Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Dorfe. Die Männer waren mit ihren Stuzen in die
Steine hinauf gegangen, die zu beiden Seiten der
Strasse empor ragen, und die Weiber und Kinder
waren noch viel höher in den Wald und gar bis gegen
den Schnee hinan gebracht worden. Nur ein achtzig¬
jähriger Zimmermann, der keinen Freund und keinen
Feind hatte, war im Dorfe zurükgeblieben. Er stand
hinter seiner Scheuer, und hatte den Stuzen geladen.
Als die schneeweißen Mäntel kamen -- denn die Rei¬
terei der Franzosen hatte weiße Mäntel, und war in
der Vorhut -- hielt er den Athem an, und gebrauchte
die Augen. Der beste Federbusch, der in der Mitte
wehte, schien dem Vornehmsten anzugehören, weil
die andern ihm Ehrfurcht erwiesen. Der Zimmermann
sprang hinter der Scheuer hervor, legte an, ein Rauch
-- ein Bliz -- ein Krach -- der Federbusch war ver¬
schwunden, und der Reiter lag todt unter dem Pferde.
Sie hieben im nächsten Augenblike den Zimmermann
zusammen, er lachte in sich, und ließ es geschehen.
Jezt sprengten sie in das Dorf, durchsuchten alles,
fanden keinen Menschen, fanden keine Schäze, und
da ihre Kameraden die Fußgänger nachgekommen
waren, zündeten sie das Dorf an allen Eken an, und
zogen weiter. Es ging ganz gut, sie zogen in der
Stille der Berge fort, bis das Thal enger wurde,

Dorfe. Die Männer waren mit ihren Stuzen in die
Steine hinauf gegangen, die zu beiden Seiten der
Straſſe empor ragen, und die Weiber und Kinder
waren noch viel höher in den Wald und gar bis gegen
den Schnee hinan gebracht worden. Nur ein achtzig¬
jähriger Zimmermann, der keinen Freund und keinen
Feind hatte, war im Dorfe zurükgeblieben. Er ſtand
hinter ſeiner Scheuer, und hatte den Stuzen geladen.
Als die ſchneeweißen Mäntel kamen — denn die Rei¬
terei der Franzoſen hatte weiße Mäntel, und war in
der Vorhut — hielt er den Athem an, und gebrauchte
die Augen. Der beſte Federbuſch, der in der Mitte
wehte, ſchien dem Vornehmſten anzugehören, weil
die andern ihm Ehrfurcht erwieſen. Der Zimmermann
ſprang hinter der Scheuer hervor, legte an, ein Rauch
— ein Bliz — ein Krach — der Federbuſch war ver¬
ſchwunden, und der Reiter lag todt unter dem Pferde.
Sie hieben im nächſten Augenblike den Zimmermann
zuſammen, er lachte in ſich, und ließ es geſchehen.
Jezt ſprengten ſie in das Dorf, durchſuchten alles,
fanden keinen Menſchen, fanden keine Schäze, und
da ihre Kameraden die Fußgänger nachgekommen
waren, zündeten ſie das Dorf an allen Eken an, und
zogen weiter. Es ging ganz gut, ſie zogen in der
Stille der Berge fort, bis das Thal enger wurde,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="235"/>
Dorfe. Die Männer waren mit ihren Stuzen in die<lb/>
Steine hinauf gegangen, die zu beiden Seiten der<lb/>
Stra&#x017F;&#x017F;e empor ragen, und die Weiber und Kinder<lb/>
waren noch viel höher in den Wald und gar bis gegen<lb/>
den Schnee hinan gebracht worden. Nur ein achtzig¬<lb/>
jähriger Zimmermann, der keinen Freund und keinen<lb/>
Feind hatte, war im Dorfe zurükgeblieben. Er &#x017F;tand<lb/>
hinter &#x017F;einer Scheuer, und hatte den Stuzen geladen.<lb/>
Als die &#x017F;chneeweißen Mäntel kamen &#x2014; denn die Rei¬<lb/>
terei der Franzo&#x017F;en hatte weiße Mäntel, und war in<lb/>
der Vorhut &#x2014; hielt er den Athem an, und gebrauchte<lb/>
die Augen. Der be&#x017F;te Federbu&#x017F;ch, der in der Mitte<lb/>
wehte, &#x017F;chien dem Vornehm&#x017F;ten anzugehören, weil<lb/>
die andern ihm Ehrfurcht erwie&#x017F;en. Der Zimmermann<lb/>
&#x017F;prang hinter der Scheuer hervor, legte an, ein Rauch<lb/>
&#x2014; ein Bliz &#x2014; ein Krach &#x2014; der Federbu&#x017F;ch war ver¬<lb/>
&#x017F;chwunden, und der Reiter lag todt unter dem Pferde.<lb/>
Sie hieben im näch&#x017F;ten Augenblike den Zimmermann<lb/>
zu&#x017F;ammen, er lachte in &#x017F;ich, und ließ es ge&#x017F;chehen.<lb/>
Jezt &#x017F;prengten &#x017F;ie in das Dorf, durch&#x017F;uchten alles,<lb/>
fanden keinen Men&#x017F;chen, fanden keine Schäze, und<lb/>
da ihre Kameraden die Fußgänger nachgekommen<lb/>
waren, zündeten &#x017F;ie das Dorf an allen Eken an, und<lb/>
zogen weiter. Es ging ganz gut, &#x017F;ie zogen in der<lb/>
Stille der Berge fort, bis das Thal enger wurde,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0246] Dorfe. Die Männer waren mit ihren Stuzen in die Steine hinauf gegangen, die zu beiden Seiten der Straſſe empor ragen, und die Weiber und Kinder waren noch viel höher in den Wald und gar bis gegen den Schnee hinan gebracht worden. Nur ein achtzig¬ jähriger Zimmermann, der keinen Freund und keinen Feind hatte, war im Dorfe zurükgeblieben. Er ſtand hinter ſeiner Scheuer, und hatte den Stuzen geladen. Als die ſchneeweißen Mäntel kamen — denn die Rei¬ terei der Franzoſen hatte weiße Mäntel, und war in der Vorhut — hielt er den Athem an, und gebrauchte die Augen. Der beſte Federbuſch, der in der Mitte wehte, ſchien dem Vornehmſten anzugehören, weil die andern ihm Ehrfurcht erwieſen. Der Zimmermann ſprang hinter der Scheuer hervor, legte an, ein Rauch — ein Bliz — ein Krach — der Federbuſch war ver¬ ſchwunden, und der Reiter lag todt unter dem Pferde. Sie hieben im nächſten Augenblike den Zimmermann zuſammen, er lachte in ſich, und ließ es geſchehen. Jezt ſprengten ſie in das Dorf, durchſuchten alles, fanden keinen Menſchen, fanden keine Schäze, und da ihre Kameraden die Fußgänger nachgekommen waren, zündeten ſie das Dorf an allen Eken an, und zogen weiter. Es ging ganz gut, ſie zogen in der Stille der Berge fort, bis das Thal enger wurde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/246
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/246>, abgerufen am 10.05.2024.