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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

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Der Vater und die Mutter wollten dem Mädchen
nicht folgen, damit es sich einsam beruhigen könnte.
Sie dachten, es werde sich geben.

Aber es gab sich nicht. Sie sahen das Mädchen
über die Sandlehne empor gehen, und sahen es seit¬
dem nie wieder.

Da eine Zeit vergangen war, ohne daß das
braune Mädchen erschien, meinten die Eltern und
Kinder, es sei nur fort gegangen, und bleibe länger
aus, als man jezt glauben sollte; aber als das
Ausbleiben bedenklicher wurde, stellte der Vater Nach¬
forschungen an, und da das Mädchen immer nicht
kam, wurden diese Nachforschungen mit allen Mitteln,
die es nur gab, betrieben. Aber sie waren wie die
früheren ohne Erfolg. In der Nähe kannte man das
Mädchen als ein solches, das immer zu den Kindern
auf den Hof kam, und betrachtete es fast als ein
Mitglied der Familie; in der Ferne wußte man gar
nichts von ihm. Alle Bewohner des Hauses Vater
Mutter Kinder Großmutter waren betrübt, und die
Wunde wurde immer heißer.

Aber als Monate und Jahre vergangen waren,
milderte sich der Schmerz, und die Erscheinung sank
wie andere immer tiefer in das Reich der Vergan¬
genheit zurük.

Der Vater und die Mutter wollten dem Mädchen
nicht folgen, damit es ſich einſam beruhigen könnte.
Sie dachten, es werde ſich geben.

Aber es gab ſich nicht. Sie ſahen das Mädchen
über die Sandlehne empor gehen, und ſahen es ſeit¬
dem nie wieder.

Da eine Zeit vergangen war, ohne daß das
braune Mädchen erſchien, meinten die Eltern und
Kinder, es ſei nur fort gegangen, und bleibe länger
aus, als man jezt glauben ſollte; aber als das
Ausbleiben bedenklicher wurde, ſtellte der Vater Nach¬
forſchungen an, und da das Mädchen immer nicht
kam, wurden dieſe Nachforſchungen mit allen Mitteln,
die es nur gab, betrieben. Aber ſie waren wie die
früheren ohne Erfolg. In der Nähe kannte man das
Mädchen als ein ſolches, das immer zu den Kindern
auf den Hof kam, und betrachtete es faſt als ein
Mitglied der Familie; in der Ferne wußte man gar
nichts von ihm. Alle Bewohner des Hauſes Vater
Mutter Kinder Großmutter waren betrübt, und die
Wunde wurde immer heißer.

Aber als Monate und Jahre vergangen waren,
milderte ſich der Schmerz, und die Erſcheinung ſank
wie andere immer tiefer in das Reich der Vergan¬
genheit zurük.

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[208/0219] Der Vater und die Mutter wollten dem Mädchen nicht folgen, damit es ſich einſam beruhigen könnte. Sie dachten, es werde ſich geben. Aber es gab ſich nicht. Sie ſahen das Mädchen über die Sandlehne empor gehen, und ſahen es ſeit¬ dem nie wieder. Da eine Zeit vergangen war, ohne daß das braune Mädchen erſchien, meinten die Eltern und Kinder, es ſei nur fort gegangen, und bleibe länger aus, als man jezt glauben ſollte; aber als das Ausbleiben bedenklicher wurde, ſtellte der Vater Nach¬ forſchungen an, und da das Mädchen immer nicht kam, wurden dieſe Nachforſchungen mit allen Mitteln, die es nur gab, betrieben. Aber ſie waren wie die früheren ohne Erfolg. In der Nähe kannte man das Mädchen als ein ſolches, das immer zu den Kindern auf den Hof kam, und betrachtete es faſt als ein Mitglied der Familie; in der Ferne wußte man gar nichts von ihm. Alle Bewohner des Hauſes Vater Mutter Kinder Großmutter waren betrübt, und die Wunde wurde immer heißer. Aber als Monate und Jahre vergangen waren, milderte ſich der Schmerz, und die Erſcheinung ſank wie andere immer tiefer in das Reich der Vergan¬ genheit zurük.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/219>, abgerufen am 24.11.2024.