Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.Mein Vater war ein reicher Graf, Nun ist das Erbe mein, O wär' ich arm! dies schnöde Gut Jst Ursach meiner Pein. Mein Oheim dürstet Tag und Nacht Nach meinem Hab' und Gut, Drum sperrt in diesen Thurm mich ein Des harten Mannes Wut. Hier bleib' ich, droh't er, wo ich nicht Erwähl' am dritten Tag, Ob ich den Sohn zum Ehemann, Ob ich ins Kloster mag. Wie eilig wär' die Wahl geschehn, Jch thät den Schleier an, Ach, liebte nicht mein junges Herz Den besten, schönsten Mann. Mein Vater war ein reicher Graf, Nun iſt das Erbe mein, O waͤr’ ich arm! dies ſchnoͤde Gut Jſt Urſach meiner Pein. Mein Oheim duͤrſtet Tag und Nacht Nach meinem Hab’ und Gut, Drum ſperrt in dieſen Thurm mich ein Des harten Mannes Wut. Hier bleib’ ich, droh’t er, wo ich nicht Erwaͤhl’ am dritten Tag, Ob ich den Sohn zum Ehemann, Ob ich ins Kloſter mag. Wie eilig waͤr’ die Wahl geſchehn, Jch thaͤt den Schleier an, Ach, liebte nicht mein junges Herz Den beſten, ſchoͤnſten Mann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0085" n="75"/> <lg n="47"> <l>Mein Vater war ein reicher Graf,</l><lb/> <l>Nun iſt das Erbe mein,</l><lb/> <l>O waͤr’ ich arm! dies ſchnoͤde Gut</l><lb/> <l>Jſt Urſach meiner Pein.</l> </lg><lb/> <lg n="48"> <l>Mein Oheim duͤrſtet Tag und Nacht</l><lb/> <l>Nach meinem Hab’ und Gut,</l><lb/> <l>Drum ſperrt in dieſen Thurm mich ein</l><lb/> <l>Des harten Mannes Wut.</l> </lg><lb/> <lg n="49"> <l>Hier bleib’ ich, droh’t er, wo ich nicht</l><lb/> <l>Erwaͤhl’ am dritten Tag,</l><lb/> <l>Ob ich den Sohn zum Ehemann,</l><lb/> <l>Ob ich ins Kloſter mag.</l> </lg><lb/> <lg n="50"> <l>Wie eilig waͤr’ die Wahl geſchehn,</l><lb/> <l>Jch thaͤt den Schleier an,</l><lb/> <l>Ach, liebte nicht mein junges Herz</l><lb/> <l>Den beſten, ſchoͤnſten Mann.</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0085]
Mein Vater war ein reicher Graf,
Nun iſt das Erbe mein,
O waͤr’ ich arm! dies ſchnoͤde Gut
Jſt Urſach meiner Pein.
Mein Oheim duͤrſtet Tag und Nacht
Nach meinem Hab’ und Gut,
Drum ſperrt in dieſen Thurm mich ein
Des harten Mannes Wut.
Hier bleib’ ich, droh’t er, wo ich nicht
Erwaͤhl’ am dritten Tag,
Ob ich den Sohn zum Ehemann,
Ob ich ins Kloſter mag.
Wie eilig waͤr’ die Wahl geſchehn,
Jch thaͤt den Schleier an,
Ach, liebte nicht mein junges Herz
Den beſten, ſchoͤnſten Mann.
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