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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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Wände fast völlig von lebensgroßen Bildern
verhänget waren, so daß nur noch neben dem
Kamin ein Platz zu zweien offen stund. Es waren
das die Voreltern des Herrn Gerhardus, meist
ernst und sicher blickende Männer und Frauen, mit
einem Antlitz, dem man wol vertrauen konnte;
er selbsten in kräftigem Mannesalter und Katha¬
rinens frühverstorbene Mutter machten dann den
Schluß. Die beiden letzten Bilder waren gar
trefflich von unserem Landsmanne, dem Eider¬
stedter Georg Ovens, in seiner kräftigen Art ge¬
malet; und ich suchte nun mit meinem Pinsel
die Züge meinem edlen Beschützers nachzuschaffen;
zwar in verjüngtem Maaßstabe und nur mir
selber zum Genügen; doch hat es später zu einem
größeren Bildniß mir gedienet, das noch itzt hier
in meiner einsamen Kammer die theuerste Gesell¬
schaft meines Alters ist. Das Bildniß seiner
Tochter aber lebt mit mir in meinem Innern.

Oft, wenn ich die Palette hingelegt, stand ich
noch lange vor den schönen Bildern. Katharinens
Antlitz fand ich in dem der beiden Eltern wieder:

Storm, Aquis submersus. 4

Wände faſt völlig von lebensgroßen Bildern
verhänget waren, ſo daß nur noch neben dem
Kamin ein Platz zu zweien offen ſtund. Es waren
das die Voreltern des Herrn Gerhardus, meiſt
ernſt und ſicher blickende Männer und Frauen, mit
einem Antlitz, dem man wol vertrauen konnte;
er ſelbſten in kräftigem Mannesalter und Katha¬
rinens frühverſtorbene Mutter machten dann den
Schluß. Die beiden letzten Bilder waren gar
trefflich von unſerem Landsmanne, dem Eider¬
ſtedter Georg Ovens, in ſeiner kräftigen Art ge¬
malet; und ich ſuchte nun mit meinem Pinſel
die Züge meinem edlen Beſchützers nachzuſchaffen;
zwar in verjüngtem Maaßſtabe und nur mir
ſelber zum Genügen; doch hat es ſpäter zu einem
größeren Bildniß mir gedienet, das noch itzt hier
in meiner einſamen Kammer die theuerſte Geſell¬
ſchaft meines Alters iſt. Das Bildniß ſeiner
Tochter aber lebt mit mir in meinem Innern.

Oft, wenn ich die Palette hingelegt, ſtand ich
noch lange vor den ſchönen Bildern. Katharinens
Antlitz fand ich in dem der beiden Eltern wieder:

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[49/0063] Wände faſt völlig von lebensgroßen Bildern verhänget waren, ſo daß nur noch neben dem Kamin ein Platz zu zweien offen ſtund. Es waren das die Voreltern des Herrn Gerhardus, meiſt ernſt und ſicher blickende Männer und Frauen, mit einem Antlitz, dem man wol vertrauen konnte; er ſelbſten in kräftigem Mannesalter und Katha¬ rinens frühverſtorbene Mutter machten dann den Schluß. Die beiden letzten Bilder waren gar trefflich von unſerem Landsmanne, dem Eider¬ ſtedter Georg Ovens, in ſeiner kräftigen Art ge¬ malet; und ich ſuchte nun mit meinem Pinſel die Züge meinem edlen Beſchützers nachzuſchaffen; zwar in verjüngtem Maaßſtabe und nur mir ſelber zum Genügen; doch hat es ſpäter zu einem größeren Bildniß mir gedienet, das noch itzt hier in meiner einſamen Kammer die theuerſte Geſell¬ ſchaft meines Alters iſt. Das Bildniß ſeiner Tochter aber lebt mit mir in meinem Innern. Oft, wenn ich die Palette hingelegt, ſtand ich noch lange vor den ſchönen Bildern. Katharinens Antlitz fand ich in dem der beiden Eltern wieder: Storm, Aquis submersus. 4

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/63>, abgerufen am 03.05.2024.