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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794.

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die Tradition es nicht verrathen hätte, über
diesen Gegenstand lange getäuscht werden
könnte.

Alle Kanäle des bürgerlichen Erwerbs ste-
hen dem Volke frey. Wie vortheilhaft es
diese benutzt, davon sind unter mehreren Ru-
briken dieses Buchs so vielfältige Beyspiele an-
geführt, daß hier füglich darüber geschwiegen
werden kann. Der Gewinn des geringsten
Tagelöhners ist größer als wir sein tägliches
Bedürfniß annehmen dürfen, ohne dieses mit
dem Gefühl eines Gefangenwärters zu berech-
nen. So wenig anlockend seine Tafel ver-
wöhntern Gaumen seyn mag, so gewiß ist es
doch, daß der gemeine Russe, wenn er nicht in
den Hotels der Residenz erzogen ist, die fein-
sten Schüsseln verschmähen wird, um sich an
seinem Schtschi und seiner Kascha zu sättigen.
Seinen leidenschaftlichsten Sinn, den Durst
nach starken Getränken, zu befriedigen, bedarf
er nur wenige Kopeken; er müßte sehr arm,
oder welches einerley ist, sehr faul seyn, um
sich diesen Genuß nicht wenigstens wöchentlich
Einmal gewähren zu können. Seine Beklei-
dung ist immer zulänglich, und niemals, außer

die Tradition es nicht verrathen haͤtte, uͤber
dieſen Gegenſtand lange getaͤuſcht werden
koͤnnte.

Alle Kanaͤle des buͤrgerlichen Erwerbs ſte-
hen dem Volke frey. Wie vortheilhaft es
dieſe benutzt, davon ſind unter mehreren Ru-
briken dieſes Buchs ſo vielfaͤltige Beyſpiele an-
gefuͤhrt, daß hier fuͤglich daruͤber geſchwiegen
werden kann. Der Gewinn des geringſten
Tageloͤhners iſt groͤßer als wir ſein taͤgliches
Beduͤrfniß annehmen duͤrfen, ohne dieſes mit
dem Gefuͤhl eines Gefangenwaͤrters zu berech-
nen. So wenig anlockend ſeine Tafel ver-
woͤhntern Gaumen ſeyn mag, ſo gewiß iſt es
doch, daß der gemeine Ruſſe, wenn er nicht in
den Hotels der Reſidenz erzogen iſt, die fein-
ſten Schuͤſſeln verſchmaͤhen wird, um ſich an
ſeinem Schtſchi und ſeiner Kaſcha zu ſaͤttigen.
Seinen leidenſchaftlichſten Sinn, den Durſt
nach ſtarken Getraͤnken, zu befriedigen, bedarf
er nur wenige Kopeken; er muͤßte ſehr arm,
oder welches einerley iſt, ſehr faul ſeyn, um
ſich dieſen Genuß nicht wenigſtens woͤchentlich
Einmal gewaͤhren zu koͤnnen. Seine Beklei-
dung iſt immer zulaͤnglich, und niemals, außer

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[379/0397] die Tradition es nicht verrathen haͤtte, uͤber dieſen Gegenſtand lange getaͤuſcht werden koͤnnte. Alle Kanaͤle des buͤrgerlichen Erwerbs ſte- hen dem Volke frey. Wie vortheilhaft es dieſe benutzt, davon ſind unter mehreren Ru- briken dieſes Buchs ſo vielfaͤltige Beyſpiele an- gefuͤhrt, daß hier fuͤglich daruͤber geſchwiegen werden kann. Der Gewinn des geringſten Tageloͤhners iſt groͤßer als wir ſein taͤgliches Beduͤrfniß annehmen duͤrfen, ohne dieſes mit dem Gefuͤhl eines Gefangenwaͤrters zu berech- nen. So wenig anlockend ſeine Tafel ver- woͤhntern Gaumen ſeyn mag, ſo gewiß iſt es doch, daß der gemeine Ruſſe, wenn er nicht in den Hotels der Reſidenz erzogen iſt, die fein- ſten Schuͤſſeln verſchmaͤhen wird, um ſich an ſeinem Schtſchi und ſeiner Kaſcha zu ſaͤttigen. Seinen leidenſchaftlichſten Sinn, den Durſt nach ſtarken Getraͤnken, zu befriedigen, bedarf er nur wenige Kopeken; er muͤßte ſehr arm, oder welches einerley iſt, ſehr faul ſeyn, um ſich dieſen Genuß nicht wenigſtens woͤchentlich Einmal gewaͤhren zu koͤnnen. Seine Beklei- dung iſt immer zulaͤnglich, und niemals, außer

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/397>, abgerufen am 25.11.2024.