Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

gingen wohl öfter, ohne das braune Mädchen zu
erbliken, aber einmal, als sie ihre Körbchen mit
Nüssen gefüllt hatten, und an der Haselwurzel sassen,
kam das Mädchen wieder aus den Gebüschen, blieb
wieder stehen, und sah auf Blondköpfchen hin. Es
mochte wohl hinsehen, da es selber nicht die langen
blonden Loken sondern kurz abgeschnittene schwarze
Haare hatte. Als man es nach langer Weile freund¬
lich anredete, wich es nur ein wenig zurük, lächelte,
zeigte wunderbare weiße Zähne, antwortete aber
nicht. Die Kinder blieben länger sizen, die Großmut¬
ter sprach allerlei, und das braune Mädchen stand,
und sah zu. Da man fortging, lief es nicht so eilig
davon, wie die zwei ersten Male, sondern ging auch
langsam auf einem Wege, der den Kindern nahe war,
den Berg hinunter, und konnte einige Male in den
Gebüschen gesehen werden. Es hatte immer die
nehmlichen Kleider an, die es das erste Mal ange¬
habt hatte.

Der Vater erlaubte den Kindern gerne, daß sie
auf den hohen Nußberg gingen, sagte aber, daß sie
dem fremden Kinde nichts zu Leide thun sollten. Wenn
sie oben waren, kam das Kind, blieb an dem Rande
der Gebüsche stehen, und sah zu. Es lächelte recht
freundlich, wenn man zu ihm sprach, antwortete aber

gingen wohl öfter, ohne das braune Mädchen zu
erbliken, aber einmal, als ſie ihre Körbchen mit
Nüſſen gefüllt hatten, und an der Haſelwurzel ſaſſen,
kam das Mädchen wieder aus den Gebüſchen, blieb
wieder ſtehen, und ſah auf Blondköpfchen hin. Es
mochte wohl hinſehen, da es ſelber nicht die langen
blonden Loken ſondern kurz abgeſchnittene ſchwarze
Haare hatte. Als man es nach langer Weile freund¬
lich anredete, wich es nur ein wenig zurük, lächelte,
zeigte wunderbare weiße Zähne, antwortete aber
nicht. Die Kinder blieben länger ſizen, die Großmut¬
ter ſprach allerlei, und das braune Mädchen ſtand,
und ſah zu. Da man fortging, lief es nicht ſo eilig
davon, wie die zwei erſten Male, ſondern ging auch
langſam auf einem Wege, der den Kindern nahe war,
den Berg hinunter, und konnte einige Male in den
Gebüſchen geſehen werden. Es hatte immer die
nehmlichen Kleider an, die es das erſte Mal ange¬
habt hatte.

Der Vater erlaubte den Kindern gerne, daß ſie
auf den hohen Nußberg gingen, ſagte aber, daß ſie
dem fremden Kinde nichts zu Leide thun ſollten. Wenn
ſie oben waren, kam das Kind, blieb an dem Rande
der Gebüſche ſtehen, und ſah zu. Es lächelte recht
freundlich, wenn man zu ihm ſprach, antwortete aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="120"/>
gingen wohl öfter, ohne das braune Mädchen zu<lb/>
erbliken, aber einmal, als &#x017F;ie ihre Körbchen mit<lb/>&#x017F;&#x017F;en gefüllt hatten, und an der Ha&#x017F;elwurzel &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
kam das Mädchen wieder aus den Gebü&#x017F;chen, blieb<lb/>
wieder &#x017F;tehen, und &#x017F;ah auf Blondköpfchen hin. Es<lb/>
mochte wohl hin&#x017F;ehen, da es &#x017F;elber nicht die langen<lb/>
blonden Loken &#x017F;ondern kurz abge&#x017F;chnittene &#x017F;chwarze<lb/>
Haare hatte. Als man es nach langer Weile freund¬<lb/>
lich anredete, wich es nur ein wenig zurük, lächelte,<lb/>
zeigte wunderbare weiße Zähne, antwortete aber<lb/>
nicht. Die Kinder blieben länger &#x017F;izen, die Großmut¬<lb/>
ter &#x017F;prach allerlei, und das braune Mädchen &#x017F;tand,<lb/>
und &#x017F;ah zu. Da man fortging, lief es nicht &#x017F;o eilig<lb/>
davon, wie die zwei er&#x017F;ten Male, &#x017F;ondern ging auch<lb/>
lang&#x017F;am auf einem Wege, der den Kindern nahe war,<lb/>
den Berg hinunter, und konnte einige Male in den<lb/>
Gebü&#x017F;chen ge&#x017F;ehen werden. Es hatte immer die<lb/>
nehmlichen Kleider an, die es das er&#x017F;te Mal ange¬<lb/>
habt hatte.</p><lb/>
        <p>Der Vater erlaubte den Kindern gerne, daß &#x017F;ie<lb/>
auf den hohen Nußberg gingen, &#x017F;agte aber, daß &#x017F;ie<lb/>
dem fremden Kinde nichts zu Leide thun &#x017F;ollten. Wenn<lb/>
&#x017F;ie oben waren, kam das Kind, blieb an dem Rande<lb/>
der Gebü&#x017F;che &#x017F;tehen, und &#x017F;ah zu. Es lächelte recht<lb/>
freundlich, wenn man zu ihm &#x017F;prach, antwortete aber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0131] gingen wohl öfter, ohne das braune Mädchen zu erbliken, aber einmal, als ſie ihre Körbchen mit Nüſſen gefüllt hatten, und an der Haſelwurzel ſaſſen, kam das Mädchen wieder aus den Gebüſchen, blieb wieder ſtehen, und ſah auf Blondköpfchen hin. Es mochte wohl hinſehen, da es ſelber nicht die langen blonden Loken ſondern kurz abgeſchnittene ſchwarze Haare hatte. Als man es nach langer Weile freund¬ lich anredete, wich es nur ein wenig zurük, lächelte, zeigte wunderbare weiße Zähne, antwortete aber nicht. Die Kinder blieben länger ſizen, die Großmut¬ ter ſprach allerlei, und das braune Mädchen ſtand, und ſah zu. Da man fortging, lief es nicht ſo eilig davon, wie die zwei erſten Male, ſondern ging auch langſam auf einem Wege, der den Kindern nahe war, den Berg hinunter, und konnte einige Male in den Gebüſchen geſehen werden. Es hatte immer die nehmlichen Kleider an, die es das erſte Mal ange¬ habt hatte. Der Vater erlaubte den Kindern gerne, daß ſie auf den hohen Nußberg gingen, ſagte aber, daß ſie dem fremden Kinde nichts zu Leide thun ſollten. Wenn ſie oben waren, kam das Kind, blieb an dem Rande der Gebüſche ſtehen, und ſah zu. Es lächelte recht freundlich, wenn man zu ihm ſprach, antwortete aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/131
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 2. Pest u. a., 1853, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine02_1853/131>, abgerufen am 23.11.2024.