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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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gute Zeit vorbei; denn unser theurer Herr Ger¬
hardus liegt aufgebahret dort in der Kapellen,
und die Gueridons brennen an seinem Sarge.
Es wird nun anders werden auf dem Hofe;
aber -- ich bin ein höriger Mann, mir ziemet
Schweigen."

Ich wollte fragen: "Ist das Fräulein, ist
Katharina noch im Hause?" Aber das Wort
wollte nicht über meine Zunge.

Drüben, in einem hinteren Seitenbau des
Herrenhauses war eine kleine Kapelle, die aber,
wie ich wußte, seit lange nicht benutzt war.
Dort also sollte ich Herrn Gerhard suchen.

Ich fragte den alten Hofmann: "Ist die Ka¬
pelle offen?" und als er es bejahete, bat ich ihn,
die Hunde anzuhalten; dann ging ich über den
Hof, wo Niemand mir begegnete; nur einer Gras¬
mücke Singen kam oben aus den Lindenwipfeln.

Die Thür zur Kapellen war nur angelehnt,
und leis und gar beklommen trat ich ein. Da
stund der offene Sarg, und die rothe Flamme
der Kerzen warf ihr flackernd Licht auf das edle

gute Zeit vorbei; denn unſer theurer Herr Ger¬
hardus liegt aufgebahret dort in der Kapellen,
und die Gueridons brennen an ſeinem Sarge.
Es wird nun anders werden auf dem Hofe;
aber — ich bin ein höriger Mann, mir ziemet
Schweigen.“

Ich wollte fragen: „Iſt das Fräulein, iſt
Katharina noch im Hauſe?“ Aber das Wort
wollte nicht über meine Zunge.

Drüben, in einem hinteren Seitenbau des
Herrenhauſes war eine kleine Kapelle, die aber,
wie ich wußte, ſeit lange nicht benutzt war.
Dort alſo ſollte ich Herrn Gerhard ſuchen.

Ich fragte den alten Hofmann: „Iſt die Ka¬
pelle offen?“ und als er es bejahete, bat ich ihn,
die Hunde anzuhalten; dann ging ich über den
Hof, wo Niemand mir begegnete; nur einer Gras¬
mücke Singen kam oben aus den Lindenwipfeln.

Die Thür zur Kapellen war nur angelehnt,
und leis und gar beklommen trat ich ein. Da
ſtund der offene Sarg, und die rothe Flamme
der Kerzen warf ihr flackernd Licht auf das edle

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[34/0048] gute Zeit vorbei; denn unſer theurer Herr Ger¬ hardus liegt aufgebahret dort in der Kapellen, und die Gueridons brennen an ſeinem Sarge. Es wird nun anders werden auf dem Hofe; aber — ich bin ein höriger Mann, mir ziemet Schweigen.“ Ich wollte fragen: „Iſt das Fräulein, iſt Katharina noch im Hauſe?“ Aber das Wort wollte nicht über meine Zunge. Drüben, in einem hinteren Seitenbau des Herrenhauſes war eine kleine Kapelle, die aber, wie ich wußte, ſeit lange nicht benutzt war. Dort alſo ſollte ich Herrn Gerhard ſuchen. Ich fragte den alten Hofmann: „Iſt die Ka¬ pelle offen?“ und als er es bejahete, bat ich ihn, die Hunde anzuhalten; dann ging ich über den Hof, wo Niemand mir begegnete; nur einer Gras¬ mücke Singen kam oben aus den Lindenwipfeln. Die Thür zur Kapellen war nur angelehnt, und leis und gar beklommen trat ich ein. Da ſtund der offene Sarg, und die rothe Flamme der Kerzen warf ihr flackernd Licht auf das edle

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/48>, abgerufen am 16.04.2024.