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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Die conservative Tendenz des Christenthums erlaubt nicht
anders an den Tod zu denken, als mit der Absicht, ihm sei¬
nen Stachel zu nehmen und -- hübsch fortzuleben und sich zu
erhalten. Alles läßt der Christ geschehen und über sich erge¬
hen, wenn er -- der Erzjude -- sich nur in den Himmel
hineinschachern und schmuggeln kann; sich selbst tödten darf
er nicht, er darf sich nur -- erhalten, und an der "Bereitung
einer zukünftigen Stätte" arbeiten. Conservatismus oder "Ueber¬
windung des Todes" liegt ihm am Herzen: "Der letzte Feind,
der aufgehoben wird, ist der Tod." *)"Christus hat dem Tode
die Macht genommen und das Leben und ein unvergäng¬
liches
Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium." **)
"Unvergänglichkeit", Stabilität.

Der Sittliche will das Gute, das Rechte, und wenn er
die Mittel ergreift, welche zu diesem Ziele führen, wirklich
führen, so sind diese Mittel nicht seine Mittel, sondern die
des Guten, Rechten u. s. w. selbst. Unsittlich sind diese Mit¬
tel niemals, weil der gute Zweck selbst sich durch sie vermit¬
telt: der Zweck heiligt die Mittel. Diesen Grundsatz nennt
man jesuitisch, er ist aber durchaus "sittlich." Der Sittliche
handelt im Dienste eines Zweckes oder einer Idee: er macht
sich zum Werkzeuge der Idee des Guten, wie der Fromme
ein Werk- oder Rüstzeug Gottes zu sein sich zum Ruhme an¬
rechnet. Den Tod abzuwarten, heischt das sittliche Gebot als
das Gute; ihn sich selbst zu geben, ist unsittlich und böse:
der Selbstmord findet keine Entschuldigung vor dem Rich¬
terstuhle der Sittlichkeit. Verbietet der Religiöse ihn, weil

*) 1 Cor. 15, 26.
**) 2 Tim. 1, 10.

Die conſervative Tendenz des Chriſtenthums erlaubt nicht
anders an den Tod zu denken, als mit der Abſicht, ihm ſei¬
nen Stachel zu nehmen und — hübſch fortzuleben und ſich zu
erhalten. Alles läßt der Chriſt geſchehen und über ſich erge¬
hen, wenn er — der Erzjude — ſich nur in den Himmel
hineinſchachern und ſchmuggeln kann; ſich ſelbſt tödten darf
er nicht, er darf ſich nur — erhalten, und an der „Bereitung
einer zukünftigen Stätte“ arbeiten. Conſervatismus oder „Ueber¬
windung des Todes“ liegt ihm am Herzen: „Der letzte Feind,
der aufgehoben wird, iſt der Tod.“ *)„Chriſtus hat dem Tode
die Macht genommen und das Leben und ein unvergäng¬
liches
Weſen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“ **)
„Unvergänglichkeit“, Stabilität.

Der Sittliche will das Gute, das Rechte, und wenn er
die Mittel ergreift, welche zu dieſem Ziele führen, wirklich
führen, ſo ſind dieſe Mittel nicht ſeine Mittel, ſondern die
des Guten, Rechten u. ſ. w. ſelbſt. Unſittlich ſind dieſe Mit¬
tel niemals, weil der gute Zweck ſelbſt ſich durch ſie vermit¬
telt: der Zweck heiligt die Mittel. Dieſen Grundſatz nennt
man jeſuitiſch, er iſt aber durchaus „ſittlich.“ Der Sittliche
handelt im Dienſte eines Zweckes oder einer Idee: er macht
ſich zum Werkzeuge der Idee des Guten, wie der Fromme
ein Werk- oder Rüſtzeug Gottes zu ſein ſich zum Ruhme an¬
rechnet. Den Tod abzuwarten, heiſcht das ſittliche Gebot als
das Gute; ihn ſich ſelbſt zu geben, iſt unſittlich und böſe:
der Selbſtmord findet keine Entſchuldigung vor dem Rich¬
terſtuhle der Sittlichkeit. Verbietet der Religiöſe ihn, weil

*) 1 Cor. 15, 26.
**) 2 Tim. 1, 10.
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[431/0439] Die conſervative Tendenz des Chriſtenthums erlaubt nicht anders an den Tod zu denken, als mit der Abſicht, ihm ſei¬ nen Stachel zu nehmen und — hübſch fortzuleben und ſich zu erhalten. Alles läßt der Chriſt geſchehen und über ſich erge¬ hen, wenn er — der Erzjude — ſich nur in den Himmel hineinſchachern und ſchmuggeln kann; ſich ſelbſt tödten darf er nicht, er darf ſich nur — erhalten, und an der „Bereitung einer zukünftigen Stätte“ arbeiten. Conſervatismus oder „Ueber¬ windung des Todes“ liegt ihm am Herzen: „Der letzte Feind, der aufgehoben wird, iſt der Tod.“ *)„Chriſtus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergäng¬ liches Weſen ans Licht gebracht durch das Evangelium.“ **) „Unvergänglichkeit“, Stabilität. Der Sittliche will das Gute, das Rechte, und wenn er die Mittel ergreift, welche zu dieſem Ziele führen, wirklich führen, ſo ſind dieſe Mittel nicht ſeine Mittel, ſondern die des Guten, Rechten u. ſ. w. ſelbſt. Unſittlich ſind dieſe Mit¬ tel niemals, weil der gute Zweck ſelbſt ſich durch ſie vermit¬ telt: der Zweck heiligt die Mittel. Dieſen Grundſatz nennt man jeſuitiſch, er iſt aber durchaus „ſittlich.“ Der Sittliche handelt im Dienſte eines Zweckes oder einer Idee: er macht ſich zum Werkzeuge der Idee des Guten, wie der Fromme ein Werk- oder Rüſtzeug Gottes zu ſein ſich zum Ruhme an¬ rechnet. Den Tod abzuwarten, heiſcht das ſittliche Gebot als das Gute; ihn ſich ſelbſt zu geben, iſt unſittlich und böſe: der Selbſtmord findet keine Entſchuldigung vor dem Rich¬ terſtuhle der Sittlichkeit. Verbietet der Religiöſe ihn, weil *) 1 Cor. 15, 26. **) 2 Tim. 1, 10.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/439>, abgerufen am 23.11.2024.