Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder. "Schieß, Johannes, schieß!" -- Der
Kauz aber, den die Freßgier taub gemacht, saß
noch immer und stierete in die Hohlung. Da
spannte ich meinen Eschenbogen und schoß, daß
das Raubthier zappelnd auf dem Boden lag;
aus dem Baume aber schwang sich ein zwit¬
schernd Vöglein in die Luft.

Seit der Zeit waren Katharina und ich zwei
gute Gesellen miteinander; in Wald und Garten,
wo das Mägdlein war, da war auch ich. Darob
aber mußte mir gar bald ein Feind erstehen;
das war Kurt von der Risch, dessen Vater eine
Stunde davon auf seinem reichen Hofe saß. In
Begleitung seines gelahrten Hofmeisters, mit
dem Herr Gerhardus gern der Unterhaltung pflag,
kam er oftmals auf Besuch; und da er jünger
war, als Junker Wulf, so war er wol auf mich
und Katharinen angewiesen; insonders aber schien
das braune Herrentöchterlein ihm zu gefallen.
Doch war das schier umsonst; sie lachte nur über
seine krumme Vogelnase, die ihm, wie bei fast
Allen des Geschlechtes, unter buschigem Haupt¬

wieder. „Schieß, Johannes, ſchieß!“ — Der
Kauz aber, den die Freßgier taub gemacht, ſaß
noch immer und ſtierete in die Hohlung. Da
ſpannte ich meinen Eſchenbogen und ſchoß, daß
das Raubthier zappelnd auf dem Boden lag;
aus dem Baume aber ſchwang ſich ein zwit¬
ſchernd Vöglein in die Luft.

Seit der Zeit waren Katharina und ich zwei
gute Geſellen miteinander; in Wald und Garten,
wo das Mägdlein war, da war auch ich. Darob
aber mußte mir gar bald ein Feind erſtehen;
das war Kurt von der Riſch, deſſen Vater eine
Stunde davon auf ſeinem reichen Hofe ſaß. In
Begleitung ſeines gelahrten Hofmeiſters, mit
dem Herr Gerhardus gern der Unterhaltung pflag,
kam er oftmals auf Beſuch; und da er jünger
war, als Junker Wulf, ſo war er wol auf mich
und Katharinen angewieſen; inſonders aber ſchien
das braune Herrentöchterlein ihm zu gefallen.
Doch war das ſchier umſonſt; ſie lachte nur über
ſeine krumme Vogelnaſe, die ihm, wie bei faſt
Allen des Geſchlechtes, unter buſchigem Haupt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0038" n="24"/>
wieder. &#x201E;Schieß, Johannes, &#x017F;chieß!&#x201C; &#x2014; Der<lb/>
Kauz aber, den die Freßgier taub gemacht, &#x017F;<lb/>
noch immer und &#x017F;tierete in die Hohlung. Da<lb/>
&#x017F;pannte ich meinen E&#x017F;chenbogen und &#x017F;choß, daß<lb/>
das Raubthier zappelnd auf dem Boden lag;<lb/>
aus dem Baume aber &#x017F;chwang &#x017F;ich ein zwit¬<lb/>
&#x017F;chernd Vöglein in die Luft.</p><lb/>
      <p>Seit der Zeit waren Katharina und ich zwei<lb/>
gute Ge&#x017F;ellen miteinander; in Wald und Garten,<lb/>
wo das Mägdlein war, da war auch ich. Darob<lb/>
aber mußte mir gar bald ein Feind er&#x017F;tehen;<lb/>
das war Kurt von der Ri&#x017F;ch, de&#x017F;&#x017F;en Vater eine<lb/>
Stunde davon auf &#x017F;einem reichen Hofe &#x017F;aß. In<lb/>
Begleitung &#x017F;eines gelahrten Hofmei&#x017F;ters, mit<lb/>
dem Herr Gerhardus gern der Unterhaltung pflag,<lb/>
kam er oftmals auf Be&#x017F;uch; und da er jünger<lb/>
war, als Junker Wulf, &#x017F;o war er wol auf mich<lb/>
und Katharinen angewie&#x017F;en; in&#x017F;onders aber &#x017F;chien<lb/>
das braune Herrentöchterlein ihm zu gefallen.<lb/>
Doch war das &#x017F;chier um&#x017F;on&#x017F;t; &#x017F;ie lachte nur über<lb/>
&#x017F;eine krumme Vogelna&#x017F;e, die ihm, wie bei fa&#x017F;t<lb/>
Allen des Ge&#x017F;chlechtes, unter bu&#x017F;chigem Haupt¬<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0038] wieder. „Schieß, Johannes, ſchieß!“ — Der Kauz aber, den die Freßgier taub gemacht, ſaß noch immer und ſtierete in die Hohlung. Da ſpannte ich meinen Eſchenbogen und ſchoß, daß das Raubthier zappelnd auf dem Boden lag; aus dem Baume aber ſchwang ſich ein zwit¬ ſchernd Vöglein in die Luft. Seit der Zeit waren Katharina und ich zwei gute Geſellen miteinander; in Wald und Garten, wo das Mägdlein war, da war auch ich. Darob aber mußte mir gar bald ein Feind erſtehen; das war Kurt von der Riſch, deſſen Vater eine Stunde davon auf ſeinem reichen Hofe ſaß. In Begleitung ſeines gelahrten Hofmeiſters, mit dem Herr Gerhardus gern der Unterhaltung pflag, kam er oftmals auf Beſuch; und da er jünger war, als Junker Wulf, ſo war er wol auf mich und Katharinen angewieſen; inſonders aber ſchien das braune Herrentöchterlein ihm zu gefallen. Doch war das ſchier umſonſt; ſie lachte nur über ſeine krumme Vogelnaſe, die ihm, wie bei faſt Allen des Geſchlechtes, unter buſchigem Haupt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/38
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/38>, abgerufen am 29.03.2024.