Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

denn er wußte, daß Mamsell Therebinte heut' in der Stadt ihre Kammerjungferngeschäfte trieb; dann schloß er auch die Hausthür ab und ging durch den ungewöhnlich dunkeln Abend die Straße hinunter zu seinen Todten.

Er blieb lange auf dem Kirchhof; denn er feierte heute den Geburtstag seiner Line. Wer außer ihm noch dort gewesen war, den hatte das nahende Gewitter nach Haus getrieben, das im Westen über dem Meer heraufstieg. Er saß allein in der Finsterniß auf der kleinen Bank und dachte wohl, wie er vor Jahren mit ihr, die jetzt unter ihm verwes'te, Hand in Hand unter dem Birnbaum in dem damals so wohl gepflegten Garten gesessen hatte. Die Donner, die schon lange gemurrt hatten, wurden lauter; mitunter hob ein jäher Blitzschein die Todtenkreuze und Urnen um ihn her auf einen Augenblick aus dem Dunkel in ein gelbblaues Licht, und ein Rauschen fuhr durch die Eschen des Kirchhofs. Als jetzt ein dröhnender Schlag vor ihm wie in den Grund hinabprasselte, erhob er sich unwillkürlich. Noch ein Weilchen stand er und neigte das Ohr nach dem

denn er wußte, daß Mamsell Therebinte heut’ in der Stadt ihre Kammerjungferngeschäfte trieb; dann schloß er auch die Hausthür ab und ging durch den ungewöhnlich dunkeln Abend die Straße hinunter zu seinen Todten.

Er blieb lange auf dem Kirchhof; denn er feierte heute den Geburtstag seiner Line. Wer außer ihm noch dort gewesen war, den hatte das nahende Gewitter nach Haus getrieben, das im Westen über dem Meer heraufstieg. Er saß allein in der Finsterniß auf der kleinen Bank und dachte wohl, wie er vor Jahren mit ihr, die jetzt unter ihm verwes’te, Hand in Hand unter dem Birnbaum in dem damals so wohl gepflegten Garten gesessen hatte. Die Donner, die schon lange gemurrt hatten, wurden lauter; mitunter hob ein jäher Blitzschein die Todtenkreuze und Urnen um ihn her auf einen Augenblick aus dem Dunkel in ein gelbblaues Licht, und ein Rauschen fuhr durch die Eschen des Kirchhofs. Als jetzt ein dröhnender Schlag vor ihm wie in den Grund hinabprasselte, erhob er sich unwillkürlich. Noch ein Weilchen stand er und neigte das Ohr nach dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="79"/>
denn er wußte, daß Mamsell Therebinte heut&#x2019; in der Stadt ihre Kammerjungferngeschäfte trieb; dann schloß er auch die Hausthür ab und ging durch den ungewöhnlich dunkeln Abend die Straße hinunter zu seinen Todten.</p>
        <p>Er blieb lange auf dem Kirchhof; denn er feierte heute den Geburtstag seiner Line. Wer außer ihm noch dort gewesen war, den hatte das nahende Gewitter nach Haus getrieben, das im Westen über dem Meer heraufstieg. Er saß allein in der Finsterniß auf der kleinen Bank und dachte wohl, wie er vor Jahren mit ihr, die jetzt unter ihm verwes&#x2019;te, Hand in Hand unter dem Birnbaum in dem damals so wohl gepflegten Garten gesessen hatte. Die Donner, die schon lange gemurrt hatten, wurden lauter; mitunter hob ein jäher Blitzschein die Todtenkreuze und Urnen um ihn her auf einen Augenblick aus dem Dunkel in ein gelbblaues Licht, und ein Rauschen fuhr durch die Eschen des Kirchhofs. Als jetzt ein dröhnender Schlag vor ihm wie in den Grund hinabprasselte, erhob er sich unwillkürlich. Noch ein Weilchen stand er und neigte das Ohr nach dem
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0079] denn er wußte, daß Mamsell Therebinte heut’ in der Stadt ihre Kammerjungferngeschäfte trieb; dann schloß er auch die Hausthür ab und ging durch den ungewöhnlich dunkeln Abend die Straße hinunter zu seinen Todten. Er blieb lange auf dem Kirchhof; denn er feierte heute den Geburtstag seiner Line. Wer außer ihm noch dort gewesen war, den hatte das nahende Gewitter nach Haus getrieben, das im Westen über dem Meer heraufstieg. Er saß allein in der Finsterniß auf der kleinen Bank und dachte wohl, wie er vor Jahren mit ihr, die jetzt unter ihm verwes’te, Hand in Hand unter dem Birnbaum in dem damals so wohl gepflegten Garten gesessen hatte. Die Donner, die schon lange gemurrt hatten, wurden lauter; mitunter hob ein jäher Blitzschein die Todtenkreuze und Urnen um ihn her auf einen Augenblick aus dem Dunkel in ein gelbblaues Licht, und ein Rauschen fuhr durch die Eschen des Kirchhofs. Als jetzt ein dröhnender Schlag vor ihm wie in den Grund hinabprasselte, erhob er sich unwillkürlich. Noch ein Weilchen stand er und neigte das Ohr nach dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • o über a wird als å dargestellt



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/79
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/79>, abgerufen am 19.05.2024.