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Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877.

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Du, meiner lieben Schwester Sohn, der Du nun
bald mein Erbe sein wirst, mögest mit meinem
kleinen Erdengute dann auch mein Erdenleid da¬
hin nehmen, so ich bei meiner Lebzeit Nieman¬
dem, auch, aller Liebe ohnerachtet, Dir nicht habe
anvertrauen mögen.

Item; anno 1666 kam ich zum ersten Mal in
diese Stadt an der Nordsee; maaßen von einer
reichen Branntweinbrenner-Wittwen mir der Auf¬
trag worden, die Auferweckung Lazari zu malen,
welches Bild sie zum schuldigen und freundlichen
Gedächtniß ihres Seligen, der hiesigen Kirchen
aber zum Zierrath zu stiften gedachte, allwo es
denn auch noch heute über dem Taufsteine mit
den vier Aposteln zu schauen ist. Daneben
wünschte auch der Bürgermeister, Herr Titus
Axen, so früher in Hamburg Thumherr und mir
von dort bekannt war, sein Contrefey von mir
gemalet, so daß ich für eine lange Zeit allhier
zu schaffen hatte. -- Mein Losament aber hatte
ich bei meinem einzigen und älteren Bruder, der
seit lange schon das Sekretariat der Stadt be¬

Du, meiner lieben Schweſter Sohn, der Du nun
bald mein Erbe ſein wirſt, mögeſt mit meinem
kleinen Erdengute dann auch mein Erdenleid da¬
hin nehmen, ſo ich bei meiner Lebzeit Nieman¬
dem, auch, aller Liebe ohnerachtet, Dir nicht habe
anvertrauen mögen.

Item; anno 1666 kam ich zum erſten Mal in
dieſe Stadt an der Nordſee; maaßen von einer
reichen Branntweinbrenner-Wittwen mir der Auf¬
trag worden, die Auferweckung Lazari zu malen,
welches Bild ſie zum ſchuldigen und freundlichen
Gedächtniß ihres Seligen, der hieſigen Kirchen
aber zum Zierrath zu ſtiften gedachte, allwo es
denn auch noch heute über dem Taufſteine mit
den vier Apoſteln zu ſchauen iſt. Daneben
wünſchte auch der Bürgermeiſter, Herr Titus
Axen, ſo früher in Hamburg Thumherr und mir
von dort bekannt war, ſein Contrefey von mir
gemalet, ſo daß ich für eine lange Zeit allhier
zu ſchaffen hatte. — Mein Loſament aber hatte
ich bei meinem einzigen und älteren Bruder, der
ſeit lange ſchon das Sekretariat der Stadt be¬

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[110/0124] Du, meiner lieben Schweſter Sohn, der Du nun bald mein Erbe ſein wirſt, mögeſt mit meinem kleinen Erdengute dann auch mein Erdenleid da¬ hin nehmen, ſo ich bei meiner Lebzeit Nieman¬ dem, auch, aller Liebe ohnerachtet, Dir nicht habe anvertrauen mögen. Item; anno 1666 kam ich zum erſten Mal in dieſe Stadt an der Nordſee; maaßen von einer reichen Branntweinbrenner-Wittwen mir der Auf¬ trag worden, die Auferweckung Lazari zu malen, welches Bild ſie zum ſchuldigen und freundlichen Gedächtniß ihres Seligen, der hieſigen Kirchen aber zum Zierrath zu ſtiften gedachte, allwo es denn auch noch heute über dem Taufſteine mit den vier Apoſteln zu ſchauen iſt. Daneben wünſchte auch der Bürgermeiſter, Herr Titus Axen, ſo früher in Hamburg Thumherr und mir von dort bekannt war, ſein Contrefey von mir gemalet, ſo daß ich für eine lange Zeit allhier zu ſchaffen hatte. — Mein Loſament aber hatte ich bei meinem einzigen und älteren Bruder, der ſeit lange ſchon das Sekretariat der Stadt be¬

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Aquis submersus. Berlin, 1877, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_aquis_1877/124>, abgerufen am 02.05.2024.