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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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hohe und also auch einzig verlockende Baum des
Dorfes, welche ihre Zweige ein gut Stück ober¬
halb des bemoosten Strohdaches rauschen ließ,
war gleich dem Apfelbaum des Paradieses uns
verboten und wurde daher nur heimlich von uns
erklettert; sonst war, so viel ich mich entsinne,
Alles erlaubt und wurde je nach unserer Alters¬
stufe bestens von uns ausgenutzt.

Der Hauptschauplatz unserer Thaten war die
große "Priesterkoppel", zu der ein Pförtchen aus
dem Garten führte. Hier wußten wir mit dem
den Buben angebornen Instincte die Nester der
Lerchen und der Grauammern aufzuspüren, denen
wir dann die wiederholtesten Besuche abstatteten,
um nachzusehen, wie weit in den letzten zwei
Stunden die Eier oder die Jungen nun gediehen
seien; hier auf einer tiefen und, wie ich jetzt
meine, nicht weniger als jene Pappel gefährlichen
Wassergrube, deren Rand mit alten Weiden¬
stümpfen dicht umstanden war, fingen wir die
flinken schwarzen Käfer, die wir "Wasserfranzosen"
nannten, oder ließen wir ein ander Mal unsere

hohe und alſo auch einzig verlockende Baum des
Dorfes, welche ihre Zweige ein gut Stück ober¬
halb des bemooſten Strohdaches rauſchen ließ,
war gleich dem Apfelbaum des Paradieſes uns
verboten und wurde daher nur heimlich von uns
erklettert; ſonſt war, ſo viel ich mich entſinne,
Alles erlaubt und wurde je nach unſerer Alters¬
ſtufe beſtens von uns ausgenutzt.

Der Hauptſchauplatz unſerer Thaten war die
große „Prieſterkoppel“, zu der ein Pförtchen aus
dem Garten führte. Hier wußten wir mit dem
den Buben angebornen Inſtincte die Neſter der
Lerchen und der Grauammern aufzuſpüren, denen
wir dann die wiederholteſten Beſuche abſtatteten,
um nachzuſehen, wie weit in den letzten zwei
Stunden die Eier oder die Jungen nun gediehen
ſeien; hier auf einer tiefen und, wie ich jetzt
meine, nicht weniger als jene Pappel gefährlichen
Waſſergrube, deren Rand mit alten Weiden¬
ſtümpfen dicht umſtanden war, fingen wir die
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[4/0018] hohe und alſo auch einzig verlockende Baum des Dorfes, welche ihre Zweige ein gut Stück ober¬ halb des bemooſten Strohdaches rauſchen ließ, war gleich dem Apfelbaum des Paradieſes uns verboten und wurde daher nur heimlich von uns erklettert; ſonſt war, ſo viel ich mich entſinne, Alles erlaubt und wurde je nach unſerer Alters¬ ſtufe beſtens von uns ausgenutzt. Der Hauptſchauplatz unſerer Thaten war die große „Prieſterkoppel“, zu der ein Pförtchen aus dem Garten führte. Hier wußten wir mit dem den Buben angebornen Inſtincte die Neſter der Lerchen und der Grauammern aufzuſpüren, denen wir dann die wiederholteſten Beſuche abſtatteten, um nachzuſehen, wie weit in den letzten zwei Stunden die Eier oder die Jungen nun gediehen ſeien; hier auf einer tiefen und, wie ich jetzt meine, nicht weniger als jene Pappel gefährlichen Waſſergrube, deren Rand mit alten Weiden¬ ſtümpfen dicht umſtanden war, fingen wir die flinken ſchwarzen Käfer, die wir „Waſſerfranzoſen“ nannten, oder ließen wir ein ander Mal unſere

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/18>, abgerufen am 29.03.2024.