Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Des Küsters alte Magd hatte ich einmal nach
des Predigers Frau befraget; aber sie hatte mir
kurzen Bescheid gegeben: "Die kennt man nicht;
in die Bauernhäuser kommt sie kaum, wenn
Kindelbier und Hochzeit ist." -- Der Pastor selbst
sprach nicht von ihr. Aus dem Garten der
Küsterei, welcher in eine dichte Gruppe von Flie¬
derbüschen ausläuft, sahe ich sie einmal langsam
über die Priesterkoppel nach ihrem Hause gehen;
aber sie hatte mir den Rücken zugewendet, so
daß ich nur ihre schlanke jugendliche Gestalt ge¬
wahren konnte, und außerdem ein paar gekräu¬
selte Löckchen, in der Art, wie sie sonst nur von
den Vornehmeren getragen werden, und die der
Wind von ihren Schläfen wehte. Das Bild
ihres finsteren Ehgesponsen trat mir vor die
Seele, und mir schien, es passe dieses Paar nicht
wohl zusammen.

-- -- An den Tagen, wo ich nicht da draußen
war, hatte ich auch die Arbeit an meinem Lazarus
wieder aufgenommen, so daß nach einiger Zeit
diese Bilder mit einander nahezu vollendet waren.

Des Küſters alte Magd hatte ich einmal nach
des Predigers Frau befraget; aber ſie hatte mir
kurzen Beſcheid gegeben: „Die kennt man nicht;
in die Bauernhäuſer kommt ſie kaum, wenn
Kindelbier und Hochzeit iſt.“ — Der Paſtor ſelbſt
ſprach nicht von ihr. Aus dem Garten der
Küſterei, welcher in eine dichte Gruppe von Flie¬
derbüſchen ausläuft, ſahe ich ſie einmal langſam
über die Prieſterkoppel nach ihrem Hauſe gehen;
aber ſie hatte mir den Rücken zugewendet, ſo
daß ich nur ihre ſchlanke jugendliche Geſtalt ge¬
wahren konnte, und außerdem ein paar gekräu¬
ſelte Löckchen, in der Art, wie ſie ſonst nur von
den Vornehmeren getragen werden, und die der
Wind von ihren Schläfen wehte. Das Bild
ihres finſteren Ehgeſponſen trat mir vor die
Seele, und mir ſchien, es paſſe dieſes Paar nicht
wohl zuſammen.

— — An den Tagen, wo ich nicht da draußen
war, hatte ich auch die Arbeit an meinem Lazarus
wieder aufgenommen, ſo daß nach einiger Zeit
dieſe Bilder mit einander nahezu vollendet waren.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0140" n="126"/>
      <p>Des Kü&#x017F;ters alte Magd hatte ich einmal nach<lb/>
des Predigers Frau befraget; aber &#x017F;ie hatte mir<lb/>
kurzen Be&#x017F;cheid gegeben: &#x201E;Die kennt man nicht;<lb/>
in die Bauernhäu&#x017F;er kommt &#x017F;ie kaum, wenn<lb/>
Kindelbier und Hochzeit i&#x017F;t.&#x201C; &#x2014; Der Pa&#x017F;tor &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;prach nicht von ihr. Aus dem Garten der<lb/>&#x017F;terei, welcher in eine dichte Gruppe von Flie¬<lb/>
derbü&#x017F;chen ausläuft, &#x017F;ahe ich &#x017F;ie einmal lang&#x017F;am<lb/>
über die Prie&#x017F;terkoppel nach ihrem Hau&#x017F;e gehen;<lb/>
aber &#x017F;ie hatte mir den Rücken zugewendet, &#x017F;o<lb/>
daß ich nur ihre &#x017F;chlanke jugendliche Ge&#x017F;talt ge¬<lb/>
wahren konnte, und außerdem ein paar gekräu¬<lb/>
&#x017F;elte Löckchen, in der Art, wie &#x017F;ie &#x017F;onst nur von<lb/>
den Vornehmeren getragen werden, und die der<lb/>
Wind von ihren Schläfen wehte. Das Bild<lb/>
ihres fin&#x017F;teren Ehge&#x017F;pon&#x017F;en trat mir vor die<lb/>
Seele, und mir &#x017F;chien, es pa&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;es Paar nicht<lb/>
wohl zu&#x017F;ammen.</p><lb/>
      <p>&#x2014; &#x2014; An den Tagen, wo ich nicht da draußen<lb/>
war, hatte ich auch die Arbeit an meinem Lazarus<lb/>
wieder aufgenommen, &#x017F;o daß nach einiger Zeit<lb/>
die&#x017F;e Bilder mit einander nahezu vollendet waren.</p><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0140] Des Küſters alte Magd hatte ich einmal nach des Predigers Frau befraget; aber ſie hatte mir kurzen Beſcheid gegeben: „Die kennt man nicht; in die Bauernhäuſer kommt ſie kaum, wenn Kindelbier und Hochzeit iſt.“ — Der Paſtor ſelbſt ſprach nicht von ihr. Aus dem Garten der Küſterei, welcher in eine dichte Gruppe von Flie¬ derbüſchen ausläuft, ſahe ich ſie einmal langſam über die Prieſterkoppel nach ihrem Hauſe gehen; aber ſie hatte mir den Rücken zugewendet, ſo daß ich nur ihre ſchlanke jugendliche Geſtalt ge¬ wahren konnte, und außerdem ein paar gekräu¬ ſelte Löckchen, in der Art, wie ſie ſonst nur von den Vornehmeren getragen werden, und die der Wind von ihren Schläfen wehte. Das Bild ihres finſteren Ehgeſponſen trat mir vor die Seele, und mir ſchien, es paſſe dieſes Paar nicht wohl zuſammen. — — An den Tagen, wo ich nicht da draußen war, hatte ich auch die Arbeit an meinem Lazarus wieder aufgenommen, ſo daß nach einiger Zeit dieſe Bilder mit einander nahezu vollendet waren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/140
Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/140>, abgerufen am 02.05.2024.