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Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844.

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den, den Meistern fällt dabei nur selten etwas zur Last. Das
zweite und dritte Jahr mögen hinreichen, den jungen Menschen
im richtigen Gebrauch des Werkzeuges, Kenntniß des Materials
und zur Anfertigung einzelner Gegenstände zu befähigen, worin
er im vierten einige Uebung erlangt. Nun ist er 17 oder 18
Jahre alt geworden, diesem Alter fehlen aber reife Ueberlegung,
richtiges Urtheil, geübtes Gedächtniß, dem Körper oft die nöthige
Kraft, um ein Gewerbe selbstständig zu betreiben, von dem er
kaum allgemeine Kenntniß erlangt hat.

Die zweite Bedingung liegt in der Speculation der Meister.
Es gehört zu den Seltenheiten, wenn ein Lehrmeister seinen Aus-
gelernten einige Zeit als Geselle um Lohn beschäftiget, er besetzt
vielmehr dessen Stelle sofort wieder mit einem Lehrburschen, deren
er vielleicht schon mehrere in der Werkstatt stehen hat. Die
übrigen Meister in der Stadt nehmen ihn nicht gern, einmal,
weil sie zu seiner Geschicklichkeit kein Vertrauen haben, zweitens
wollen sie ihm keine Gelegenheit geben, sich zu vervollkommnen
und für seine Rechnung zu arbeiten; der junge Mann ist also
am Ende seiner Lehrzeit brodlos und gezwungen, sein Heil in
der Fremde zu suchen.

In der äußern Stellung der jungen Handwerker nach voll-
brachter Lehrzeit hat sich also nichts geändert, nur durch die
Aufhebung der alten Militairverfassung ist sie freundlicher ge-
worden, sie sind nicht mehr gezwungen, Soldat zu werden und
bei weitem den schönsten Theil ihres Lebens zu bleiben oder dem
Vaterlande auf immer zu entsagen. Nachdem sie die allgemeine
Bürgerpflicht, die nach dem Grade ihrer Ausbildung noch sehr
erleichtert wird, erfüllt haben, ist ihnen der freie Gebrauch aller
ihrer Kräfte gestattet, soweit die Vernunft dazu räth. Dage-
gen sind ihnen durch Auflösung der Innungen die Unterstützun-
gen entzogen, welche in frühern Zeiten und während des Beste-
hens derselben, bei den meisten Gewerken ihnen zuflossen und
ihre Wanderungen erleichterten; sie sind unter dem Namen Ge-
schenk
bekannt. Wir gedenken hier des Geschenks und der
geschenkten Handwerke in ihrer eigentlichen Bedeutung und prak-
tischen Anwendung auf die reisenden Gesellen.

den, den Meiſtern fällt dabei nur ſelten etwas zur Laſt. Das
zweite und dritte Jahr mögen hinreichen, den jungen Menſchen
im richtigen Gebrauch des Werkzeuges, Kenntniß des Materials
und zur Anfertigung einzelner Gegenſtände zu befähigen, worin
er im vierten einige Uebung erlangt. Nun iſt er 17 oder 18
Jahre alt geworden, dieſem Alter fehlen aber reife Ueberlegung,
richtiges Urtheil, geübtes Gedächtniß, dem Körper oft die nöthige
Kraft, um ein Gewerbe ſelbſtſtändig zu betreiben, von dem er
kaum allgemeine Kenntniß erlangt hat.

Die zweite Bedingung liegt in der Speculation der Meiſter.
Es gehört zu den Seltenheiten, wenn ein Lehrmeiſter ſeinen Aus-
gelernten einige Zeit als Geſelle um Lohn beſchäftiget, er beſetzt
vielmehr deſſen Stelle ſofort wieder mit einem Lehrburſchen, deren
er vielleicht ſchon mehrere in der Werkſtatt ſtehen hat. Die
übrigen Meiſter in der Stadt nehmen ihn nicht gern, einmal,
weil ſie zu ſeiner Geſchicklichkeit kein Vertrauen haben, zweitens
wollen ſie ihm keine Gelegenheit geben, ſich zu vervollkommnen
und für ſeine Rechnung zu arbeiten; der junge Mann iſt alſo
am Ende ſeiner Lehrzeit brodlos und gezwungen, ſein Heil in
der Fremde zu ſuchen.

In der äußern Stellung der jungen Handwerker nach voll-
brachter Lehrzeit hat ſich alſo nichts geändert, nur durch die
Aufhebung der alten Militairverfaſſung iſt ſie freundlicher ge-
worden, ſie ſind nicht mehr gezwungen, Soldat zu werden und
bei weitem den ſchönſten Theil ihres Lebens zu bleiben oder dem
Vaterlande auf immer zu entſagen. Nachdem ſie die allgemeine
Bürgerpflicht, die nach dem Grade ihrer Ausbildung noch ſehr
erleichtert wird, erfüllt haben, iſt ihnen der freie Gebrauch aller
ihrer Kräfte geſtattet, ſoweit die Vernunft dazu räth. Dage-
gen ſind ihnen durch Auflöſung der Innungen die Unterſtützun-
gen entzogen, welche in frühern Zeiten und während des Beſte-
hens derſelben, bei den meiſten Gewerken ihnen zufloſſen und
ihre Wanderungen erleichterten; ſie ſind unter dem Namen Ge-
ſchenk
bekannt. Wir gedenken hier des Geſchenks und der
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[37/0047] den, den Meiſtern fällt dabei nur ſelten etwas zur Laſt. Das zweite und dritte Jahr mögen hinreichen, den jungen Menſchen im richtigen Gebrauch des Werkzeuges, Kenntniß des Materials und zur Anfertigung einzelner Gegenſtände zu befähigen, worin er im vierten einige Uebung erlangt. Nun iſt er 17 oder 18 Jahre alt geworden, dieſem Alter fehlen aber reife Ueberlegung, richtiges Urtheil, geübtes Gedächtniß, dem Körper oft die nöthige Kraft, um ein Gewerbe ſelbſtſtändig zu betreiben, von dem er kaum allgemeine Kenntniß erlangt hat. Die zweite Bedingung liegt in der Speculation der Meiſter. Es gehört zu den Seltenheiten, wenn ein Lehrmeiſter ſeinen Aus- gelernten einige Zeit als Geſelle um Lohn beſchäftiget, er beſetzt vielmehr deſſen Stelle ſofort wieder mit einem Lehrburſchen, deren er vielleicht ſchon mehrere in der Werkſtatt ſtehen hat. Die übrigen Meiſter in der Stadt nehmen ihn nicht gern, einmal, weil ſie zu ſeiner Geſchicklichkeit kein Vertrauen haben, zweitens wollen ſie ihm keine Gelegenheit geben, ſich zu vervollkommnen und für ſeine Rechnung zu arbeiten; der junge Mann iſt alſo am Ende ſeiner Lehrzeit brodlos und gezwungen, ſein Heil in der Fremde zu ſuchen. In der äußern Stellung der jungen Handwerker nach voll- brachter Lehrzeit hat ſich alſo nichts geändert, nur durch die Aufhebung der alten Militairverfaſſung iſt ſie freundlicher ge- worden, ſie ſind nicht mehr gezwungen, Soldat zu werden und bei weitem den ſchönſten Theil ihres Lebens zu bleiben oder dem Vaterlande auf immer zu entſagen. Nachdem ſie die allgemeine Bürgerpflicht, die nach dem Grade ihrer Ausbildung noch ſehr erleichtert wird, erfüllt haben, iſt ihnen der freie Gebrauch aller ihrer Kräfte geſtattet, ſoweit die Vernunft dazu räth. Dage- gen ſind ihnen durch Auflöſung der Innungen die Unterſtützun- gen entzogen, welche in frühern Zeiten und während des Beſte- hens derſelben, bei den meiſten Gewerken ihnen zufloſſen und ihre Wanderungen erleichterten; ſie ſind unter dem Namen Ge- ſchenk bekannt. Wir gedenken hier des Geſchenks und der geſchenkten Handwerke in ihrer eigentlichen Bedeutung und prak- tiſchen Anwendung auf die reiſenden Geſellen.

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Zitationshilfe: Stock, Ch. L.: Grundzüge der Verfassung des Gesellenwesens der deutschen Handwerker in alter und neuer Zeit. Magdeburg, 1844, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stock_gesellenwesen_1844/47>, abgerufen am 23.11.2024.