Was in principieller oder theoretischer Form als die Gleich¬ heit Aller aufgestellt wurde, das hat eben in der Concurrenz seine Verwirklichung und practische Ausführung gefunden; denn die egalite ist die -- freie Concurrenz. Alle sind vor dem Staate -- simple Individuen, in der Gesellschaft oder im Ver¬ hältniß zu einander -- Concurrenten.
Ich brauche nichts weiter als ein simples Individuum zu sein, um mit jedem Andern, außer dem Fürsten und seiner Familie, concurriren zu können, eine Freiheit, welche früher dadurch unmöglich war, daß man nur mittelst seiner Corpo¬ ration und innerhalb derselben einer Freiheit des Strebens genoß.
In der Zunft und Feudalität verhält sich der Staat in¬ tolerant und wählerisch, indem er privilegirt; in der Con¬ currenz und dem Liberalismus verhält er sich tolerant und ge¬ währen lassend, indem er nur patentirt (dem Bewerber ver¬ brieft, daß ihm das Gewerbe offen [patent] stehe) oder "con¬ cessionirt". Da nun so der Staat alles den Bewerbern überlassen hat, muß er in Conflict mit Allen kommen, weil ja alle und jeder zur Bewerbung berechtigt sind. Er wird "bestürmt" werden und in diesem Sturme zu Grunde gehen.
Ist die "freie Concurrenz" denn wirklich "frei", ja ist sie wirklich eine "Concurrenz", nämlich der Personen, wofür sie sich ausgiebt, weil sie auf diesen Titel ihr Recht gründet? Sie ging ja daraus hervor, daß die Personen gegen alle per¬
ihm, wie er sagte, "ein Gouvernement wie Baiern mehr werth sein müsse, als ein simples Individuum". Reisach hatte im Auftrage Stein's gegen Montgelas geschrieben, und Stein willigte später in die von Mont¬ gelas gerade dieses Buchs wegen geforderte Auslieferung Reisachs, S. Hinrichs Politische Vorlesungen I, 280.
Was in principieller oder theoretiſcher Form als die Gleich¬ heit Aller aufgeſtellt wurde, das hat eben in der Concurrenz ſeine Verwirklichung und practiſche Ausführung gefunden; denn die égalité iſt die — freie Concurrenz. Alle ſind vor dem Staate — ſimple Individuen, in der Geſellſchaft oder im Ver¬ hältniß zu einander — Concurrenten.
Ich brauche nichts weiter als ein ſimples Individuum zu ſein, um mit jedem Andern, außer dem Fürſten und ſeiner Familie, concurriren zu können, eine Freiheit, welche früher dadurch unmöglich war, daß man nur mittelſt ſeiner Corpo¬ ration und innerhalb derſelben einer Freiheit des Strebens genoß.
In der Zunft und Feudalität verhält ſich der Staat in¬ tolerant und wähleriſch, indem er privilegirt; in der Con¬ currenz und dem Liberalismus verhält er ſich tolerant und ge¬ währen laſſend, indem er nur patentirt (dem Bewerber ver¬ brieft, daß ihm das Gewerbe offen [patent] ſtehe) oder „con¬ ceſſionirt“. Da nun ſo der Staat alles den Bewerbern überlaſſen hat, muß er in Conflict mit Allen kommen, weil ja alle und jeder zur Bewerbung berechtigt ſind. Er wird „beſtürmt“ werden und in dieſem Sturme zu Grunde gehen.
Iſt die „freie Concurrenz“ denn wirklich „frei“, ja iſt ſie wirklich eine „Concurrenz“, nämlich der Perſonen, wofür ſie ſich ausgiebt, weil ſie auf dieſen Titel ihr Recht gründet? Sie ging ja daraus hervor, daß die Perſonen gegen alle per¬
ihm, wie er ſagte, „ein Gouvernement wie Baiern mehr werth ſein müſſe, als ein ſimples Individuum“. Reiſach hatte im Auftrage Stein's gegen Montgelas geſchrieben, und Stein willigte ſpäter in die von Mont¬ gelas gerade dieſes Buchs wegen geforderte Auslieferung Reiſachs, S. Hinrichs Politiſche Vorleſungen I, 280.
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Was in principieller oder theoretiſcher Form als die Gleich¬
heit Aller aufgeſtellt wurde, das hat eben in der Concurrenz
ſeine Verwirklichung und practiſche Ausführung gefunden; denn
die égalité iſt die — freie Concurrenz. Alle ſind vor dem
Staate — ſimple Individuen, in der Geſellſchaft oder im Ver¬
hältniß zu einander — Concurrenten.
Ich brauche nichts weiter als ein ſimples Individuum zu
ſein, um mit jedem Andern, außer dem Fürſten und ſeiner
Familie, concurriren zu können, eine Freiheit, welche früher
dadurch unmöglich war, daß man nur mittelſt ſeiner Corpo¬
ration und innerhalb derſelben einer Freiheit des Strebens
genoß.
In der Zunft und Feudalität verhält ſich der Staat in¬
tolerant und wähleriſch, indem er privilegirt; in der Con¬
currenz und dem Liberalismus verhält er ſich tolerant und ge¬
währen laſſend, indem er nur patentirt (dem Bewerber ver¬
brieft, daß ihm das Gewerbe offen [patent] ſtehe) oder „con¬
ceſſionirt“. Da nun ſo der Staat alles den Bewerbern
überlaſſen hat, muß er in Conflict mit Allen kommen, weil
ja alle und jeder zur Bewerbung berechtigt ſind. Er wird
„beſtürmt“ werden und in dieſem Sturme zu Grunde gehen.
Iſt die „freie Concurrenz“ denn wirklich „frei“, ja iſt ſie
wirklich eine „Concurrenz“, nämlich der Perſonen, wofür
ſie ſich ausgiebt, weil ſie auf dieſen Titel ihr Recht gründet?
Sie ging ja daraus hervor, daß die Perſonen gegen alle per¬
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*) ihm, wie er ſagte, „ein Gouvernement wie Baiern mehr werth ſein
müſſe, als ein ſimples Individuum“. Reiſach hatte im Auftrage Stein's
gegen Montgelas geſchrieben, und Stein willigte ſpäter in die von Mont¬
gelas gerade dieſes Buchs wegen geforderte Auslieferung Reiſachs, S.
Hinrichs Politiſche Vorleſungen I, 280.
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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/354>, abgerufen am 16.07.2024.
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