Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.Und schon hält er in der Linken Einen Schädel, spült ihn rein, Giesset Wasser dann hinein, Hält's ihr schweigend dar zu trinken; Ach! sie läßt die Augen sinken, Sieht den nassen Schädel blinken, Starret vor sich, trinkt ihn aus, Sezt ihn hin, und wankt hinaus. "Jch beschwöre dich, zu sagen," Hub der fremde Ritter an: "Was hat dir dies Weib gethan? Wie kanst du mit diesen Plagen So sie martern? wie ertragen Jhrer Thränen stumme Klagen? Sie ist schön, wie Engel sind, Und geduldig, wie ein Kind." -- Und ſchon haͤlt er in der Linken Einen Schaͤdel, ſpuͤlt ihn rein, Gieſſet Waſſer dann hinein, Haͤlt’s ihr ſchweigend dar zu trinken; Ach! ſie laͤßt die Augen ſinken, Sieht den naſſen Schaͤdel blinken, Starret vor ſich, trinkt ihn aus, Sezt ihn hin, und wankt hinaus. „Jch beſchwoͤre dich, zu ſagen,„ Hub der fremde Ritter an: „Was hat dir dies Weib gethan? Wie kanſt du mit dieſen Plagen So ſie martern? wie ertragen Jhrer Thraͤnen ſtumme Klagen? Sie iſt ſchoͤn, wie Engel ſind, Und geduldig, wie ein Kind.„ — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0209" n="197"/> <lg n="17"> <l>Und ſchon haͤlt er in der Linken</l><lb/> <l>Einen Schaͤdel, ſpuͤlt ihn rein,</l><lb/> <l>Gieſſet Waſſer dann hinein,</l><lb/> <l>Haͤlt’s ihr ſchweigend dar zu trinken;</l><lb/> <l>Ach! ſie laͤßt die Augen ſinken,</l><lb/> <l>Sieht den naſſen Schaͤdel blinken,</l><lb/> <l>Starret vor ſich, trinkt ihn aus,</l><lb/> <l>Sezt ihn hin, und wankt hinaus.</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>„Jch beſchwoͤre dich, zu ſagen,„</l><lb/> <l>Hub der fremde Ritter an:<lb/> „Was hat dir dies Weib gethan?</l><lb/> <l>Wie kanſt du mit dieſen Plagen</l><lb/> <l>So ſie martern? wie ertragen</l><lb/> <l>Jhrer Thraͤnen ſtumme Klagen?</l><lb/> <l>Sie iſt ſchoͤn, wie Engel ſind,</l><lb/> <l>Und geduldig, wie ein Kind.„ —</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0209]
Und ſchon haͤlt er in der Linken
Einen Schaͤdel, ſpuͤlt ihn rein,
Gieſſet Waſſer dann hinein,
Haͤlt’s ihr ſchweigend dar zu trinken;
Ach! ſie laͤßt die Augen ſinken,
Sieht den naſſen Schaͤdel blinken,
Starret vor ſich, trinkt ihn aus,
Sezt ihn hin, und wankt hinaus.
„Jch beſchwoͤre dich, zu ſagen,„
Hub der fremde Ritter an:
„Was hat dir dies Weib gethan?
Wie kanſt du mit dieſen Plagen
So ſie martern? wie ertragen
Jhrer Thraͤnen ſtumme Klagen?
Sie iſt ſchoͤn, wie Engel ſind,
Und geduldig, wie ein Kind.„ —
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