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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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lings in die Brust: Die Augen des schönen
blassen Knaben, es waren ja ihre Augen! Wo
hatte ich meine Sinne denn gehabt! -- -- Aber
dann, wenn sie es war, wenn ich sie selber schon
gesehen! -- Welch' schreckbare Gedanken stürmten
auf mich ein!

Indem legte sich die eine Hand meines Bru¬
ders mir auf die Schulter, mit der andern wies
er auf den dunkeln Markt hinaus, von wannen
aber itzt ein heller Schein zu uns herüberschwankte.
"Sieh nur!" sagte er. "Wie gut, daß wir das
Pflaster mit Sand und Haide ausgestopfet haben!
Die kommen von des Glockengießers Hochzeit;
aber an ihren Stockleuchten sieht man, daß sie
gleichwol hin und wieder stolpern."

Mein Bruder hatte Recht. Die tanzenden
Leuchten zeugeten deutlich von der Trefflichkeit
des Hochzeitschmauses; sie kamen uns so nahe,
daß die zwei gemalten Scheiben, so letzlich von
meinem Bruder als eines Glasers Meisterstück
erstanden waren, in ihren satten Farben wie in
Feuer glühten. Als aber dann die Gesellschaft

lings in die Bruſt: Die Augen des ſchönen
blaſſen Knaben, es waren ja ihre Augen! Wo
hatte ich meine Sinne denn gehabt! — — Aber
dann, wenn ſie es war, wenn ich ſie ſelber ſchon
geſehen! — Welch' ſchreckbare Gedanken ſtürmten
auf mich ein!

Indem legte ſich die eine Hand meines Bru¬
ders mir auf die Schulter, mit der andern wies
er auf den dunkeln Markt hinaus, von wannen
aber itzt ein heller Schein zu uns herüberſchwankte.
„Sieh nur!“ ſagte er. „Wie gut, daß wir das
Pflaſter mit Sand und Haide ausgeſtopfet haben!
Die kommen von des Glockengießers Hochzeit;
aber an ihren Stockleuchten ſieht man, daß ſie
gleichwol hin und wieder ſtolpern.“

Mein Bruder hatte Recht. Die tanzenden
Leuchten zeugeten deutlich von der Trefflichkeit
des Hochzeitſchmauſes; ſie kamen uns ſo nahe,
daß die zwei gemalten Scheiben, ſo letzlich von
meinem Bruder als eines Glaſers Meiſterſtück
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[128/0142] lings in die Bruſt: Die Augen des ſchönen blaſſen Knaben, es waren ja ihre Augen! Wo hatte ich meine Sinne denn gehabt! — — Aber dann, wenn ſie es war, wenn ich ſie ſelber ſchon geſehen! — Welch' ſchreckbare Gedanken ſtürmten auf mich ein! Indem legte ſich die eine Hand meines Bru¬ ders mir auf die Schulter, mit der andern wies er auf den dunkeln Markt hinaus, von wannen aber itzt ein heller Schein zu uns herüberſchwankte. „Sieh nur!“ ſagte er. „Wie gut, daß wir das Pflaſter mit Sand und Haide ausgeſtopfet haben! Die kommen von des Glockengießers Hochzeit; aber an ihren Stockleuchten ſieht man, daß ſie gleichwol hin und wieder ſtolpern.“ Mein Bruder hatte Recht. Die tanzenden Leuchten zeugeten deutlich von der Trefflichkeit des Hochzeitſchmauſes; ſie kamen uns ſo nahe, daß die zwei gemalten Scheiben, ſo letzlich von meinem Bruder als eines Glaſers Meiſterſtück erſtanden waren, in ihren ſatten Farben wie in Feuer glühten. Als aber dann die Geſellſchaft

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/142>, abgerufen am 02.05.2024.