Stolberg-Stolberg, Christian zu; Stolberg-Stolberg, Friedrich Leopold zu: Gedichte. Leipzig, 1779.Das Wiedersehen. An meine Schwester, H. F. Gräfin von Bernstorf. Du bist mir immer nah, und du fehlest mir Doch immer, Beste, schwebest im Seelenflug Um meine Seele, wenn ich wache, Oder erscheinst mir im süssen Traume. Dein sanftes Auge blicket dem Meere zu, Das deine Brüder deinen Umarmungen Entriß, ach! deine treue Thräne Fiel in die meine beim Abschiedskusse. Jn bitrer Trennung labt der Gedanke mich, Daß du mich liebest! rührt der Gedanke dich, Daß ich dich liebe, wie nur selten Schwestern und Brüder einander liebten! Das Wiederſehen. An meine Schweſter, H. F. Graͤfin von Bernſtorf. Du biſt mir immer nah, und du fehleſt mir Doch immer, Beſte, ſchwebeſt im Seelenflug Um meine Seele, wenn ich wache, Oder erſcheinſt mir im ſuͤſſen Traume. Dein ſanftes Auge blicket dem Meere zu, Das deine Bruͤder deinen Umarmungen Entriß, ach! deine treue Thraͤne Fiel in die meine beim Abſchiedskuſſe. Jn bitrer Trennung labt der Gedanke mich, Daß du mich liebeſt! ruͤhrt der Gedanke dich, Daß ich dich liebe, wie nur ſelten Schweſtern und Bruͤder einander liebten! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0145" n="135"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Das Wiederſehen.</hi></hi><lb/> An meine Schweſter, H. F. Graͤfin von Bernſtorf.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg n="105"> <l><hi rendition="#in">D</hi>u biſt mir immer nah, und du fehleſt mir</l><lb/> <l>Doch immer, Beſte, ſchwebeſt im Seelenflug</l><lb/> <l>Um meine Seele, wenn ich wache,</l><lb/> <l>Oder erſcheinſt mir im ſuͤſſen Traume.</l> </lg><lb/> <lg n="106"> <l>Dein ſanftes Auge blicket dem Meere zu,</l><lb/> <l>Das deine Bruͤder deinen Umarmungen</l><lb/> <l>Entriß, ach! deine treue Thraͤne</l><lb/> <l>Fiel in die meine beim Abſchiedskuſſe.</l> </lg><lb/> <lg n="107"> <l>Jn bitrer Trennung labt der Gedanke mich,</l><lb/> <l>Daß du mich liebeſt! ruͤhrt der Gedanke dich,</l><lb/> <l>Daß ich dich liebe, wie nur ſelten</l><lb/> <l>Schweſtern und Bruͤder einander liebten!</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [135/0145]
Das Wiederſehen.
An meine Schweſter, H. F. Graͤfin von Bernſtorf.
Du biſt mir immer nah, und du fehleſt mir
Doch immer, Beſte, ſchwebeſt im Seelenflug
Um meine Seele, wenn ich wache,
Oder erſcheinſt mir im ſuͤſſen Traume.
Dein ſanftes Auge blicket dem Meere zu,
Das deine Bruͤder deinen Umarmungen
Entriß, ach! deine treue Thraͤne
Fiel in die meine beim Abſchiedskuſſe.
Jn bitrer Trennung labt der Gedanke mich,
Daß du mich liebeſt! ruͤhrt der Gedanke dich,
Daß ich dich liebe, wie nur ſelten
Schweſtern und Bruͤder einander liebten!
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