Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

dessen jüngerem Bruder er einst, wie gebräuchlich, die unterste Klasse der Gelehrtenschule besucht hatte. Als er in das Zimmer trat - die Nachmittagssonne schien herein und der Kanarienvogel, der unter den Blumen am Fenster stand, sang eben aus allen Kräften - erhoben sich drei Jungfrauen mit ihrem Nähzeug von den Stühlen; das waren die Töchter des Hafenmeisters: Mine, Stine und Line von 40, 39 und 37 Jahren; sie waren alle brave Mädchen, aber die braune Line war doch die bravste; sanft, wirthschaftlich und von gutem Menschenverstande; dabei ein wenig schelmisch. Und der Meister Daniel schaute sie an, und die Braune lächelte dabei recht hübsch; "Mamsell Linchen," sagte Daniel, "könnte ich ein Wort mit Ihrem Vater reden?" Und Linchen wurde dunkelroth und schoß hinaus, um ihren Vater aufzusuchen.

Eine Stunde später, im Böttcherhause hatte der Gesell die Jungfer Salome schon zweimal nach dem Meister gefragt, trat dieser durch die Hausthür, als die Jungfer Salome eben aus der Küche in den Flur kam. Er winkte ihr schweigend

dessen jüngerem Bruder er einst, wie gebräuchlich, die unterste Klasse der Gelehrtenschule besucht hatte. Als er in das Zimmer trat – die Nachmittagssonne schien herein und der Kanarienvogel, der unter den Blumen am Fenster stand, sang eben aus allen Kräften – erhoben sich drei Jungfrauen mit ihrem Nähzeug von den Stühlen; das waren die Töchter des Hafenmeisters: Mine, Stine und Line von 40, 39 und 37 Jahren; sie waren alle brave Mädchen, aber die braune Line war doch die bravste; sanft, wirthschaftlich und von gutem Menschenverstande; dabei ein wenig schelmisch. Und der Meister Daniel schaute sie an, und die Braune lächelte dabei recht hübsch; „Mamsell Linchen,“ sagte Daniel, „könnte ich ein Wort mit Ihrem Vater reden?“ Und Linchen wurde dunkelroth und schoß hinaus, um ihren Vater aufzusuchen.

Eine Stunde später, im Böttcherhause hatte der Gesell die Jungfer Salome schon zweimal nach dem Meister gefragt, trat dieser durch die Hausthür, als die Jungfer Salome eben aus der Küche in den Flur kam. Er winkte ihr schweigend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="10"/>
dessen jüngerem Bruder er einst, wie gebräuchlich, die unterste Klasse der Gelehrtenschule besucht hatte. Als er in das Zimmer trat &#x2013; die Nachmittagssonne schien herein und der Kanarienvogel, der unter den Blumen am Fenster stand, sang eben aus allen Kräften &#x2013; erhoben sich drei Jungfrauen mit ihrem Nähzeug von den Stühlen; das waren die Töchter des Hafenmeisters: Mine, Stine und Line von 40, 39 und 37 Jahren; sie waren alle brave Mädchen, aber die braune Line war doch die bravste; sanft, wirthschaftlich und von gutem Menschenverstande; dabei ein wenig schelmisch. Und der Meister Daniel schaute sie an, und die Braune lächelte dabei recht hübsch; &#x201E;Mamsell Linchen,&#x201C; sagte Daniel, &#x201E;könnte ich ein Wort mit Ihrem Vater reden?&#x201C; Und Linchen wurde dunkelroth und schoß hinaus, um ihren Vater aufzusuchen.</p>
        <p>Eine Stunde später, im Böttcherhause hatte der Gesell die Jungfer Salome schon zweimal nach dem Meister gefragt, trat dieser durch die Hausthür, als die Jungfer Salome eben aus der Küche in den Flur kam. Er winkte ihr schweigend
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0010] dessen jüngerem Bruder er einst, wie gebräuchlich, die unterste Klasse der Gelehrtenschule besucht hatte. Als er in das Zimmer trat – die Nachmittagssonne schien herein und der Kanarienvogel, der unter den Blumen am Fenster stand, sang eben aus allen Kräften – erhoben sich drei Jungfrauen mit ihrem Nähzeug von den Stühlen; das waren die Töchter des Hafenmeisters: Mine, Stine und Line von 40, 39 und 37 Jahren; sie waren alle brave Mädchen, aber die braune Line war doch die bravste; sanft, wirthschaftlich und von gutem Menschenverstande; dabei ein wenig schelmisch. Und der Meister Daniel schaute sie an, und die Braune lächelte dabei recht hübsch; „Mamsell Linchen,“ sagte Daniel, „könnte ich ein Wort mit Ihrem Vater reden?“ Und Linchen wurde dunkelroth und schoß hinaus, um ihren Vater aufzusuchen. Eine Stunde später, im Böttcherhause hatte der Gesell die Jungfer Salome schon zweimal nach dem Meister gefragt, trat dieser durch die Hausthür, als die Jungfer Salome eben aus der Küche in den Flur kam. Er winkte ihr schweigend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • o über a wird als å dargestellt



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/10
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Bötjer Basch. Berlin, 1887, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_basch_1887/10>, abgerufen am 23.11.2024.