Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

glieder an feste Gesetze oder Statuten binden (z. B. die Orden,
die Gesellschaft Jesu u. s. w.). Aber die Partei hört doch
in demselben Augenblicke auf, Verein zu sein, wo sie gewisse
Principien bindend macht und sie vor Angriffen gesichert
wissen will; dieser Augenblick ist aber gerade der Geburtsact
der Partei. Sie ist als Partei schon eine geborne Gesell¬
schaft
, ein todter Verein, eine fix gewordene Idee. Als
Partei des Absolutismus kann sie nicht wollen, daß ihre Mit¬
glieder an der unumstößlichen Wahrheit dieses Principes zwei¬
feln; sie könnten diesen Zweifel nur hegen, wenn sie egoistisch
genug wären, noch etwas außer ihrer Partei sein zu wollen,
d. h. unparteiische. Unparteiisch vermögen sie nicht als Par¬
teimenschen zu sein, sondern nur als Egoisten. Bist Du Pro¬
testant und gehörst zu dieser Partei, so darfst Du den Pro¬
testantismus nur rechtfertigen, allenfalls "reinigen", nicht
verwerfen; bist Du Christ und gehörst unter den Menschen
zur christlichen Partei, so kannst Du nicht als Mitglied dieser
Partei, sondern nur dann, wenn Dich dein Egoismus, d. h.
Unparteilichkeit, dazu treibt, darüber hinausgehen. Welche
Anstrengungen haben die Christen bis auf Hegel und die
Communisten herab gemacht, um ihre Partei stark zu machen;
sie blieben dabei, daß das Christenthum die ewige Wahrheit
enthalten müsse, und man sie nur herauszufinden, festzustellen
und zu rechtfertigen brauche.

Kurz die Partei verträgt nicht die Unparteilichkeit, und in
dieser eben erscheint der Egoismus. Was schiert Mich die
Partei. Ich werde doch genug finden, die sich mit Mir ver¬
einigen
, ohne zu meiner Fahne zu schwören.

Wer von einer Partei zur andern übertritt, den schimpft
man sofort einen "Ueberläufer". Freilich fordert die Sitt¬

glieder an feſte Geſetze oder Statuten binden (z. B. die Orden,
die Geſellſchaft Jeſu u. ſ. w.). Aber die Partei hört doch
in demſelben Augenblicke auf, Verein zu ſein, wo ſie gewiſſe
Principien bindend macht und ſie vor Angriffen geſichert
wiſſen will; dieſer Augenblick iſt aber gerade der Geburtsact
der Partei. Sie iſt als Partei ſchon eine geborne Geſell¬
ſchaft
, ein todter Verein, eine fix gewordene Idee. Als
Partei des Abſolutismus kann ſie nicht wollen, daß ihre Mit¬
glieder an der unumſtößlichen Wahrheit dieſes Principes zwei¬
feln; ſie könnten dieſen Zweifel nur hegen, wenn ſie egoiſtiſch
genug wären, noch etwas außer ihrer Partei ſein zu wollen,
d. h. unparteiiſche. Unparteiiſch vermögen ſie nicht als Par¬
teimenſchen zu ſein, ſondern nur als Egoiſten. Biſt Du Pro¬
teſtant und gehörſt zu dieſer Partei, ſo darfſt Du den Pro¬
teſtantismus nur rechtfertigen, allenfalls „reinigen“, nicht
verwerfen; biſt Du Chriſt und gehörſt unter den Menſchen
zur chriſtlichen Partei, ſo kannſt Du nicht als Mitglied dieſer
Partei, ſondern nur dann, wenn Dich dein Egoismus, d. h.
Unparteilichkeit, dazu treibt, darüber hinausgehen. Welche
Anſtrengungen haben die Chriſten bis auf Hegel und die
Communiſten herab gemacht, um ihre Partei ſtark zu machen;
ſie blieben dabei, daß das Chriſtenthum die ewige Wahrheit
enthalten müſſe, und man ſie nur herauszufinden, feſtzuſtellen
und zu rechtfertigen brauche.

Kurz die Partei verträgt nicht die Unparteilichkeit, und in
dieſer eben erſcheint der Egoismus. Was ſchiert Mich die
Partei. Ich werde doch genug finden, die ſich mit Mir ver¬
einigen
, ohne zu meiner Fahne zu ſchwören.

Wer von einer Partei zur andern übertritt, den ſchimpft
man ſofort einen „Ueberläufer“. Freilich fordert die Sitt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0319" n="311"/>
glieder an fe&#x017F;te Ge&#x017F;etze oder Statuten binden (z. B. die Orden,<lb/>
die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft Je&#x017F;u u. &#x017F;. w.). Aber die Partei hört doch<lb/>
in dem&#x017F;elben Augenblicke auf, Verein zu &#x017F;ein, wo &#x017F;ie gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Principien <hi rendition="#g">bindend</hi> macht und &#x017F;ie vor Angriffen ge&#x017F;ichert<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en will; die&#x017F;er Augenblick i&#x017F;t aber gerade der Geburtsact<lb/>
der Partei. Sie i&#x017F;t als Partei &#x017F;chon eine <hi rendition="#g">geborne Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft</hi>, ein todter Verein, eine fix gewordene Idee. Als<lb/>
Partei des Ab&#x017F;olutismus kann &#x017F;ie nicht wollen, daß ihre Mit¬<lb/>
glieder an der unum&#x017F;tößlichen Wahrheit die&#x017F;es Principes zwei¬<lb/>
feln; &#x017F;ie könnten die&#x017F;en Zweifel nur hegen, wenn &#x017F;ie egoi&#x017F;ti&#x017F;ch<lb/>
genug wären, noch etwas außer ihrer Partei &#x017F;ein zu wollen,<lb/>
d. h. unparteii&#x017F;che. Unparteii&#x017F;ch vermögen &#x017F;ie nicht als Par¬<lb/>
teimen&#x017F;chen zu &#x017F;ein, &#x017F;ondern nur als Egoi&#x017F;ten. Bi&#x017F;t Du Pro¬<lb/>
te&#x017F;tant und gehör&#x017F;t zu die&#x017F;er Partei, &#x017F;o darf&#x017F;t Du den Pro¬<lb/>
te&#x017F;tantismus nur rechtfertigen, allenfalls &#x201E;reinigen&#x201C;, nicht<lb/>
verwerfen; bi&#x017F;t Du Chri&#x017F;t und gehör&#x017F;t unter den Men&#x017F;chen<lb/>
zur chri&#x017F;tlichen Partei, &#x017F;o kann&#x017F;t Du nicht als Mitglied die&#x017F;er<lb/>
Partei, &#x017F;ondern nur dann, wenn Dich dein Egoismus, d. h.<lb/>
Unparteilichkeit, dazu treibt, darüber hinausgehen. Welche<lb/>
An&#x017F;trengungen haben die Chri&#x017F;ten bis auf Hegel und die<lb/>
Communi&#x017F;ten herab gemacht, um ihre Partei &#x017F;tark zu machen;<lb/>
&#x017F;ie blieben dabei, daß das Chri&#x017F;tenthum die ewige Wahrheit<lb/>
enthalten mü&#x017F;&#x017F;e, und man &#x017F;ie nur herauszufinden, fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen<lb/>
und zu rechtfertigen brauche.</p><lb/>
            <p>Kurz die Partei verträgt nicht die Unparteilichkeit, und in<lb/>
die&#x017F;er eben er&#x017F;cheint der Egoismus. Was &#x017F;chiert Mich die<lb/>
Partei. Ich werde doch genug finden, die &#x017F;ich mit Mir <hi rendition="#g">ver¬<lb/>
einigen</hi>, ohne zu meiner Fahne zu &#x017F;chwören.</p><lb/>
            <p>Wer von einer Partei zur andern übertritt, den &#x017F;chimpft<lb/>
man &#x017F;ofort einen &#x201E;Ueberläufer&#x201C;. Freilich fordert die <hi rendition="#g">Sitt¬<lb/></hi></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0319] glieder an feſte Geſetze oder Statuten binden (z. B. die Orden, die Geſellſchaft Jeſu u. ſ. w.). Aber die Partei hört doch in demſelben Augenblicke auf, Verein zu ſein, wo ſie gewiſſe Principien bindend macht und ſie vor Angriffen geſichert wiſſen will; dieſer Augenblick iſt aber gerade der Geburtsact der Partei. Sie iſt als Partei ſchon eine geborne Geſell¬ ſchaft, ein todter Verein, eine fix gewordene Idee. Als Partei des Abſolutismus kann ſie nicht wollen, daß ihre Mit¬ glieder an der unumſtößlichen Wahrheit dieſes Principes zwei¬ feln; ſie könnten dieſen Zweifel nur hegen, wenn ſie egoiſtiſch genug wären, noch etwas außer ihrer Partei ſein zu wollen, d. h. unparteiiſche. Unparteiiſch vermögen ſie nicht als Par¬ teimenſchen zu ſein, ſondern nur als Egoiſten. Biſt Du Pro¬ teſtant und gehörſt zu dieſer Partei, ſo darfſt Du den Pro¬ teſtantismus nur rechtfertigen, allenfalls „reinigen“, nicht verwerfen; biſt Du Chriſt und gehörſt unter den Menſchen zur chriſtlichen Partei, ſo kannſt Du nicht als Mitglied dieſer Partei, ſondern nur dann, wenn Dich dein Egoismus, d. h. Unparteilichkeit, dazu treibt, darüber hinausgehen. Welche Anſtrengungen haben die Chriſten bis auf Hegel und die Communiſten herab gemacht, um ihre Partei ſtark zu machen; ſie blieben dabei, daß das Chriſtenthum die ewige Wahrheit enthalten müſſe, und man ſie nur herauszufinden, feſtzuſtellen und zu rechtfertigen brauche. Kurz die Partei verträgt nicht die Unparteilichkeit, und in dieſer eben erſcheint der Egoismus. Was ſchiert Mich die Partei. Ich werde doch genug finden, die ſich mit Mir ver¬ einigen, ohne zu meiner Fahne zu ſchwören. Wer von einer Partei zur andern übertritt, den ſchimpft man ſofort einen „Ueberläufer“. Freilich fordert die Sitt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/319
Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/319>, abgerufen am 27.11.2024.