Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

den Luxus und das Wohlleben, die den Haupt-
karakter derselben bestimmen. Es gehört, um
mich eines vulgaren Ausdrucks zu bedienen,
hier sehr viel zum Leben; die Lokalbeschaffen-
heit und das Klima der Residenz erzeugen
eine Menge Bedürfnisse, die man an andern
Orten wenig kennt; aber unser Hang zur
Gemächlichkeit, der durch einen ziemlich allge-
meinen Wohlstand begünstigt und durch das
Beyspiel der Großen und Reichen aufgereizt
wird, vervielfältigt die Nothwendigkeiten des
Lebens so sehr, daß selbst Ausländer den Maaß-
stab leicht verlieren, nach welchem sie zu Hause
die Grenze des Nöthigen und Entbehrlichen
abzumessen gewohnt waren. Der Luxus der
hier in allen Zweigen der Lebensart herrscht,
weit entfernt von dem Vorfall den man ihm
schon seit mehreren Jahrzehenden prophezeyht,
wird durch viele zusammentreffende Ursachen
noch immer im Steigen erhalten, und es ist
nicht zu leugnen, daß er bey manchen Stän-
den im Ganzen die Kräfte der Individuen
übersteigt. Nur noch einige Schritte weiter,
und der bessere Theil des minder wohlhaben-
den Publikums wird sich zu einer öffentlichen

den Luxus und das Wohlleben, die den Haupt-
karakter derſelben beſtimmen. Es gehoͤrt, um
mich eines vulgaren Ausdrucks zu bedienen,
hier ſehr viel zum Leben; die Lokalbeſchaffen-
heit und das Klima der Reſidenz erzeugen
eine Menge Beduͤrfniſſe, die man an andern
Orten wenig kennt; aber unſer Hang zur
Gemaͤchlichkeit, der durch einen ziemlich allge-
meinen Wohlſtand beguͤnſtigt und durch das
Beyſpiel der Großen und Reichen aufgereizt
wird, vervielfaͤltigt die Nothwendigkeiten des
Lebens ſo ſehr, daß ſelbſt Auslaͤnder den Maaß-
ſtab leicht verlieren, nach welchem ſie zu Hauſe
die Grenze des Noͤthigen und Entbehrlichen
abzumeſſen gewohnt waren. Der Luxus der
hier in allen Zweigen der Lebensart herrſcht,
weit entfernt von dem Vorfall den man ihm
ſchon ſeit mehreren Jahrzehenden prophezeyht,
wird durch viele zuſammentreffende Urſachen
noch immer im Steigen erhalten, und es iſt
nicht zu leugnen, daß er bey manchen Staͤn-
den im Ganzen die Kraͤfte der Individuen
uͤberſteigt. Nur noch einige Schritte weiter,
und der beſſere Theil des minder wohlhaben-
den Publikums wird ſich zu einer oͤffentlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0424" n="406"/>
den Luxus und das Wohlleben, die den Haupt-<lb/>
karakter der&#x017F;elben be&#x017F;timmen. Es geho&#x0364;rt, um<lb/>
mich eines vulgaren Ausdrucks zu bedienen,<lb/>
hier &#x017F;ehr viel zum Leben; die Lokalbe&#x017F;chaffen-<lb/>
heit und das Klima der Re&#x017F;idenz erzeugen<lb/>
eine Menge Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e, die man an andern<lb/>
Orten wenig kennt; aber un&#x017F;er Hang zur<lb/>
Gema&#x0364;chlichkeit, der durch einen ziemlich allge-<lb/>
meinen Wohl&#x017F;tand begu&#x0364;n&#x017F;tigt und durch das<lb/>
Bey&#x017F;piel der Großen und Reichen aufgereizt<lb/>
wird, vervielfa&#x0364;ltigt die Nothwendigkeiten des<lb/>
Lebens &#x017F;o &#x017F;ehr, daß &#x017F;elb&#x017F;t Ausla&#x0364;nder den Maaß-<lb/>
&#x017F;tab leicht verlieren, nach welchem &#x017F;ie zu Hau&#x017F;e<lb/>
die Grenze des No&#x0364;thigen und Entbehrlichen<lb/>
abzume&#x017F;&#x017F;en gewohnt waren. Der Luxus der<lb/>
hier in allen Zweigen der Lebensart herr&#x017F;cht,<lb/>
weit entfernt von dem Vorfall den man ihm<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;eit mehreren Jahrzehenden prophezeyht,<lb/>
wird durch viele zu&#x017F;ammentreffende Ur&#x017F;achen<lb/>
noch immer im Steigen erhalten, und es i&#x017F;t<lb/>
nicht zu leugnen, daß er bey manchen Sta&#x0364;n-<lb/>
den im Ganzen die Kra&#x0364;fte der Individuen<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;teigt. Nur noch einige Schritte weiter,<lb/>
und der be&#x017F;&#x017F;ere Theil des minder wohlhaben-<lb/>
den Publikums wird &#x017F;ich zu einer o&#x0364;ffentlichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0424] den Luxus und das Wohlleben, die den Haupt- karakter derſelben beſtimmen. Es gehoͤrt, um mich eines vulgaren Ausdrucks zu bedienen, hier ſehr viel zum Leben; die Lokalbeſchaffen- heit und das Klima der Reſidenz erzeugen eine Menge Beduͤrfniſſe, die man an andern Orten wenig kennt; aber unſer Hang zur Gemaͤchlichkeit, der durch einen ziemlich allge- meinen Wohlſtand beguͤnſtigt und durch das Beyſpiel der Großen und Reichen aufgereizt wird, vervielfaͤltigt die Nothwendigkeiten des Lebens ſo ſehr, daß ſelbſt Auslaͤnder den Maaß- ſtab leicht verlieren, nach welchem ſie zu Hauſe die Grenze des Noͤthigen und Entbehrlichen abzumeſſen gewohnt waren. Der Luxus der hier in allen Zweigen der Lebensart herrſcht, weit entfernt von dem Vorfall den man ihm ſchon ſeit mehreren Jahrzehenden prophezeyht, wird durch viele zuſammentreffende Urſachen noch immer im Steigen erhalten, und es iſt nicht zu leugnen, daß er bey manchen Staͤn- den im Ganzen die Kraͤfte der Individuen uͤberſteigt. Nur noch einige Schritte weiter, und der beſſere Theil des minder wohlhaben- den Publikums wird ſich zu einer oͤffentlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/424
Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/424>, abgerufen am 17.05.2024.