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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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er nur die von ihm sanctionirte Ehe gelten läßt, und sie mei¬
ner Gewalt entreißt. Eigenthum ist aber nur mein Eigen¬
thum, wenn Ich dasselbe unbedingt inne habe: nur Ich,
als unbedingtes Ich, habe Eigenthum, schließe ein Liebes¬
verhältniß, treibe freien Handel.

Der Staat bekümmert sich nicht um Mich und das
Meine, sondern um Sich und das Seine: Ich gelte ihm nur
als sein Kind etwas, als "Landeskind", als Ich bin Ich
gar nichts für ihn. Was Mir als Ich begegnet, ist für den
Verstand des Staates etwas Zufälliges: mein Reichthum
wie meine Verarmung. Bin Ich aber mit allem Meinigen
für ihn ein Zufall, so beweist dieß, daß er Mich nicht be¬
greifen kann: Ich gehe über seine Begriffe, oder sein Verstand
ist zu kurz, um Mich zu begreifen. Darum kann er auch
nichts für Mich thun.

Der Pauperismus ist die Werthlosigkeit Meiner,
die Erscheinung, daß Ich Mich nicht verwerthen kann. Des¬
halb ist Staat und Pauperismus Ein und dasselbe. Der
Staat läßt Mich nicht zu meinem Werthe kommen und besteht
nur durch meine Werthlosigkeit: er geht allezeit darauf aus,
von Mir Nutzen zu ziehen, d. h. Mich zu exploitiren, aus¬
zubeuten, zu verbrauchen, bestände dieser Verbrauch auch nur
darin, daß Ich für eine proles sorge (Proletariat); er will,
Ich soll "seine Creatur" sein.

Nur dann kann der Pauperismus gehoben werden, wenn
Ich als Ich Mich verwerthe, wenn Ich Mir selber Werth
gebe, und meinen Preis selber mache. Ich muß Mich em¬
pören, um empor zu kommen.

Was Ich schaffe, Mehl, Leinwand oder Eisen und Kohlen,
die Ich der Erde mühsam abgewinne, u. s. w., es ist meine

er nur die von ihm ſanctionirte Ehe gelten läßt, und ſie mei¬
ner Gewalt entreißt. Eigenthum iſt aber nur mein Eigen¬
thum, wenn Ich daſſelbe unbedingt inne habe: nur Ich,
als unbedingtes Ich, habe Eigenthum, ſchließe ein Liebes¬
verhältniß, treibe freien Handel.

Der Staat bekümmert ſich nicht um Mich und das
Meine, ſondern um Sich und das Seine: Ich gelte ihm nur
als ſein Kind etwas, als „Landeskind“, als Ich bin Ich
gar nichts für ihn. Was Mir als Ich begegnet, iſt für den
Verſtand des Staates etwas Zufälliges: mein Reichthum
wie meine Verarmung. Bin Ich aber mit allem Meinigen
für ihn ein Zufall, ſo beweiſt dieß, daß er Mich nicht be¬
greifen kann: Ich gehe über ſeine Begriffe, oder ſein Verſtand
iſt zu kurz, um Mich zu begreifen. Darum kann er auch
nichts für Mich thun.

Der Pauperismus iſt die Werthloſigkeit Meiner,
die Erſcheinung, daß Ich Mich nicht verwerthen kann. Des¬
halb iſt Staat und Pauperismus Ein und daſſelbe. Der
Staat läßt Mich nicht zu meinem Werthe kommen und beſteht
nur durch meine Werthloſigkeit: er geht allezeit darauf aus,
von Mir Nutzen zu ziehen, d. h. Mich zu exploitiren, aus¬
zubeuten, zu verbrauchen, beſtände dieſer Verbrauch auch nur
darin, daß Ich für eine proles ſorge (Proletariat); er will,
Ich ſoll „ſeine Creatur“ ſein.

Nur dann kann der Pauperismus gehoben werden, wenn
Ich als Ich Mich verwerthe, wenn Ich Mir ſelber Werth
gebe, und meinen Preis ſelber mache. Ich muß Mich em¬
pören, um empor zu kommen.

Was Ich ſchaffe, Mehl, Leinwand oder Eiſen und Kohlen,
die Ich der Erde mühſam abgewinne, u. ſ. w., es iſt meine

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[336/0344] er nur die von ihm ſanctionirte Ehe gelten läßt, und ſie mei¬ ner Gewalt entreißt. Eigenthum iſt aber nur mein Eigen¬ thum, wenn Ich daſſelbe unbedingt inne habe: nur Ich, als unbedingtes Ich, habe Eigenthum, ſchließe ein Liebes¬ verhältniß, treibe freien Handel. Der Staat bekümmert ſich nicht um Mich und das Meine, ſondern um Sich und das Seine: Ich gelte ihm nur als ſein Kind etwas, als „Landeskind“, als Ich bin Ich gar nichts für ihn. Was Mir als Ich begegnet, iſt für den Verſtand des Staates etwas Zufälliges: mein Reichthum wie meine Verarmung. Bin Ich aber mit allem Meinigen für ihn ein Zufall, ſo beweiſt dieß, daß er Mich nicht be¬ greifen kann: Ich gehe über ſeine Begriffe, oder ſein Verſtand iſt zu kurz, um Mich zu begreifen. Darum kann er auch nichts für Mich thun. Der Pauperismus iſt die Werthloſigkeit Meiner, die Erſcheinung, daß Ich Mich nicht verwerthen kann. Des¬ halb iſt Staat und Pauperismus Ein und daſſelbe. Der Staat läßt Mich nicht zu meinem Werthe kommen und beſteht nur durch meine Werthloſigkeit: er geht allezeit darauf aus, von Mir Nutzen zu ziehen, d. h. Mich zu exploitiren, aus¬ zubeuten, zu verbrauchen, beſtände dieſer Verbrauch auch nur darin, daß Ich für eine proles ſorge (Proletariat); er will, Ich ſoll „ſeine Creatur“ ſein. Nur dann kann der Pauperismus gehoben werden, wenn Ich als Ich Mich verwerthe, wenn Ich Mir ſelber Werth gebe, und meinen Preis ſelber mache. Ich muß Mich em¬ pören, um empor zu kommen. Was Ich ſchaffe, Mehl, Leinwand oder Eiſen und Kohlen, die Ich der Erde mühſam abgewinne, u. ſ. w., es iſt meine

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/344>, abgerufen am 28.04.2024.