strüppe ein kleines Mädchen liegen. Dem Knaben klopfte das Herz außerordentlich, er ging näher, das Mädchen lebte, aber es hatte die Krankheit, und lag ohne Bewußtsein da. Er ging noch näher, das Mäd¬ chen hatte weiße Kleider und ein schwarzes Mäntel¬ chen an, es hatte wirre Haare, und lag so ungefüg in dem Gestrippe, als wäre es hinein geworfen worden. Er rief, aber er bekam keine Antwort, er nahm das Mädchen bei der Hand, aber die Hand konnte nichts fassen, und war ohne Leben. Er lief in das Thal, schöpfte mit seinem alten Hute, den er aus der Hütte mitgenommen hatte, Wasser, brachte es zu dem Mäd¬ chen zurük, und befeuchtete ihm die Lippen. Dies that er nun öfter. Er wußte nicht, womit dem Kinde zu helfen wäre, und wenn er es auch gewußt hätte, so hätte er nichts gehabt, um es ihm zu geben. Weil er durch das verworrene Gestrippe nicht leicht zu dem Plaze gelangen konnte, auf welchem das Mädchen lag, so nahm er nun einen großen Stein, legte ihn auf die kriechenden Ranken der Brombeeren, und wiederholte das so lange, bis er die Brombeeren be¬ dekt hatte, bis sie niedergehalten wurden, und die Steine ein Pflaster bildeten. Auf dieses Pflaster kniete er nieder, rükte das Kind, sah es an, strich ihm die Haare zurecht, und weil er keinen Kamm hatte, so
Stifter, Jugendschriften. I. 5
ſtrüppe ein kleines Mädchen liegen. Dem Knaben klopfte das Herz außerordentlich, er ging näher, das Mädchen lebte, aber es hatte die Krankheit, und lag ohne Bewußtſein da. Er ging noch näher, das Mäd¬ chen hatte weiße Kleider und ein ſchwarzes Mäntel¬ chen an, es hatte wirre Haare, und lag ſo ungefüg in dem Geſtrippe, als wäre es hinein geworfen worden. Er rief, aber er bekam keine Antwort, er nahm das Mädchen bei der Hand, aber die Hand konnte nichts faſſen, und war ohne Leben. Er lief in das Thal, ſchöpfte mit ſeinem alten Hute, den er aus der Hütte mitgenommen hatte, Waſſer, brachte es zu dem Mäd¬ chen zurük, und befeuchtete ihm die Lippen. Dies that er nun öfter. Er wußte nicht, womit dem Kinde zu helfen wäre, und wenn er es auch gewußt hätte, ſo hätte er nichts gehabt, um es ihm zu geben. Weil er durch das verworrene Geſtrippe nicht leicht zu dem Plaze gelangen konnte, auf welchem das Mädchen lag, ſo nahm er nun einen großen Stein, legte ihn auf die kriechenden Ranken der Brombeeren, und wiederholte das ſo lange, bis er die Brombeeren be¬ dekt hatte, bis ſie niedergehalten wurden, und die Steine ein Pflaſter bildeten. Auf dieſes Pflaſter kniete er nieder, rükte das Kind, ſah es an, ſtrich ihm die Haare zurecht, und weil er keinen Kamm hatte, ſo
Stifter, Jugendſchriften. I. 5
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ſtrüppe ein kleines Mädchen liegen. Dem Knaben
klopfte das Herz außerordentlich, er ging näher, das
Mädchen lebte, aber es hatte die Krankheit, und lag
ohne Bewußtſein da. Er ging noch näher, das Mäd¬
chen hatte weiße Kleider und ein ſchwarzes Mäntel¬
chen an, es hatte wirre Haare, und lag ſo ungefüg in
dem Geſtrippe, als wäre es hinein geworfen worden.
Er rief, aber er bekam keine Antwort, er nahm das
Mädchen bei der Hand, aber die Hand konnte nichts
faſſen, und war ohne Leben. Er lief in das Thal,
ſchöpfte mit ſeinem alten Hute, den er aus der Hütte
mitgenommen hatte, Waſſer, brachte es zu dem Mäd¬
chen zurük, und befeuchtete ihm die Lippen. Dies that
er nun öfter. Er wußte nicht, womit dem Kinde zu
helfen wäre, und wenn er es auch gewußt hätte, ſo
hätte er nichts gehabt, um es ihm zu geben. Weil er
durch das verworrene Geſtrippe nicht leicht zu dem
Plaze gelangen konnte, auf welchem das Mädchen
lag, ſo nahm er nun einen großen Stein, legte ihn
auf die kriechenden Ranken der Brombeeren, und
wiederholte das ſo lange, bis er die Brombeeren be¬
dekt hatte, bis ſie niedergehalten wurden, und die
Steine ein Pflaſter bildeten. Auf dieſes Pflaſter kniete
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Haare zurecht, und weil er keinen Kamm hatte, ſo
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/78>, abgerufen am 27.11.2024.
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