den Luxus und das Wohlleben, die den Haupt- karakter derselben bestimmen. Es gehört, um mich eines vulgaren Ausdrucks zu bedienen, hier sehr viel zum Leben; die Lokalbeschaffen- heit und das Klima der Residenz erzeugen eine Menge Bedürfnisse, die man an andern Orten wenig kennt; aber unser Hang zur Gemächlichkeit, der durch einen ziemlich allge- meinen Wohlstand begünstigt und durch das Beyspiel der Großen und Reichen aufgereizt wird, vervielfältigt die Nothwendigkeiten des Lebens so sehr, daß selbst Ausländer den Maaß- stab leicht verlieren, nach welchem sie zu Hause die Grenze des Nöthigen und Entbehrlichen abzumessen gewohnt waren. Der Luxus der hier in allen Zweigen der Lebensart herrscht, weit entfernt von dem Vorfall den man ihm schon seit mehreren Jahrzehenden prophezeyht, wird durch viele zusammentreffende Ursachen noch immer im Steigen erhalten, und es ist nicht zu leugnen, daß er bey manchen Stän- den im Ganzen die Kräfte der Individuen übersteigt. Nur noch einige Schritte weiter, und der bessere Theil des minder wohlhaben- den Publikums wird sich zu einer öffentlichen
den Luxus und das Wohlleben, die den Haupt- karakter derſelben beſtimmen. Es gehoͤrt, um mich eines vulgaren Ausdrucks zu bedienen, hier ſehr viel zum Leben; die Lokalbeſchaffen- heit und das Klima der Reſidenz erzeugen eine Menge Beduͤrfniſſe, die man an andern Orten wenig kennt; aber unſer Hang zur Gemaͤchlichkeit, der durch einen ziemlich allge- meinen Wohlſtand beguͤnſtigt und durch das Beyſpiel der Großen und Reichen aufgereizt wird, vervielfaͤltigt die Nothwendigkeiten des Lebens ſo ſehr, daß ſelbſt Auslaͤnder den Maaß- ſtab leicht verlieren, nach welchem ſie zu Hauſe die Grenze des Noͤthigen und Entbehrlichen abzumeſſen gewohnt waren. Der Luxus der hier in allen Zweigen der Lebensart herrſcht, weit entfernt von dem Vorfall den man ihm ſchon ſeit mehreren Jahrzehenden prophezeyht, wird durch viele zuſammentreffende Urſachen noch immer im Steigen erhalten, und es iſt nicht zu leugnen, daß er bey manchen Staͤn- den im Ganzen die Kraͤfte der Individuen uͤberſteigt. Nur noch einige Schritte weiter, und der beſſere Theil des minder wohlhaben- den Publikums wird ſich zu einer oͤffentlichen
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den Luxus und das Wohlleben, die den Haupt-
karakter derſelben beſtimmen. Es gehoͤrt, um
mich eines vulgaren Ausdrucks zu bedienen,
hier ſehr viel zum Leben; die Lokalbeſchaffen-
heit und das Klima der Reſidenz erzeugen
eine Menge Beduͤrfniſſe, die man an andern
Orten wenig kennt; aber unſer Hang zur
Gemaͤchlichkeit, der durch einen ziemlich allge-
meinen Wohlſtand beguͤnſtigt und durch das
Beyſpiel der Großen und Reichen aufgereizt
wird, vervielfaͤltigt die Nothwendigkeiten des
Lebens ſo ſehr, daß ſelbſt Auslaͤnder den Maaß-
ſtab leicht verlieren, nach welchem ſie zu Hauſe
die Grenze des Noͤthigen und Entbehrlichen
abzumeſſen gewohnt waren. Der Luxus der
hier in allen Zweigen der Lebensart herrſcht,
weit entfernt von dem Vorfall den man ihm
ſchon ſeit mehreren Jahrzehenden prophezeyht,
wird durch viele zuſammentreffende Urſachen
noch immer im Steigen erhalten, und es iſt
nicht zu leugnen, daß er bey manchen Staͤn-
den im Ganzen die Kraͤfte der Individuen
uͤberſteigt. Nur noch einige Schritte weiter,
und der beſſere Theil des minder wohlhaben-
den Publikums wird ſich zu einer oͤffentlichen
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/424>, abgerufen am 23.11.2024.
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