höchsten Geiste die kleineren "geistigen Wesen" halten können! "Der Mensch" wirft die falschen Götzen nieder.
Was der Kritiker also für jetzt beabsichtigt, das ist die Betrachtung der "Masse", die er vor "den Menschen" hinstellen wird, um sie von diesem aus zu bekämpfen. "Was ist jetzt der Gegenstand der Kritik?" -- "Die Masse, ein geistiges Wesen!" Sie wird der Kritiker "kennen lernen" und finden, daß sie mit dem Menschen in Widerspruch stehe, er wird dar¬ thun, daß sie unmenschlich sei, und dieser Beweis wird ihm eben so wohl gelingen, als die früheren, daß das Göttliche und das Nationale, oder das Kirchliche und Staatliche, das Unmenschliche sei.
Die Masse wird definirt als "das bedeutendste Erzeugniß der Revolution, als die getäuschte Menge, welche die Illusionen der politischen Aufklärung, überhaupt der ganzen Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts einer grenzenlosen Verstimmung übergeben haben". Die Revolution befriedigte durch ihr Re¬ sultat die Einen und ließ Andere unbefriedigt; der befriedigte Theil ist das Bürgerthum (Bourgeoisie, Philister u. s. w.), der unbefriedigte ist die -- Masse. Gehört der Kritiker, so gestellt, nicht selbst zur "Masse"?
Aber die Unbefriedigten befinden sich noch in großer Un¬ klarheit, und ihre Unzufriedenheit äußert sich erst in einer "grenzenlosen Verstimmung". Deren will nun der gleichfalls unbefriedigte Kritiker Meister werden: er kann nicht mehr wollen und erreichen, als jenes "geistige Wesen", die Masse, aus ihrer Verstimmung herausbringen, und die nur Verstimmten "heben", d. h. ihnen die richtige Stellung zu den zu überwindenden Revolutionsresultaten geben, -- er kann das Haupt der Masse werden, ihr entschiedener Wortführer. Darum will er auch
höchſten Geiſte die kleineren „geiſtigen Weſen“ halten können! „Der Menſch“ wirft die falſchen Götzen nieder.
Was der Kritiker alſo für jetzt beabſichtigt, das iſt die Betrachtung der „Maſſe“, die er vor „den Menſchen“ hinſtellen wird, um ſie von dieſem aus zu bekämpfen. „Was iſt jetzt der Gegenſtand der Kritik?“ — „Die Maſſe, ein geiſtiges Weſen!“ Sie wird der Kritiker „kennen lernen“ und finden, daß ſie mit dem Menſchen in Widerſpruch ſtehe, er wird dar¬ thun, daß ſie unmenſchlich ſei, und dieſer Beweis wird ihm eben ſo wohl gelingen, als die früheren, daß das Göttliche und das Nationale, oder das Kirchliche und Staatliche, das Unmenſchliche ſei.
Die Maſſe wird definirt als „das bedeutendſte Erzeugniß der Revolution, als die getäuſchte Menge, welche die Illuſionen der politiſchen Aufklärung, überhaupt der ganzen Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts einer grenzenloſen Verſtimmung übergeben haben“. Die Revolution befriedigte durch ihr Re¬ ſultat die Einen und ließ Andere unbefriedigt; der befriedigte Theil iſt das Bürgerthum (Bourgeoiſie, Philiſter u. ſ. w.), der unbefriedigte iſt die — Maſſe. Gehört der Kritiker, ſo geſtellt, nicht ſelbſt zur „Maſſe“?
Aber die Unbefriedigten befinden ſich noch in großer Un¬ klarheit, und ihre Unzufriedenheit äußert ſich erſt in einer „grenzenloſen Verſtimmung“. Deren will nun der gleichfalls unbefriedigte Kritiker Meiſter werden: er kann nicht mehr wollen und erreichen, als jenes „geiſtige Weſen“, die Maſſe, aus ihrer Verſtimmung herausbringen, und die nur Verſtimmten „heben“, d. h. ihnen die richtige Stellung zu den zu überwindenden Revolutionsreſultaten geben, — er kann das Haupt der Maſſe werden, ihr entſchiedener Wortführer. Darum will er auch
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0200"n="192"/>
höchſten Geiſte die kleineren „geiſtigen Weſen“ halten können!<lb/>„Der Menſch“ wirft die falſchen Götzen nieder.</p><lb/><p>Was der Kritiker alſo für jetzt beabſichtigt, das iſt die<lb/>
Betrachtung der „Maſſe“, die er vor „den Menſchen“ hinſtellen<lb/>
wird, um ſie von dieſem aus zu bekämpfen. „Was iſt jetzt<lb/>
der Gegenſtand der Kritik?“—„Die Maſſe, ein geiſtiges<lb/>
Weſen!“ Sie wird der Kritiker „kennen lernen“ und finden,<lb/>
daß ſie mit dem Menſchen in Widerſpruch ſtehe, er wird dar¬<lb/>
thun, daß ſie unmenſchlich ſei, und dieſer Beweis wird ihm<lb/>
eben ſo wohl gelingen, als die früheren, daß das Göttliche<lb/>
und das Nationale, oder das Kirchliche und Staatliche, das<lb/>
Unmenſchliche ſei.</p><lb/><p>Die Maſſe wird definirt als „das bedeutendſte Erzeugniß<lb/>
der Revolution, als die getäuſchte Menge, welche die Illuſionen<lb/>
der politiſchen Aufklärung, überhaupt der ganzen Aufklärung<lb/>
des achtzehnten Jahrhunderts einer grenzenloſen Verſtimmung<lb/>
übergeben haben“. Die Revolution befriedigte durch ihr Re¬<lb/>ſultat die Einen und ließ Andere unbefriedigt; der befriedigte<lb/>
Theil iſt das Bürgerthum (Bourgeoiſie, Philiſter u. ſ. w.),<lb/>
der unbefriedigte iſt die — Maſſe. Gehört der Kritiker, ſo<lb/>
geſtellt, nicht ſelbſt zur „Maſſe“?</p><lb/><p>Aber die Unbefriedigten befinden ſich noch in großer Un¬<lb/>
klarheit, und ihre Unzufriedenheit äußert ſich erſt in einer<lb/>„grenzenloſen Verſtimmung“. Deren will nun der gleichfalls<lb/>
unbefriedigte Kritiker Meiſter werden: er kann nicht mehr wollen<lb/>
und erreichen, als jenes „geiſtige Weſen“, die Maſſe, aus ihrer<lb/>
Verſtimmung herausbringen, und die nur Verſtimmten „heben“,<lb/>
d. h. ihnen die richtige Stellung zu den zu überwindenden<lb/>
Revolutionsreſultaten geben, — er kann das Haupt der Maſſe<lb/>
werden, ihr entſchiedener Wortführer. Darum will er auch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[192/0200]
höchſten Geiſte die kleineren „geiſtigen Weſen“ halten können!
„Der Menſch“ wirft die falſchen Götzen nieder.
Was der Kritiker alſo für jetzt beabſichtigt, das iſt die
Betrachtung der „Maſſe“, die er vor „den Menſchen“ hinſtellen
wird, um ſie von dieſem aus zu bekämpfen. „Was iſt jetzt
der Gegenſtand der Kritik?“ — „Die Maſſe, ein geiſtiges
Weſen!“ Sie wird der Kritiker „kennen lernen“ und finden,
daß ſie mit dem Menſchen in Widerſpruch ſtehe, er wird dar¬
thun, daß ſie unmenſchlich ſei, und dieſer Beweis wird ihm
eben ſo wohl gelingen, als die früheren, daß das Göttliche
und das Nationale, oder das Kirchliche und Staatliche, das
Unmenſchliche ſei.
Die Maſſe wird definirt als „das bedeutendſte Erzeugniß
der Revolution, als die getäuſchte Menge, welche die Illuſionen
der politiſchen Aufklärung, überhaupt der ganzen Aufklärung
des achtzehnten Jahrhunderts einer grenzenloſen Verſtimmung
übergeben haben“. Die Revolution befriedigte durch ihr Re¬
ſultat die Einen und ließ Andere unbefriedigt; der befriedigte
Theil iſt das Bürgerthum (Bourgeoiſie, Philiſter u. ſ. w.),
der unbefriedigte iſt die — Maſſe. Gehört der Kritiker, ſo
geſtellt, nicht ſelbſt zur „Maſſe“?
Aber die Unbefriedigten befinden ſich noch in großer Un¬
klarheit, und ihre Unzufriedenheit äußert ſich erſt in einer
„grenzenloſen Verſtimmung“. Deren will nun der gleichfalls
unbefriedigte Kritiker Meiſter werden: er kann nicht mehr wollen
und erreichen, als jenes „geiſtige Weſen“, die Maſſe, aus ihrer
Verſtimmung herausbringen, und die nur Verſtimmten „heben“,
d. h. ihnen die richtige Stellung zu den zu überwindenden
Revolutionsreſultaten geben, — er kann das Haupt der Maſſe
werden, ihr entſchiedener Wortführer. Darum will er auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/200>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.