oberförsters traf mich ein verständnißvoller Blick. „Auch wir haben hier den

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/30>, abgerufen am 23.11.2024.