nicht so nachkommen konnte, wie er vorwärts strebte gleich einem, der es zur Entscheidung bringen wollte.
Sie gingen nun mit der Unablässigkeit und Kraft, die Kinder und Thiere haben, weil sie nicht wissen, wie viel ihnen beschieden ist, und wann ihr Vorrath erschöpft ist.
Aber wie sie gingen, so konnten sie nicht merken, ob sie über den Berg hinabkämen oder nicht. Sie hatten gleich rechts nach abwärts gebogen, allein sie kamen wieder in Richtungen, die bergan führten, bergab und wieder bergan. Oft begegneten ihnen Steilheiten, denen sie ausweichen mußten, und ein Graben, in dem sie fortgingen, führte sie in einer Krümmung herum. Sie erklommen Höhen, die sich unter ihren Füssen steiler gestalteten, als sie dachten, und was sie für abwärts hielten, war wieder eben, oder es war eine Höhlung, oder es ging immer gedehnt fort.
"Wo sind wir denn, Konrad?" fragte das Mädchen.
"Ich weiß es nicht," antwortete er.
"Wenn ich nur mit diesen meinen Augen etwas zu erbliken im Stande wäre," fuhr er fort, "daß ich mich darnach richten könnte."
Aber es war rings um sie nichts als das blen¬ dende Weiß, überall das Weiß, das aber selber nur
nicht ſo nachkommen konnte, wie er vorwärts ſtrebte gleich einem, der es zur Entſcheidung bringen wollte.
Sie gingen nun mit der Unabläſſigkeit und Kraft, die Kinder und Thiere haben, weil ſie nicht wiſſen, wie viel ihnen beſchieden iſt, und wann ihr Vorrath erſchöpft iſt.
Aber wie ſie gingen, ſo konnten ſie nicht merken, ob ſie über den Berg hinabkämen oder nicht. Sie hatten gleich rechts nach abwärts gebogen, allein ſie kamen wieder in Richtungen, die bergan führten, bergab und wieder bergan. Oft begegneten ihnen Steilheiten, denen ſie ausweichen mußten, und ein Graben, in dem ſie fortgingen, führte ſie in einer Krümmung herum. Sie erklommen Höhen, die ſich unter ihren Füſſen ſteiler geſtalteten, als ſie dachten, und was ſie für abwärts hielten, war wieder eben, oder es war eine Höhlung, oder es ging immer gedehnt fort.
„Wo ſind wir denn, Konrad?“ fragte das Mädchen.
„Ich weiß es nicht,“ antwortete er.
„Wenn ich nur mit dieſen meinen Augen etwas zu erbliken im Stande wäre,“ fuhr er fort, „daß ich mich darnach richten könnte.“
Aber es war rings um ſie nichts als das blen¬ dende Weiß, überall das Weiß, das aber ſelber nur
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nicht ſo nachkommen konnte, wie er vorwärts ſtrebte
gleich einem, der es zur Entſcheidung bringen wollte.
Sie gingen nun mit der Unabläſſigkeit und Kraft,
die Kinder und Thiere haben, weil ſie nicht wiſſen,
wie viel ihnen beſchieden iſt, und wann ihr Vorrath
erſchöpft iſt.
Aber wie ſie gingen, ſo konnten ſie nicht merken,
ob ſie über den Berg hinabkämen oder nicht. Sie
hatten gleich rechts nach abwärts gebogen, allein ſie
kamen wieder in Richtungen, die bergan führten,
bergab und wieder bergan. Oft begegneten ihnen
Steilheiten, denen ſie ausweichen mußten, und ein
Graben, in dem ſie fortgingen, führte ſie in einer
Krümmung herum. Sie erklommen Höhen, die ſich
unter ihren Füſſen ſteiler geſtalteten, als ſie dachten,
und was ſie für abwärts hielten, war wieder eben,
oder es war eine Höhlung, oder es ging immer gedehnt
fort.
„Wo ſind wir denn, Konrad?“ fragte das Mädchen.
„Ich weiß es nicht,“ antwortete er.
„Wenn ich nur mit dieſen meinen Augen etwas
zu erbliken im Stande wäre,“ fuhr er fort, „daß ich
mich darnach richten könnte.“
Aber es war rings um ſie nichts als das blen¬
dende Weiß, überall das Weiß, das aber ſelber nur
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/63>, abgerufen am 16.02.2025.
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