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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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Nicht vor dem Sohn des edlen Gerhardus; vor
dieser hier und ihres Blutes nachgeborenem Sprö߬
ling soll ich Katharinen schützen." Und wieder
trat ich vor die beiden jüngsten Bilder, an denen
mein Gemüthe sich erquickte.

So weilte ich derzeit in dem stillen Saale,
wo um mich nur die Sonnenstäublein spielten,
unter den Schatten der Gewesenen.

Katharinen sah ich nur beim Mittagstische,
das alte Fräulein und den Junker Wulf zur
Seiten; aber wofern Bas' Ursel nicht in ihren
hohen Tönen redete, so war es stets ein stumm
und betrübsam Mahl, so daß mir oft der Bissen
im Munde quoll. Nicht die Trauer um den
Abgeschiedenen war deß Ursach, sondern es lag
zwischen Bruder und Schwester, als sei das Tisch¬
tuch durchgeschitten zwischen ihnen, Katharina,
nachdem sie fast die Speisen nicht berührt, ent¬
fernte sich allzeit bald, mich kaum nur mit den
Augen grüßend; der Junker aber, wenn ihm die
Laune stund, suchte mich dann beim Trunte fest¬
zuhalten; hatte mich also hiegegen und, so ich

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Nicht vor dem Sohn des edlen Gerhardus; vor
dieſer hier und ihres Blutes nachgeborenem Sprö߬
ling ſoll ich Katharinen ſchützen.“ Und wieder
trat ich vor die beiden jüngſten Bilder, an denen
mein Gemüthe ſich erquickte.

So weilte ich derzeit in dem ſtillen Saale,
wo um mich nur die Sonnenſtäublein ſpielten,
unter den Schatten der Geweſenen.

Katharinen ſah ich nur beim Mittagstiſche,
das alte Fräulein und den Junker Wulf zur
Seiten; aber wofern Baſ' Urſel nicht in ihren
hohen Tönen redete, ſo war es ſtets ein ſtumm
und betrübſam Mahl, ſo daß mir oft der Biſſen
im Munde quoll. Nicht die Trauer um den
Abgeſchiedenen war deß Urſach, ſondern es lag
zwiſchen Bruder und Schweſter, als ſei das Tiſch¬
tuch durchgeſchitten zwiſchen ihnen, Katharina,
nachdem ſie faſt die Speiſen nicht berührt, ent¬
fernte ſich allzeit bald, mich kaum nur mit den
Augen grüßend; der Junker aber, wenn ihm die
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zuhalten; hatte mich alſo hiegegen und, ſo ich

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[51/0065] Nicht vor dem Sohn des edlen Gerhardus; vor dieſer hier und ihres Blutes nachgeborenem Sprö߬ ling ſoll ich Katharinen ſchützen.“ Und wieder trat ich vor die beiden jüngſten Bilder, an denen mein Gemüthe ſich erquickte. So weilte ich derzeit in dem ſtillen Saale, wo um mich nur die Sonnenſtäublein ſpielten, unter den Schatten der Geweſenen. Katharinen ſah ich nur beim Mittagstiſche, das alte Fräulein und den Junker Wulf zur Seiten; aber wofern Baſ' Urſel nicht in ihren hohen Tönen redete, ſo war es ſtets ein ſtumm und betrübſam Mahl, ſo daß mir oft der Biſſen im Munde quoll. Nicht die Trauer um den Abgeſchiedenen war deß Urſach, ſondern es lag zwiſchen Bruder und Schweſter, als ſei das Tiſch¬ tuch durchgeſchitten zwiſchen ihnen, Katharina, nachdem ſie faſt die Speiſen nicht berührt, ent¬ fernte ſich allzeit bald, mich kaum nur mit den Augen grüßend; der Junker aber, wenn ihm die Laune ſtund, ſuchte mich dann beim Trunte feſt¬ zuhalten; hatte mich alſo hiegegen und, ſo ich 4 *

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/65>, abgerufen am 23.11.2024.