Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

Das erste, was vom Außenleben wieder an mich herankam, war eine sonore milde Männerstimme, welche, wie zum Abschied, gute Lehren gebend, zu einem Andern zu reden schien. Ich öffnete ein wenig die Augen: am Tische, unfern von meinem Lehnstuhl, saß ein ältlicher Herr, den ich nach seiner Kleidung als einen Oberförster zu erkennen meinte; ihm gegenüber ein noch junger Mann, gleichfalls im grünen Rock, zu dem er redete; ein röthlicher Abendschein lag schon auf den Wänden.

"Und dessen gedenke auch noch", hörte ich den Alten sagen, "Du bist ein Stück von einem Träumer, Fritz; Du hast sogar schon einmal ein Gedicht gemacht; laß Dir so was bei dem Alten nimmer beikommen! Und nun geh' und grüß' Deinen neuen Herrn von mir; zur Herbstjagd werd' ich mich nach Dir erkundigen!"

Als dann der Junge sich entfernt hatte, rüttelte ich mich völlig auf; der Alte stand am Fenster und drückte die Stirn gegen eine Scheibe, wie um dem Fortgehenden noch einmal nachzuschauen. Ich trank den Rest meines Ingelheimers, und als der Oberförster sich in das Zimmer zurückwandte, begrüßten

Das erste, was vom Außenleben wieder an mich herankam, war eine sonore milde Männerstimme, welche, wie zum Abschied, gute Lehren gebend, zu einem Andern zu reden schien. Ich öffnete ein wenig die Augen: am Tische, unfern von meinem Lehnstuhl, saß ein ältlicher Herr, den ich nach seiner Kleidung als einen Oberförster zu erkennen meinte; ihm gegenüber ein noch junger Mann, gleichfalls im grünen Rock, zu dem er redete; ein röthlicher Abendschein lag schon auf den Wänden.

„Und dessen gedenke auch noch“, hörte ich den Alten sagen, „Du bist ein Stück von einem Träumer, Fritz; Du hast sogar schon einmal ein Gedicht gemacht; laß Dir so was bei dem Alten nimmer beikommen! Und nun geh’ und grüß’ Deinen neuen Herrn von mir; zur Herbstjagd werd’ ich mich nach Dir erkundigen!“

Als dann der Junge sich entfernt hatte, rüttelte ich mich völlig auf; der Alte stand am Fenster und drückte die Stirn gegen eine Scheibe, wie um dem Fortgehenden noch einmal nachzuschauen. Ich trank den Rest meines Ingelheimers, und als der Oberförster sich in das Zimmer zurückwandte, begrüßten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0008" n="8"/>
        <p>Das erste, was vom Außenleben wieder an mich herankam, war eine sonore milde Männerstimme, welche, wie zum Abschied, gute Lehren gebend, zu einem Andern zu reden schien. Ich öffnete ein wenig die Augen: am Tische, unfern von meinem Lehnstuhl, saß ein ältlicher Herr, den ich nach seiner Kleidung als einen Oberförster zu erkennen meinte; ihm gegenüber ein noch junger Mann, gleichfalls im grünen Rock, zu dem er redete; ein röthlicher Abendschein lag schon auf den Wänden.</p>
        <p>&#x201E;Und dessen gedenke auch noch&#x201C;, hörte ich den Alten sagen, &#x201E;Du bist ein Stück von einem Träumer, Fritz; Du hast sogar schon einmal ein Gedicht gemacht; laß Dir so was bei dem Alten nimmer beikommen! Und nun geh&#x2019; und grüß&#x2019; Deinen neuen Herrn von mir; zur Herbstjagd werd&#x2019; ich mich nach Dir erkundigen!&#x201C;</p>
        <p>Als dann der Junge sich entfernt hatte, rüttelte ich mich völlig auf; der Alte stand am Fenster und drückte die Stirn gegen eine Scheibe, wie um dem Fortgehenden noch einmal nachzuschauen. Ich trank den Rest meines Ingelheimers, und als der Oberförster sich in das Zimmer zurückwandte, begrüßten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0008] Das erste, was vom Außenleben wieder an mich herankam, war eine sonore milde Männerstimme, welche, wie zum Abschied, gute Lehren gebend, zu einem Andern zu reden schien. Ich öffnete ein wenig die Augen: am Tische, unfern von meinem Lehnstuhl, saß ein ältlicher Herr, den ich nach seiner Kleidung als einen Oberförster zu erkennen meinte; ihm gegenüber ein noch junger Mann, gleichfalls im grünen Rock, zu dem er redete; ein röthlicher Abendschein lag schon auf den Wänden. „Und dessen gedenke auch noch“, hörte ich den Alten sagen, „Du bist ein Stück von einem Träumer, Fritz; Du hast sogar schon einmal ein Gedicht gemacht; laß Dir so was bei dem Alten nimmer beikommen! Und nun geh’ und grüß’ Deinen neuen Herrn von mir; zur Herbstjagd werd’ ich mich nach Dir erkundigen!“ Als dann der Junge sich entfernt hatte, rüttelte ich mich völlig auf; der Alte stand am Fenster und drückte die Stirn gegen eine Scheibe, wie um dem Fortgehenden noch einmal nachzuschauen. Ich trank den Rest meines Ingelheimers, und als der Oberförster sich in das Zimmer zurückwandte, begrüßten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-15T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/8
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Ein Doppelgänger. Novelle. Berlin, 1887, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_doppelgaenger_1887/8>, abgerufen am 24.11.2024.