ten ist in deinen Augen eine "Privatsache", welche Dich nichts angeht, ist eine "Sache für sich". Als eine "Sache für Dich" existirt nur mein Begriff, mein Gattungsbegriff, nur der Mensch, der, wie er Hans heißt, eben so gut Peter oder Michel sein könnte. Du siehst in Mir nicht Mich, den Leib¬ haftigen, sondern ein Unwirkliches, den Spuk, d. h. einen Menschen.
Zu "Unsersgleichen" erklärten Wir im Laufe der christli¬ chen Jahrhunderte die Verschiedensten, aber jedesmal nach Maaß desjenigen Geistes, den Wir von ihnen erwarteten, z. B. Jeden, bei dem der Geist der Erlösungsbedürftigkeit sich vor¬ aussetzen läßt, dann später Jeden, der den Geist der Recht¬ schaffenheit hat, endlich Jeden, der menschlichen Geist und ein menschlich Antlitz zeigt. So variirte der Grundsatz der "Gleichheit".
Indem man nun die Gleichheit als Gleichheit des mensch¬ lichen Geistes auffaßt, hat man allerdings eine alle Men¬ schen einschließende Gleichheit entdeckt; denn wer könnte leug¬ nen, daß Wir Menschen einen menschlichen, d. h. keinen andern Geist als einen menschlichen haben!
Aber sind Wir darum nun weiter als im Anfange des Christenthums? Damals sollten Wir einen göttlichen Geist haben, jetzt einen menschlichen; erschöpfte Uns aber der göttliche nicht, wie sollte der menschliche ganz das ausdrücken, was Wir sind? Feuerbach z. B. meint, wenn er das Gött¬ liche vermenschliche, so habe er die Wahrheit gefunden. Nein, hat Uns der Gott gequält, so ist "der Mensch" im Stande, Uns noch martemder zu pressen. Daß Wir's kurz sagen: daß Wir Menschen sind, das ist das Geringste an Uns und hat nur Bedeutung, in so fern es eine unserer Eigenschaften,
ten iſt in deinen Augen eine „Privatſache“, welche Dich nichts angeht, iſt eine „Sache für ſich“. Als eine „Sache für Dich“ exiſtirt nur mein Begriff, mein Gattungsbegriff, nur der Menſch, der, wie er Hans heißt, eben ſo gut Peter oder Michel ſein könnte. Du ſiehſt in Mir nicht Mich, den Leib¬ haftigen, ſondern ein Unwirkliches, den Spuk, d. h. einen Menſchen.
Zu „Unſersgleichen“ erklärten Wir im Laufe der chriſtli¬ chen Jahrhunderte die Verſchiedenſten, aber jedesmal nach Maaß desjenigen Geiſtes, den Wir von ihnen erwarteten, z. B. Jeden, bei dem der Geiſt der Erlöſungsbedürftigkeit ſich vor¬ ausſetzen läßt, dann ſpäter Jeden, der den Geiſt der Recht¬ ſchaffenheit hat, endlich Jeden, der menſchlichen Geiſt und ein menſchlich Antlitz zeigt. So variirte der Grundſatz der „Gleichheit“.
Indem man nun die Gleichheit als Gleichheit des menſch¬ lichen Geiſtes auffaßt, hat man allerdings eine alle Men¬ ſchen einſchließende Gleichheit entdeckt; denn wer könnte leug¬ nen, daß Wir Menſchen einen menſchlichen, d. h. keinen andern Geiſt als einen menſchlichen haben!
Aber ſind Wir darum nun weiter als im Anfange des Chriſtenthums? Damals ſollten Wir einen göttlichen Geiſt haben, jetzt einen menſchlichen; erſchöpfte Uns aber der göttliche nicht, wie ſollte der menſchliche ganz das ausdrücken, was Wir ſind? Feuerbach z. B. meint, wenn er das Gött¬ liche vermenſchliche, ſo habe er die Wahrheit gefunden. Nein, hat Uns der Gott gequält, ſo iſt „der Menſch“ im Stande, Uns noch martemder zu preſſen. Daß Wir's kurz ſagen: daß Wir Menſchen ſind, das iſt das Geringſte an Uns und hat nur Bedeutung, in ſo fern es eine unſerer Eigenſchaften,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0236"n="228"/>
ten iſt in deinen Augen eine „Privatſache“, welche Dich nichts<lb/>
angeht, iſt eine „Sache für ſich“. Als eine „Sache für Dich“<lb/>
exiſtirt nur mein Begriff, mein Gattungsbegriff, nur <hirendition="#g">der<lb/>
Menſch</hi>, der, wie er Hans heißt, eben ſo gut Peter oder<lb/>
Michel ſein könnte. Du ſiehſt in Mir nicht Mich, den Leib¬<lb/>
haftigen, ſondern ein Unwirkliches, den Spuk, d. h. einen<lb/><hirendition="#g">Menſchen</hi>.</p><lb/><p>Zu „Unſersgleichen“ erklärten Wir im Laufe der chriſtli¬<lb/>
chen Jahrhunderte die Verſchiedenſten, aber jedesmal nach Maaß<lb/>
desjenigen <hirendition="#g">Geiſtes</hi>, den Wir von ihnen erwarteten, z. B.<lb/>
Jeden, bei dem der Geiſt der Erlöſungsbedürftigkeit ſich vor¬<lb/>
ausſetzen läßt, dann ſpäter Jeden, der den Geiſt der Recht¬<lb/>ſchaffenheit hat, endlich Jeden, der menſchlichen Geiſt und<lb/>
ein menſchlich Antlitz zeigt. So variirte der Grundſatz der<lb/>„Gleichheit“.</p><lb/><p>Indem man nun die Gleichheit als Gleichheit des <hirendition="#g">menſch¬<lb/>
lichen Geiſtes</hi> auffaßt, hat man allerdings eine <hirendition="#g">alle</hi> Men¬<lb/>ſchen einſchließende Gleichheit entdeckt; denn wer könnte leug¬<lb/>
nen, daß Wir Menſchen einen menſchlichen, d. h. keinen<lb/>
andern Geiſt als einen menſchlichen haben!</p><lb/><p>Aber ſind Wir darum nun weiter als im Anfange des<lb/>
Chriſtenthums? Damals ſollten Wir einen <hirendition="#g">göttlichen</hi> Geiſt<lb/>
haben, jetzt einen <hirendition="#g">menſchlichen</hi>; erſchöpfte Uns aber der<lb/>
göttliche nicht, wie ſollte der menſchliche ganz das ausdrücken,<lb/>
was <hirendition="#g">Wir</hi>ſind? Feuerbach z. B. meint, wenn er das Gött¬<lb/>
liche vermenſchliche, ſo habe er die Wahrheit gefunden. Nein,<lb/>
hat Uns der Gott gequält, ſo iſt „der Menſch“ im Stande,<lb/>
Uns noch martemder zu preſſen. Daß Wir's kurz ſagen: daß<lb/>
Wir Menſchen ſind, das iſt das Geringſte an Uns und hat<lb/>
nur Bedeutung, in ſo fern es eine unſerer <hirendition="#g">Eigenſchaften</hi>,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[228/0236]
ten iſt in deinen Augen eine „Privatſache“, welche Dich nichts
angeht, iſt eine „Sache für ſich“. Als eine „Sache für Dich“
exiſtirt nur mein Begriff, mein Gattungsbegriff, nur der
Menſch, der, wie er Hans heißt, eben ſo gut Peter oder
Michel ſein könnte. Du ſiehſt in Mir nicht Mich, den Leib¬
haftigen, ſondern ein Unwirkliches, den Spuk, d. h. einen
Menſchen.
Zu „Unſersgleichen“ erklärten Wir im Laufe der chriſtli¬
chen Jahrhunderte die Verſchiedenſten, aber jedesmal nach Maaß
desjenigen Geiſtes, den Wir von ihnen erwarteten, z. B.
Jeden, bei dem der Geiſt der Erlöſungsbedürftigkeit ſich vor¬
ausſetzen läßt, dann ſpäter Jeden, der den Geiſt der Recht¬
ſchaffenheit hat, endlich Jeden, der menſchlichen Geiſt und
ein menſchlich Antlitz zeigt. So variirte der Grundſatz der
„Gleichheit“.
Indem man nun die Gleichheit als Gleichheit des menſch¬
lichen Geiſtes auffaßt, hat man allerdings eine alle Men¬
ſchen einſchließende Gleichheit entdeckt; denn wer könnte leug¬
nen, daß Wir Menſchen einen menſchlichen, d. h. keinen
andern Geiſt als einen menſchlichen haben!
Aber ſind Wir darum nun weiter als im Anfange des
Chriſtenthums? Damals ſollten Wir einen göttlichen Geiſt
haben, jetzt einen menſchlichen; erſchöpfte Uns aber der
göttliche nicht, wie ſollte der menſchliche ganz das ausdrücken,
was Wir ſind? Feuerbach z. B. meint, wenn er das Gött¬
liche vermenſchliche, ſo habe er die Wahrheit gefunden. Nein,
hat Uns der Gott gequält, ſo iſt „der Menſch“ im Stande,
Uns noch martemder zu preſſen. Daß Wir's kurz ſagen: daß
Wir Menſchen ſind, das iſt das Geringſte an Uns und hat
nur Bedeutung, in ſo fern es eine unſerer Eigenſchaften,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/236>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.