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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Gelten aber die Verdienstvollen als die Freien (denn was
fehlt dem behaglichen Bürger, dem treuen Beamten an der¬
jenigen Freiheit, nach der sein Herz verlangt?), so sind die
"Diener" die -- Freien. Der gehorsame Diener ist der freie
Mensch! Welch eine Härte der Widersinnigkeit! Dennoch
ist dieß der Sinn der Bourgeoisie, und ihr Dichter Göthe, wie
ihr Philosoph Hegel haben die Abhängigkeit des Subjects
vom Objecte, den Gehorsam gegen die objective Welt u. s. w.
zu verherrlichen gewußt. Wer nur der Sache dient, "sich ihr
ganz hingiebt", der hat die wahre Freiheit. Und die Sache
war bei den Denkenden die -- Vernunft, sie, die gleich
Staat und Kirche -- allgemeine Gesetze giebt und durch den
Gedanken der Menschheit den einzelnen Menschen in
Bande schlägt. Sie bestimmt, was "wahr" sei, wonach man
sich dann zu richten hat. Keine "vernünftigeren" Leute als
die redlichen Diener, die zunächst als Diener des Staates gute
Bürger genannt werden.

Sei Du steinreich oder blutarm -- das überläßt der
Staat des Bürgerthums Deinem Belieben; habe aber nur
eine "gute Gesinnung". Sie verlangt er von Dir und hält
es für seine dringendste Aufgabe, dieselbe bei Allen herzustellen.
Darum wird er vor "bösen Einflüsterungen" Dich bewahren,
indem er die "Uebelgesinnten" im Zaume hält und ihre auf¬
regenden Reden unter Censurstrichen oder Preßstrafen und hin¬
ter Kerkermauern verstummen läßt, und wird anderseits Leute
von "guter Gesinnung" zu Censoren bestellen und auf alle
Weise von "Wohlgesinnten und Wohlmeinenden" einen mo¬
ralischen Einfluß auf Dich ausüben lassen. Hat er Dich
gegen die bösen Einflüsterungen taub gemacht, so öffnet er Dir
um so emsiger die Ohren wieder für die guten Einflüsterungen.

Gelten aber die Verdienſtvollen als die Freien (denn was
fehlt dem behaglichen Bürger, dem treuen Beamten an der¬
jenigen Freiheit, nach der ſein Herz verlangt?), ſo ſind die
„Diener“ die — Freien. Der gehorſame Diener iſt der freie
Menſch! Welch eine Härte der Widerſinnigkeit! Dennoch
iſt dieß der Sinn der Bourgeoiſie, und ihr Dichter Göthe, wie
ihr Philoſoph Hegel haben die Abhängigkeit des Subjects
vom Objecte, den Gehorſam gegen die objective Welt u. ſ. w.
zu verherrlichen gewußt. Wer nur der Sache dient, „ſich ihr
ganz hingiebt“, der hat die wahre Freiheit. Und die Sache
war bei den Denkenden die — Vernunft, ſie, die gleich
Staat und Kirche — allgemeine Geſetze giebt und durch den
Gedanken der Menſchheit den einzelnen Menſchen in
Bande ſchlägt. Sie beſtimmt, was „wahr“ ſei, wonach man
ſich dann zu richten hat. Keine „vernünftigeren“ Leute als
die redlichen Diener, die zunächſt als Diener des Staates gute
Bürger genannt werden.

Sei Du ſteinreich oder blutarm — das überläßt der
Staat des Bürgerthums Deinem Belieben; habe aber nur
eine „gute Geſinnung“. Sie verlangt er von Dir und hält
es für ſeine dringendſte Aufgabe, dieſelbe bei Allen herzuſtellen.
Darum wird er vor „böſen Einflüſterungen“ Dich bewahren,
indem er die „Uebelgeſinnten“ im Zaume hält und ihre auf¬
regenden Reden unter Cenſurſtrichen oder Preßſtrafen und hin¬
ter Kerkermauern verſtummen läßt, und wird anderſeits Leute
von „guter Geſinnung“ zu Cenſoren beſtellen und auf alle
Weiſe von „Wohlgeſinnten und Wohlmeinenden“ einen mo¬
raliſchen Einfluß auf Dich ausüben laſſen. Hat er Dich
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[138/0146] Gelten aber die Verdienſtvollen als die Freien (denn was fehlt dem behaglichen Bürger, dem treuen Beamten an der¬ jenigen Freiheit, nach der ſein Herz verlangt?), ſo ſind die „Diener“ die — Freien. Der gehorſame Diener iſt der freie Menſch! Welch eine Härte der Widerſinnigkeit! Dennoch iſt dieß der Sinn der Bourgeoiſie, und ihr Dichter Göthe, wie ihr Philoſoph Hegel haben die Abhängigkeit des Subjects vom Objecte, den Gehorſam gegen die objective Welt u. ſ. w. zu verherrlichen gewußt. Wer nur der Sache dient, „ſich ihr ganz hingiebt“, der hat die wahre Freiheit. Und die Sache war bei den Denkenden die — Vernunft, ſie, die gleich Staat und Kirche — allgemeine Geſetze giebt und durch den Gedanken der Menſchheit den einzelnen Menſchen in Bande ſchlägt. Sie beſtimmt, was „wahr“ ſei, wonach man ſich dann zu richten hat. Keine „vernünftigeren“ Leute als die redlichen Diener, die zunächſt als Diener des Staates gute Bürger genannt werden. Sei Du ſteinreich oder blutarm — das überläßt der Staat des Bürgerthums Deinem Belieben; habe aber nur eine „gute Geſinnung“. Sie verlangt er von Dir und hält es für ſeine dringendſte Aufgabe, dieſelbe bei Allen herzuſtellen. Darum wird er vor „böſen Einflüſterungen“ Dich bewahren, indem er die „Uebelgeſinnten“ im Zaume hält und ihre auf¬ regenden Reden unter Cenſurſtrichen oder Preßſtrafen und hin¬ ter Kerkermauern verſtummen läßt, und wird anderſeits Leute von „guter Geſinnung“ zu Cenſoren beſtellen und auf alle Weiſe von „Wohlgeſinnten und Wohlmeinenden“ einen mo¬ raliſchen Einfluß auf Dich ausüben laſſen. Hat er Dich gegen die böſen Einflüſterungen taub gemacht, ſo öffnet er Dir um ſo emſiger die Ohren wieder für die guten Einflüſterungen.

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/146>, abgerufen am 23.11.2024.