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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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Dämmerung, es wurde Nacht; ich schaute in die
ewigen Gestirne, und endlich suchte auch ich mein
Lager. Aber die Erquickung des Schlafes ward
mir nicht zu Theil. In meinen erregten Sinnen
war es mir gar seltsamlich, als sei der Kirch¬
thurm drüben meinem Fenster nah gerückt; ich
fühlte die Glockenschläge durch das Holz der
Bettstatt dröhnen, und ich zählete sie alle die
ganze Nacht entlang. Doch endlich dämmerte
der Morgen. Die Balken an der Decke hingen
noch wie Schatten über mir, da sprang ich auf,
und ehbevor die erste Lerche aus den Stoppel¬
feldern stieg, hatte ich allbereits die Stadt im
Rücken.

Aber so frühe ich auch ausgegangen, ich traf
den Prediger schon auf der Schwelle seines
Hauses stehen. Er geleitete mich auf den Flur
und sagte, daß die Holztafel richtig angelanget,
auch meine Staffelei und sonstiges Malergeräth
aus dem Küsterhause herübergeschaffet sei. Dann
legte er seine Hand auf die Klinke einer Stuben¬
thür.

Dämmerung, es wurde Nacht; ich ſchaute in die
ewigen Geſtirne, und endlich ſuchte auch ich mein
Lager. Aber die Erquickung des Schlafes ward
mir nicht zu Theil. In meinen erregten Sinnen
war es mir gar ſeltſamlich, als ſei der Kirch¬
thurm drüben meinem Fenſter nah gerückt; ich
fühlte die Glockenſchläge durch das Holz der
Bettſtatt dröhnen, und ich zählete ſie alle die
ganze Nacht entlang. Doch endlich dämmerte
der Morgen. Die Balken an der Decke hingen
noch wie Schatten über mir, da ſprang ich auf,
und ehbevor die erſte Lerche aus den Stoppel¬
feldern ſtieg, hatte ich allbereits die Stadt im
Rücken.

Aber ſo frühe ich auch ausgegangen, ich traf
den Prediger ſchon auf der Schwelle ſeines
Hauſes ſtehen. Er geleitete mich auf den Flur
und ſagte, daß die Holztafel richtig angelanget,
auch meine Staffelei und ſonſtiges Malergeräth
aus dem Küſterhauſe herübergeſchaffet ſei. Dann
legte er ſeine Hand auf die Klinke einer Stuben¬
thür.

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[149/0163] Dämmerung, es wurde Nacht; ich ſchaute in die ewigen Geſtirne, und endlich ſuchte auch ich mein Lager. Aber die Erquickung des Schlafes ward mir nicht zu Theil. In meinen erregten Sinnen war es mir gar ſeltſamlich, als ſei der Kirch¬ thurm drüben meinem Fenſter nah gerückt; ich fühlte die Glockenſchläge durch das Holz der Bettſtatt dröhnen, und ich zählete ſie alle die ganze Nacht entlang. Doch endlich dämmerte der Morgen. Die Balken an der Decke hingen noch wie Schatten über mir, da ſprang ich auf, und ehbevor die erſte Lerche aus den Stoppel¬ feldern ſtieg, hatte ich allbereits die Stadt im Rücken. Aber ſo frühe ich auch ausgegangen, ich traf den Prediger ſchon auf der Schwelle ſeines Hauſes ſtehen. Er geleitete mich auf den Flur und ſagte, daß die Holztafel richtig angelanget, auch meine Staffelei und ſonſtiges Malergeräth aus dem Küſterhauſe herübergeſchaffet ſei. Dann legte er ſeine Hand auf die Klinke einer Stuben¬ thür.

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/163>, abgerufen am 28.04.2024.