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Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845.

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Kopfe, es ist in Mir wie das Herz, aber es ist nicht Ich, Ich
bin es nicht.

Zur Wirksamkeit pfäffischer Geister gehört besonders das,
was man häufig "moralischen Einfluß" nennen hört.

Der moralische Einfluß nimmt da seinen Anfang, wo die
Demüthigung beginnt, ja er ist nichts anderes, als diese
Demüthigung selbst, die Brechung und Beugung des Muthes
zur Demuth herab. Wenn Ich Jemand zurufe, bei Spren¬
gung eines Felsens aus dessen Nähe zu gehen, so übe Ich
keinen moralischen Einfluß durch diese Zumuthung; wenn Ich
dem Kinde sage, Du wirst hungern, willst Du nicht essen,
was aufgetischt wird, so ist dieß kein moralischer Einfluß.
Sage Ich ihm aber: Du wirst beten, die Aeltern ehren, das
Krucifix respectiren, die Wahrheit reden u. s. w., denn dieß
gehört zum Menschen und ist der Beruf des Menschen, oder
gar, dieß ist Gottes Wille, so ist der moralische Einfluß fertig:
ein Mensch soll sich da beugen vor dem Beruf des Menschen,
soll folgsam sein, demüthig werden, soll seinen Willen aufgeben
gegen einen fremden, der als Regel und Gesetz aufgestellt wird;
er soll sich erniedrigen vor einem Höheren: Selbsternie¬
drigung. "Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöhet werden."
Ja, ja, die Kinder müssen bei Zeiten zur Frömmigkeit, Gott¬
seligkeit und Ehrbarkeit angehalten werden; ein Mensch von
guter Erziehung ist Einer, dem "gute Grundsätze" beigebracht
und eingeprägt, eingetrichtert, eingebläut und eingepredigt
worden sind.

Zuckt man hierüber die Achseln, gleich ringen die Guten
verzweiflungsvoll die Hände und rufen: "Aber um's Himmels
willen, wenn man den Kindern keine guten Lehren geben soll,
so laufen sie ja gerades Weges der Sünde in den Rachen,

Kopfe, es iſt in Mir wie das Herz, aber es iſt nicht Ich, Ich
bin es nicht.

Zur Wirkſamkeit pfäffiſcher Geiſter gehört beſonders das,
was man häufig „moraliſchen Einfluß“ nennen hört.

Der moraliſche Einfluß nimmt da ſeinen Anfang, wo die
Demüthigung beginnt, ja er iſt nichts anderes, als dieſe
Demüthigung ſelbſt, die Brechung und Beugung des Muthes
zur Demuth herab. Wenn Ich Jemand zurufe, bei Spren¬
gung eines Felſens aus deſſen Nähe zu gehen, ſo übe Ich
keinen moraliſchen Einfluß durch dieſe Zumuthung; wenn Ich
dem Kinde ſage, Du wirſt hungern, willſt Du nicht eſſen,
was aufgetiſcht wird, ſo iſt dieß kein moraliſcher Einfluß.
Sage Ich ihm aber: Du wirſt beten, die Aeltern ehren, das
Krucifix reſpectiren, die Wahrheit reden u. ſ. w., denn dieß
gehört zum Menſchen und iſt der Beruf des Menſchen, oder
gar, dieß iſt Gottes Wille, ſo iſt der moraliſche Einfluß fertig:
ein Menſch ſoll ſich da beugen vor dem Beruf des Menſchen,
ſoll folgſam ſein, demüthig werden, ſoll ſeinen Willen aufgeben
gegen einen fremden, der als Regel und Geſetz aufgeſtellt wird;
er ſoll ſich erniedrigen vor einem Höheren: Selbſternie¬
drigung. „Wer ſich ſelbſt erniedrigt, wird erhöhet werden.“
Ja, ja, die Kinder müſſen bei Zeiten zur Frömmigkeit, Gott¬
ſeligkeit und Ehrbarkeit angehalten werden; ein Menſch von
guter Erziehung iſt Einer, dem „gute Grundſätze“ beigebracht
und eingeprägt, eingetrichtert, eingebläut und eingepredigt
worden ſind.

Zuckt man hierüber die Achſeln, gleich ringen die Guten
verzweiflungsvoll die Hände und rufen: „Aber um's Himmels
willen, wenn man den Kindern keine guten Lehren geben ſoll,
ſo laufen ſie ja gerades Weges der Sünde in den Rachen,

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[107/0115] Kopfe, es iſt in Mir wie das Herz, aber es iſt nicht Ich, Ich bin es nicht. Zur Wirkſamkeit pfäffiſcher Geiſter gehört beſonders das, was man häufig „moraliſchen Einfluß“ nennen hört. Der moraliſche Einfluß nimmt da ſeinen Anfang, wo die Demüthigung beginnt, ja er iſt nichts anderes, als dieſe Demüthigung ſelbſt, die Brechung und Beugung des Muthes zur Demuth herab. Wenn Ich Jemand zurufe, bei Spren¬ gung eines Felſens aus deſſen Nähe zu gehen, ſo übe Ich keinen moraliſchen Einfluß durch dieſe Zumuthung; wenn Ich dem Kinde ſage, Du wirſt hungern, willſt Du nicht eſſen, was aufgetiſcht wird, ſo iſt dieß kein moraliſcher Einfluß. Sage Ich ihm aber: Du wirſt beten, die Aeltern ehren, das Krucifix reſpectiren, die Wahrheit reden u. ſ. w., denn dieß gehört zum Menſchen und iſt der Beruf des Menſchen, oder gar, dieß iſt Gottes Wille, ſo iſt der moraliſche Einfluß fertig: ein Menſch ſoll ſich da beugen vor dem Beruf des Menſchen, ſoll folgſam ſein, demüthig werden, ſoll ſeinen Willen aufgeben gegen einen fremden, der als Regel und Geſetz aufgeſtellt wird; er ſoll ſich erniedrigen vor einem Höheren: Selbſternie¬ drigung. „Wer ſich ſelbſt erniedrigt, wird erhöhet werden.“ Ja, ja, die Kinder müſſen bei Zeiten zur Frömmigkeit, Gott¬ ſeligkeit und Ehrbarkeit angehalten werden; ein Menſch von guter Erziehung iſt Einer, dem „gute Grundſätze“ beigebracht und eingeprägt, eingetrichtert, eingebläut und eingepredigt worden ſind. Zuckt man hierüber die Achſeln, gleich ringen die Guten verzweiflungsvoll die Hände und rufen: „Aber um's Himmels willen, wenn man den Kindern keine guten Lehren geben ſoll, ſo laufen ſie ja gerades Weges der Sünde in den Rachen,

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Zitationshilfe: Stirner, Max: Der Einzige und sein Eigenthum. Leipzig, 1845, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stirner_einzige_1845/115>, abgerufen am 27.11.2024.