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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Recht "an und für sich". Also ohne Beziehung auf
Mich! "Absolutes Recht". Also getrennt von Mir! Ein
an und für sich Seiendes! Ein Absolutes! Ein ewiges Recht,
wie eine ewige Wahrheit!

Das Recht soll nach liberaler Vorstellungsweise für Mich
verbindlich sein, weil es durch die menschliche Vernunft
so eingesetzt ist, gegen welche meine Vernunft die "Unver¬
nunft" ist. Früher eiferte man im Namen der göttlichen Ver¬
nunft gegen die schwache menschliche, jetzt im Namen der star¬
ken menschlichen gegen die egoistische, die als "Unvernunft"
verworfen wird. Und doch ist keine andere wirklich als gerade
diese "Unvernunft". Weder die göttliche noch die menschliche
Vernunft, sondern allein deine und meine jedesmalige Vernunft
ist wirklich, wie und weil Du und Ich es sind.

Der Gedanke des Rechts ist ursprünglich mein Gedanke
oder er hat seinen Ursprung in Mir. Ist er aber aus Mir
entsprungen, ist das "Wort" heraus, so ist es "Fleisch gewor¬
den", eine fixe Idee. Ich komme nun von dem Gedanken
nicht mehr los; wie Ich Mich drehe, er steht vor Mir. So
sind die Menschen des Gedankens "Recht", den sie selber
erschufen, nicht wieder Meister geworden: die Creatur geht
mit ihnen durch. Das ist das absolute Recht, das von Mir
absolvirte oder abgelöste. Wir können es, indem Wir's als
absolutes verehren, nicht wieder aufzehren, und es benimmt
Uns die Schöpferkraft; das Geschöpf ist mehr als der Schö¬
pfer, ist "an und für sich".

Laß das Recht einmal nicht mehr frei umherlaufen, zieh'
es in seinen Ursprung, in Dich, zurück, so ist es dein Recht,
und recht ist, was Dir recht ist.


Recht „an und für ſich“. Alſo ohne Beziehung auf
Mich! „Abſolutes Recht“. Alſo getrennt von Mir! Ein
an und für ſich Seiendes! Ein Abſolutes! Ein ewiges Recht,
wie eine ewige Wahrheit!

Das Recht ſoll nach liberaler Vorſtellungsweiſe für Mich
verbindlich ſein, weil es durch die menſchliche Vernunft
ſo eingeſetzt iſt, gegen welche meine Vernunft die „Unver¬
nunft“ iſt. Früher eiferte man im Namen der göttlichen Ver¬
nunft gegen die ſchwache menſchliche, jetzt im Namen der ſtar¬
ken menſchlichen gegen die egoiſtiſche, die als „Unvernunft“
verworfen wird. Und doch iſt keine andere wirklich als gerade
dieſe „Unvernunft“. Weder die göttliche noch die menſchliche
Vernunft, ſondern allein deine und meine jedesmalige Vernunft
iſt wirklich, wie und weil Du und Ich es ſind.

Der Gedanke des Rechts iſt urſprünglich mein Gedanke
oder er hat ſeinen Urſprung in Mir. Iſt er aber aus Mir
entſprungen, iſt das „Wort“ heraus, ſo iſt es „Fleiſch gewor¬
den“, eine fixe Idee. Ich komme nun von dem Gedanken
nicht mehr los; wie Ich Mich drehe, er ſteht vor Mir. So
ſind die Menſchen des Gedankens „Recht“, den ſie ſelber
erſchufen, nicht wieder Meiſter geworden: die Creatur geht
mit ihnen durch. Das iſt das abſolute Recht, das von Mir
abſolvirte oder abgelöſte. Wir können es, indem Wir's als
abſolutes verehren, nicht wieder aufzehren, und es benimmt
Uns die Schöpferkraft; das Geſchöpf iſt mehr als der Schö¬
pfer, iſt „an und für ſich“.

Laß das Recht einmal nicht mehr frei umherlaufen, zieh'
es in ſeinen Urſprung, in Dich, zurück, ſo iſt es dein Recht,
und recht iſt, was Dir recht iſt.


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[270/0278] Recht „an und für ſich“. Alſo ohne Beziehung auf Mich! „Abſolutes Recht“. Alſo getrennt von Mir! Ein an und für ſich Seiendes! Ein Abſolutes! Ein ewiges Recht, wie eine ewige Wahrheit! Das Recht ſoll nach liberaler Vorſtellungsweiſe für Mich verbindlich ſein, weil es durch die menſchliche Vernunft ſo eingeſetzt iſt, gegen welche meine Vernunft die „Unver¬ nunft“ iſt. Früher eiferte man im Namen der göttlichen Ver¬ nunft gegen die ſchwache menſchliche, jetzt im Namen der ſtar¬ ken menſchlichen gegen die egoiſtiſche, die als „Unvernunft“ verworfen wird. Und doch iſt keine andere wirklich als gerade dieſe „Unvernunft“. Weder die göttliche noch die menſchliche Vernunft, ſondern allein deine und meine jedesmalige Vernunft iſt wirklich, wie und weil Du und Ich es ſind. Der Gedanke des Rechts iſt urſprünglich mein Gedanke oder er hat ſeinen Urſprung in Mir. Iſt er aber aus Mir entſprungen, iſt das „Wort“ heraus, ſo iſt es „Fleiſch gewor¬ den“, eine fixe Idee. Ich komme nun von dem Gedanken nicht mehr los; wie Ich Mich drehe, er ſteht vor Mir. So ſind die Menſchen des Gedankens „Recht“, den ſie ſelber erſchufen, nicht wieder Meiſter geworden: die Creatur geht mit ihnen durch. Das iſt das abſolute Recht, das von Mir abſolvirte oder abgelöſte. Wir können es, indem Wir's als abſolutes verehren, nicht wieder aufzehren, und es benimmt Uns die Schöpferkraft; das Geſchöpf iſt mehr als der Schö¬ pfer, iſt „an und für ſich“. Laß das Recht einmal nicht mehr frei umherlaufen, zieh' es in ſeinen Urſprung, in Dich, zurück, ſo iſt es dein Recht, und recht iſt, was Dir recht iſt.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/278>, abgerufen am 27.11.2024.