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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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Zehren der Handwerkssöhne und Gesellen untersagen; *) nicht
der Unterstützung der reisenden Gesellen, sondern den Gelagen
wollten sie wehren, wozu die Ehrenschenke Anlaß gab.

Wie arg der Mißbrauch dabei getrieben wurde, sieht man
aus dem sogenannten guten Willen der Kupferschmiede, der
dem Verfasser von einem zuverlässigen Manne mitgetheilt worden
ist, er mag umsomehr hier im Auszuge Platz finden, als er
uns, obgleich in der Sprache des achtzehnten Jahrhunderts, in
das mittelalterlich gildische Element versetzt und mit dem wun-
derlichsten Ritual bekannt macht, welches bei dem so sehr ver-
rufenen Zutrinken auch in bürgerlichen Gesellschaften beobachtet
wurde.

Schenkgesell **) (klopft dreimal auf den Tisch). So mit
Gunst großgünstige Meister und Gesellen, wie auch wohl
erwanderte Kupferknaben. ***) Weil mir der liebe Gott
hat einen fremden Rummelsmann bescheret, also habe ich
Euch durch den Jungen zum Guten Willen bitten las-
sen; ist einer oder der andere noch nicht gebeten, so will
ich ihn noch gebeten haben; ich bitte, Sie wollen mir
meinen Rummelsmann helfen lustig machen oder 24 Mal
helfen zutrinken, meiner dabey auch nicht vergessen, kann
ich es heute oder morgen wieder verschulden, soll es ge-
schehen, und dabey will ich auch verboten haben Hader,
Zank, unnützes Geschwätze, Würfel- und Kartenspiel, und
was sich bey dem Guten Willen nicht geziemt, wer
unter diesen Stücken der Verbrecher seyn wird, der soll seine
Strafe nicht wissen und schuldig seyn, diesen ganzen Guten
Willen
zu bezahlen, und dieser Gute Wille soll währen
*) Reform. guter Polizey 1530, Tit. 30 §. 1, und Reichsabschied von
1559, §. 75.
**) Schenkgesell ist hier der Geselle, welcher den Fremden bewirthet, bei
andern, z. B. bei den Seilern und Töpfern heißt der Fremde so, es
ist aber eine durch die Zeit entstandene Verwechselung; bei den Schmie-
den und andern Innungen war es ein temporäres Amt der Meister,
welche dann Schenker genannt wurden.
***) Anwesende bereits in die Brüderschaft aufgenommene fremde Gesellen.
Bei den Schmieden, auch den Müllern, Knappen.

Zehren der Handwerksſöhne und Geſellen unterſagen; *) nicht
der Unterſtützung der reiſenden Geſellen, ſondern den Gelagen
wollten ſie wehren, wozu die Ehrenſchenke Anlaß gab.

Wie arg der Mißbrauch dabei getrieben wurde, ſieht man
aus dem ſogenannten guten Willen der Kupferſchmiede, der
dem Verfaſſer von einem zuverläſſigen Manne mitgetheilt worden
iſt, er mag umſomehr hier im Auszuge Platz finden, als er
uns, obgleich in der Sprache des achtzehnten Jahrhunderts, in
das mittelalterlich gildiſche Element verſetzt und mit dem wun-
derlichſten Ritual bekannt macht, welches bei dem ſo ſehr ver-
rufenen Zutrinken auch in bürgerlichen Geſellſchaften beobachtet
wurde.

Schenkgeſell **) (klopft dreimal auf den Tiſch). So mit
Gunſt großgünſtige Meiſter und Geſellen, wie auch wohl
erwanderte Kupferknaben. ***) Weil mir der liebe Gott
hat einen fremden Rummelsmann beſcheret, alſo habe ich
Euch durch den Jungen zum Guten Willen bitten laſ-
ſen; iſt einer oder der andere noch nicht gebeten, ſo will
ich ihn noch gebeten haben; ich bitte, Sie wollen mir
meinen Rummelsmann helfen luſtig machen oder 24 Mal
helfen zutrinken, meiner dabey auch nicht vergeſſen, kann
ich es heute oder morgen wieder verſchulden, ſoll es ge-
ſchehen, und dabey will ich auch verboten haben Hader,
Zank, unnützes Geſchwätze, Würfel- und Kartenſpiel, und
was ſich bey dem Guten Willen nicht geziemt, wer
unter dieſen Stücken der Verbrecher ſeyn wird, der ſoll ſeine
Strafe nicht wiſſen und ſchuldig ſeyn, dieſen ganzen Guten
Willen
zu bezahlen, und dieſer Gute Wille ſoll währen
*) Reform. guter Polizey 1530, Tit. 30 §. 1, und Reichsabſchied von
1559, §. 75.
**) Schenkgeſell iſt hier der Geſelle, welcher den Fremden bewirthet, bei
andern, z. B. bei den Seilern und Töpfern heißt der Fremde ſo, es
iſt aber eine durch die Zeit entſtandene Verwechſelung; bei den Schmie-
den und andern Innungen war es ein temporäres Amt der Meiſter,
welche dann Schenker genannt wurden.
***) Anweſende bereits in die Brüderſchaft aufgenommene fremde Geſellen.
Bei den Schmieden, auch den Müllern, Knappen.
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[42/0052] Zehren der Handwerksſöhne und Geſellen unterſagen; *) nicht der Unterſtützung der reiſenden Geſellen, ſondern den Gelagen wollten ſie wehren, wozu die Ehrenſchenke Anlaß gab. Wie arg der Mißbrauch dabei getrieben wurde, ſieht man aus dem ſogenannten guten Willen der Kupferſchmiede, der dem Verfaſſer von einem zuverläſſigen Manne mitgetheilt worden iſt, er mag umſomehr hier im Auszuge Platz finden, als er uns, obgleich in der Sprache des achtzehnten Jahrhunderts, in das mittelalterlich gildiſche Element verſetzt und mit dem wun- derlichſten Ritual bekannt macht, welches bei dem ſo ſehr ver- rufenen Zutrinken auch in bürgerlichen Geſellſchaften beobachtet wurde. Schenkgeſell **) (klopft dreimal auf den Tiſch). So mit Gunſt großgünſtige Meiſter und Geſellen, wie auch wohl erwanderte Kupferknaben. ***) Weil mir der liebe Gott hat einen fremden Rummelsmann beſcheret, alſo habe ich Euch durch den Jungen zum Guten Willen bitten laſ- ſen; iſt einer oder der andere noch nicht gebeten, ſo will ich ihn noch gebeten haben; ich bitte, Sie wollen mir meinen Rummelsmann helfen luſtig machen oder 24 Mal helfen zutrinken, meiner dabey auch nicht vergeſſen, kann ich es heute oder morgen wieder verſchulden, ſoll es ge- ſchehen, und dabey will ich auch verboten haben Hader, Zank, unnützes Geſchwätze, Würfel- und Kartenſpiel, und was ſich bey dem Guten Willen nicht geziemt, wer unter dieſen Stücken der Verbrecher ſeyn wird, der ſoll ſeine Strafe nicht wiſſen und ſchuldig ſeyn, dieſen ganzen Guten Willen zu bezahlen, und dieſer Gute Wille ſoll währen *) Reform. guter Polizey 1530, Tit. 30 §. 1, und Reichsabſchied von 1559, §. 75. **) Schenkgeſell iſt hier der Geſelle, welcher den Fremden bewirthet, bei andern, z. B. bei den Seilern und Töpfern heißt der Fremde ſo, es iſt aber eine durch die Zeit entſtandene Verwechſelung; bei den Schmie- den und andern Innungen war es ein temporäres Amt der Meiſter, welche dann Schenker genannt wurden. ***) Anweſende bereits in die Brüderſchaft aufgenommene fremde Geſellen. Bei den Schmieden, auch den Müllern, Knappen.

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/52>, abgerufen am 27.04.2024.