der; aber sie sahen kein Thal keine Gegend, sondern überall nur Weiß -- lauter Weiß. Blos ein dunkles Horn ein dunkles Haupt ein dunkler Arm wurde sicht¬ bar, und ragte dort und hier aus dem Schimmer empor. Der Mond war nirgends am Himmel zu erbliken, vielleicht war er schon frühe mit der Sonne untergegangen, oder er ist noch nicht erschienen.
Als eine lange Zeit vergangen war, sagte der Knabe: "Sanna, du mußt nicht schlafen; denn weißt du, wie der Vater gesagt hat, wenn man im Gebirge schläft, muß man erfrieren, so wie der alte Eschen¬ jäger auch geschlafen hat, und vier Monate todt auf dem Steine gesessen ist, ohne daß jemand gewußt hatte, wo er sei."
"Nein, ich werde nicht schlafen," sagte das Mäd¬ chen matt.
Konrad hatte es an dem Zipfel des Kleides ge¬ schüttelt, um es zu jenen Worten zu erweken.
Nun war es wieder stille.
Nach einer Zeit empfand der Knabe ein sanftes Drüken gegen seinen Arm, das immer schwerer wurde. Sanna war eingeschlafen, und war gegen ihn herüber gesunken.
"Sanna, schlafe nicht, ich bitte dich, schlafe nicht," sagte er.
der; aber ſie ſahen kein Thal keine Gegend, ſondern überall nur Weiß — lauter Weiß. Blos ein dunkles Horn ein dunkles Haupt ein dunkler Arm wurde ſicht¬ bar, und ragte dort und hier aus dem Schimmer empor. Der Mond war nirgends am Himmel zu erbliken, vielleicht war er ſchon frühe mit der Sonne untergegangen, oder er iſt noch nicht erſchienen.
Als eine lange Zeit vergangen war, ſagte der Knabe: „Sanna, du mußt nicht ſchlafen; denn weißt du, wie der Vater geſagt hat, wenn man im Gebirge ſchläft, muß man erfrieren, ſo wie der alte Eſchen¬ jäger auch geſchlafen hat, und vier Monate todt auf dem Steine geſeſſen iſt, ohne daß jemand gewußt hatte, wo er ſei.“
„Nein, ich werde nicht ſchlafen,“ ſagte das Mäd¬ chen matt.
Konrad hatte es an dem Zipfel des Kleides ge¬ ſchüttelt, um es zu jenen Worten zu erweken.
Nun war es wieder ſtille.
Nach einer Zeit empfand der Knabe ein ſanftes Drüken gegen ſeinen Arm, das immer ſchwerer wurde. Sanna war eingeſchlafen, und war gegen ihn herüber geſunken.
„Sanna, ſchlafe nicht, ich bitte dich, ſchlafe nicht,“ ſagte er.
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der; aber ſie ſahen kein Thal keine Gegend, ſondern
überall nur Weiß — lauter Weiß. Blos ein dunkles
Horn ein dunkles Haupt ein dunkler Arm wurde ſicht¬
bar, und ragte dort und hier aus dem Schimmer
empor. Der Mond war nirgends am Himmel zu
erbliken, vielleicht war er ſchon frühe mit der Sonne
untergegangen, oder er iſt noch nicht erſchienen.
Als eine lange Zeit vergangen war, ſagte der
Knabe: „Sanna, du mußt nicht ſchlafen; denn weißt
du, wie der Vater geſagt hat, wenn man im Gebirge
ſchläft, muß man erfrieren, ſo wie der alte Eſchen¬
jäger auch geſchlafen hat, und vier Monate todt auf
dem Steine geſeſſen iſt, ohne daß jemand gewußt
hatte, wo er ſei.“
„Nein, ich werde nicht ſchlafen,“ ſagte das Mäd¬
chen matt.
Konrad hatte es an dem Zipfel des Kleides ge¬
ſchüttelt, um es zu jenen Worten zu erweken.
Nun war es wieder ſtille.
Nach einer Zeit empfand der Knabe ein ſanftes
Drüken gegen ſeinen Arm, das immer ſchwerer wurde.
Sanna war eingeſchlafen, und war gegen ihn herüber
geſunken.
„Sanna, ſchlafe nicht, ich bitte dich, ſchlafe nicht,“
ſagte er.
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/80>, abgerufen am 16.02.2025.
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