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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Dasein, der Leibhaftigkeit, der Persönlichkeit, der Wirklichkeit,
unaufhörlich das Gemüth beschäftigte, weil er niemals eine
befriedigende Lösung fand. Endlich fiel die Frage nach dem
Dasein Gottes, aber nur, um wieder aufzustehen in dem Satze,
daß das "Göttliche" Dasein habe (Feuerbach). Aber auch
dieses hat kein Dasein, und die letzte Zuflucht, daß das "rein
Menschliche" realisirbar sei, wird auch nicht lange mehr Schutz
gewähren. Keine Idee hat Dasein, denn keine ist der Leib¬
haftigkeit fähig. Der scholastische Streit des Realismus und
Nominalismus hat denselben Inhalt; kurz, dieser spinnt sich
durch die ganze christliche Geschichte hindurch und kann in
ihr nicht enden.

Die Christenwelt arbeitet daran, die Ideen in den ein¬
zelnen Verhältnissen des Lebens, den Institutionen und Gesetzen
der Kirche und des Staates zu realisiren; aber sie wider¬
streben und behalten immer etwas Unverkörpertes (Unrealisir¬
bares) zurück. Rastlos geht es gleichwohl auf diese Verkör¬
perung los, so sehr auch stets die Leibhaftigkeit ausbleibt.

Dem Realisirenden liegt nämlich wenig an den Realitä¬
ten, alles aber daran, daß dieselben Verwirklichungen der Idee
seien; daher untersucht er stets von neuem, ob dem Verwirk¬
lichten in Wahrheit die Idee, sein Kern, inwohne, und indem
er das Wirkliche prüft, prüft er zugleich die Idee, ob sie so,
wie er sie denkt, realisirbar sei oder von ihm nur unrichtig
und deshalb unausführbar gedacht werde.

Als Existenzen sollen den Christen Familie, Staat u. s. w.
nicht mehr kümmern; nicht, wie die Alten, sollen die Christen
für diese "göttlichen Dinge" sich opfern, sondern dieselben sollen
nur benutzt werden, um in ihnen den Geist lebendig zu
machen. Die wirkliche Familie ist gleichgültig geworden,

Daſein, der Leibhaftigkeit, der Perſönlichkeit, der Wirklichkeit,
unaufhörlich das Gemüth beſchäftigte, weil er niemals eine
befriedigende Löſung fand. Endlich fiel die Frage nach dem
Daſein Gottes, aber nur, um wieder aufzuſtehen in dem Satze,
daß das „Göttliche“ Daſein habe (Feuerbach). Aber auch
dieſes hat kein Daſein, und die letzte Zuflucht, daß das „rein
Menſchliche“ realiſirbar ſei, wird auch nicht lange mehr Schutz
gewähren. Keine Idee hat Daſein, denn keine iſt der Leib¬
haftigkeit fähig. Der ſcholaſtiſche Streit des Realismus und
Nominalismus hat denſelben Inhalt; kurz, dieſer ſpinnt ſich
durch die ganze chriſtliche Geſchichte hindurch und kann in
ihr nicht enden.

Die Chriſtenwelt arbeitet daran, die Ideen in den ein¬
zelnen Verhältniſſen des Lebens, den Inſtitutionen und Geſetzen
der Kirche und des Staates zu realiſiren; aber ſie wider¬
ſtreben und behalten immer etwas Unverkörpertes (Unrealiſir¬
bares) zurück. Raſtlos geht es gleichwohl auf dieſe Verkör¬
perung los, ſo ſehr auch ſtets die Leibhaftigkeit ausbleibt.

Dem Realiſirenden liegt nämlich wenig an den Realitä¬
ten, alles aber daran, daß dieſelben Verwirklichungen der Idee
ſeien; daher unterſucht er ſtets von neuem, ob dem Verwirk¬
lichten in Wahrheit die Idee, ſein Kern, inwohne, und indem
er das Wirkliche prüft, prüft er zugleich die Idee, ob ſie ſo,
wie er ſie denkt, realiſirbar ſei oder von ihm nur unrichtig
und deshalb unausführbar gedacht werde.

Als Exiſtenzen ſollen den Chriſten Familie, Staat u. ſ. w.
nicht mehr kümmern; nicht, wie die Alten, ſollen die Chriſten
für dieſe „göttlichen Dinge“ ſich opfern, ſondern dieſelben ſollen
nur benutzt werden, um in ihnen den Geiſt lebendig zu
machen. Die wirkliche Familie iſt gleichgültig geworden,

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[487/0495] Daſein, der Leibhaftigkeit, der Perſönlichkeit, der Wirklichkeit, unaufhörlich das Gemüth beſchäftigte, weil er niemals eine befriedigende Löſung fand. Endlich fiel die Frage nach dem Daſein Gottes, aber nur, um wieder aufzuſtehen in dem Satze, daß das „Göttliche“ Daſein habe (Feuerbach). Aber auch dieſes hat kein Daſein, und die letzte Zuflucht, daß das „rein Menſchliche“ realiſirbar ſei, wird auch nicht lange mehr Schutz gewähren. Keine Idee hat Daſein, denn keine iſt der Leib¬ haftigkeit fähig. Der ſcholaſtiſche Streit des Realismus und Nominalismus hat denſelben Inhalt; kurz, dieſer ſpinnt ſich durch die ganze chriſtliche Geſchichte hindurch und kann in ihr nicht enden. Die Chriſtenwelt arbeitet daran, die Ideen in den ein¬ zelnen Verhältniſſen des Lebens, den Inſtitutionen und Geſetzen der Kirche und des Staates zu realiſiren; aber ſie wider¬ ſtreben und behalten immer etwas Unverkörpertes (Unrealiſir¬ bares) zurück. Raſtlos geht es gleichwohl auf dieſe Verkör¬ perung los, ſo ſehr auch ſtets die Leibhaftigkeit ausbleibt. Dem Realiſirenden liegt nämlich wenig an den Realitä¬ ten, alles aber daran, daß dieſelben Verwirklichungen der Idee ſeien; daher unterſucht er ſtets von neuem, ob dem Verwirk¬ lichten in Wahrheit die Idee, ſein Kern, inwohne, und indem er das Wirkliche prüft, prüft er zugleich die Idee, ob ſie ſo, wie er ſie denkt, realiſirbar ſei oder von ihm nur unrichtig und deshalb unausführbar gedacht werde. Als Exiſtenzen ſollen den Chriſten Familie, Staat u. ſ. w. nicht mehr kümmern; nicht, wie die Alten, ſollen die Chriſten für dieſe „göttlichen Dinge“ ſich opfern, ſondern dieſelben ſollen nur benutzt werden, um in ihnen den Geiſt lebendig zu machen. Die wirkliche Familie iſt gleichgültig geworden,

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/495>, abgerufen am 23.11.2024.