oder der Gesellschaft, ist mithin eine politische oder sociale That; diese hat zwar eine Umwandlung der Zustände zur unver¬ meidlichen Folge, geht aber nicht von ihr, sondern von der Unzu¬ friedenheit der Menschen mit sich aus, ist nicht eine Schilderhebung, sondern eine Erhebung der Einzelnen, ein Emporkommen, ohne Rücksicht auf die Einrichtungen, welche daraus entsprießen. Die Revolution zielte auf neue Einrichtungen, die Empö¬ rung führt dahin, Uns nicht mehr einrichten zu lassen, son¬ dern Uns selbst einzurichten, und setzt auf "Institutionen" keine glänzende Hoffnung. Sie ist kein Kampf gegen das Bestehende, da, wenn sie gedeiht, das Bestehende von selbst zusammenstürzt, sie ist nur ein Herausarbeiten Meiner aus dem Bestehenden. Verlasse Ich das Bestehende, so ist es todt und geht in Fäulniß über. Da nun nicht der Umsturz eines Bestehenden mein Zweck ist, sondern meine Erhebung darüber, so ist meine Absicht und That keine politische oder sociale, sondern, als allein auf Mich und meine Eigenheit gerichtet, eine ego¬ istiche.
Einrichtungen zu machen gebietet die Revolution, sich auf- oder emporzurichten heischt die Empörung. Welche Verfassung zu wählen sei, diese Frage beschäftigte die revo¬ lutionairen Köpfe, und von Verfassungskämpfen und Verfassungs¬ fragen sprudelt die ganze politische Periode, wie auch die socia¬ len Talente an gesellschaftlichen Einrichtungen (Phalansterien u. dergl.) ungemein erfinderisch waren. Verfassungslos zu werden, bestrebt sich der Empörer. *)
*) Um Mich gegen eine Criminalklage zu sichern, bemerke Ich zum Ueberfluß ausdrücklich, daß Ich das Wort "Empörung" wegen seines etymologischen Sinnes wähle, also nicht in dem beschränkten Sinne gebrauche, welcher vom Strafgesetzbuche verpönt ist.
oder der Geſellſchaft, iſt mithin eine politiſche oder ſociale That; dieſe hat zwar eine Umwandlung der Zuſtände zur unver¬ meidlichen Folge, geht aber nicht von ihr, ſondern von der Unzu¬ friedenheit der Menſchen mit ſich aus, iſt nicht eine Schilderhebung, ſondern eine Erhebung der Einzelnen, ein Emporkommen, ohne Rückſicht auf die Einrichtungen, welche daraus entſprießen. Die Revolution zielte auf neue Einrichtungen, die Empö¬ rung führt dahin, Uns nicht mehr einrichten zu laſſen, ſon¬ dern Uns ſelbſt einzurichten, und ſetzt auf „Inſtitutionen“ keine glänzende Hoffnung. Sie iſt kein Kampf gegen das Beſtehende, da, wenn ſie gedeiht, das Beſtehende von ſelbſt zuſammenſtürzt, ſie iſt nur ein Herausarbeiten Meiner aus dem Beſtehenden. Verlaſſe Ich das Beſtehende, ſo iſt es todt und geht in Fäulniß über. Da nun nicht der Umſturz eines Beſtehenden mein Zweck iſt, ſondern meine Erhebung darüber, ſo iſt meine Abſicht und That keine politiſche oder ſociale, ſondern, als allein auf Mich und meine Eigenheit gerichtet, eine ego¬ iſtiche.
Einrichtungen zu machen gebietet die Revolution, ſich auf- oder emporzurichten heiſcht die Empörung. Welche Verfaſſung zu wählen ſei, dieſe Frage beſchäftigte die revo¬ lutionairen Köpfe, und von Verfaſſungskämpfen und Verfaſſungs¬ fragen ſprudelt die ganze politiſche Periode, wie auch die ſocia¬ len Talente an geſellſchaftlichen Einrichtungen (Phalanſterien u. dergl.) ungemein erfinderiſch waren. Verfaſſungslos zu werden, beſtrebt ſich der Empörer. *)
*) Um Mich gegen eine Criminalklage zu ſichern, bemerke Ich zum Ueberfluß ausdrücklich, daß Ich das Wort „Empörung“ wegen ſeines etymologiſchen Sinnes wähle, alſo nicht in dem beſchränkten Sinne gebrauche, welcher vom Strafgeſetzbuche verpönt iſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0430"n="422"/>
oder der Geſellſchaft, iſt mithin eine <hirendition="#g">politiſche</hi> oder <hirendition="#g">ſociale</hi><lb/>
That; dieſe hat zwar eine Umwandlung der Zuſtände zur unver¬<lb/>
meidlichen Folge, geht aber nicht von ihr, ſondern von der Unzu¬<lb/>
friedenheit der Menſchen mit ſich aus, iſt nicht eine Schilderhebung,<lb/>ſondern eine Erhebung der Einzelnen, ein Emporkommen, ohne<lb/>
Rückſicht auf die Einrichtungen, welche daraus entſprießen.<lb/>
Die Revolution zielte auf neue <hirendition="#g">Einrichtungen</hi>, die Empö¬<lb/>
rung führt dahin, Uns nicht mehr einrichten zu <hirendition="#g">laſſen</hi>, ſon¬<lb/>
dern Uns ſelbſt einzurichten, und ſetzt auf „Inſtitutionen“ keine<lb/>
glänzende Hoffnung. Sie iſt kein Kampf gegen das Beſtehende,<lb/>
da, wenn ſie gedeiht, das Beſtehende von ſelbſt zuſammenſtürzt,<lb/>ſie iſt nur ein Herausarbeiten Meiner aus dem Beſtehenden.<lb/>
Verlaſſe Ich das Beſtehende, ſo iſt es todt und geht in<lb/>
Fäulniß über. Da nun nicht der Umſturz eines Beſtehenden<lb/>
mein Zweck iſt, ſondern meine Erhebung darüber, ſo iſt<lb/>
meine Abſicht und That keine politiſche oder ſociale, ſondern,<lb/>
als allein auf Mich und meine Eigenheit gerichtet, eine <hirendition="#g">ego¬<lb/>
iſtiche</hi>.</p><lb/><p><hirendition="#g">Einrichtungen</hi> zu machen gebietet die Revolution, <hirendition="#g">ſich<lb/>
auf- oder emporzurichten</hi> heiſcht die Empörung. Welche<lb/><hirendition="#g">Verfaſſung</hi> zu wählen ſei, dieſe Frage beſchäftigte die revo¬<lb/>
lutionairen Köpfe, und von Verfaſſungskämpfen und Verfaſſungs¬<lb/>
fragen ſprudelt die ganze politiſche Periode, wie auch die ſocia¬<lb/>
len Talente an geſellſchaftlichen Einrichtungen (Phalanſterien<lb/>
u. dergl.) ungemein erfinderiſch waren. Verfaſſungslos zu<lb/>
werden, beſtrebt ſich der Empörer. <noteplace="foot"n="*)"><lb/>
Um Mich gegen eine Criminalklage zu ſichern, bemerke Ich zum<lb/>
Ueberfluß ausdrücklich, daß Ich das Wort „Empörung“ wegen ſeines<lb/><hirendition="#g">etymologiſchen Sinnes</hi> wähle, alſo nicht in dem beſchränkten Sinne<lb/>
gebrauche, welcher vom Strafgeſetzbuche verpönt iſt.</note></p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[422/0430]
oder der Geſellſchaft, iſt mithin eine politiſche oder ſociale
That; dieſe hat zwar eine Umwandlung der Zuſtände zur unver¬
meidlichen Folge, geht aber nicht von ihr, ſondern von der Unzu¬
friedenheit der Menſchen mit ſich aus, iſt nicht eine Schilderhebung,
ſondern eine Erhebung der Einzelnen, ein Emporkommen, ohne
Rückſicht auf die Einrichtungen, welche daraus entſprießen.
Die Revolution zielte auf neue Einrichtungen, die Empö¬
rung führt dahin, Uns nicht mehr einrichten zu laſſen, ſon¬
dern Uns ſelbſt einzurichten, und ſetzt auf „Inſtitutionen“ keine
glänzende Hoffnung. Sie iſt kein Kampf gegen das Beſtehende,
da, wenn ſie gedeiht, das Beſtehende von ſelbſt zuſammenſtürzt,
ſie iſt nur ein Herausarbeiten Meiner aus dem Beſtehenden.
Verlaſſe Ich das Beſtehende, ſo iſt es todt und geht in
Fäulniß über. Da nun nicht der Umſturz eines Beſtehenden
mein Zweck iſt, ſondern meine Erhebung darüber, ſo iſt
meine Abſicht und That keine politiſche oder ſociale, ſondern,
als allein auf Mich und meine Eigenheit gerichtet, eine ego¬
iſtiche.
Einrichtungen zu machen gebietet die Revolution, ſich
auf- oder emporzurichten heiſcht die Empörung. Welche
Verfaſſung zu wählen ſei, dieſe Frage beſchäftigte die revo¬
lutionairen Köpfe, und von Verfaſſungskämpfen und Verfaſſungs¬
fragen ſprudelt die ganze politiſche Periode, wie auch die ſocia¬
len Talente an geſellſchaftlichen Einrichtungen (Phalanſterien
u. dergl.) ungemein erfinderiſch waren. Verfaſſungslos zu
werden, beſtrebt ſich der Empörer. *)
*)
Um Mich gegen eine Criminalklage zu ſichern, bemerke Ich zum
Ueberfluß ausdrücklich, daß Ich das Wort „Empörung“ wegen ſeines
etymologiſchen Sinnes wähle, alſo nicht in dem beſchränkten Sinne
gebrauche, welcher vom Strafgeſetzbuche verpönt iſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/430>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.