Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.ein Bauer aus dem Amischhause von Melm nach "Eßt Enzian und Pimpinell, Der Bauer entfloh, er lief zu dem Pfarrer nach Ober¬Steht auf, sterbt nicht so schnell. Eßt Enzian und Pimpinell Steht auf, sterbt nicht so schnell." plan und sagte ihm die Worte, und der Pfarrer sagte sie den Leuten. Diese thaten, wie das Vöglein ge¬ sungen hatte, und die Krankheit minderte sich immer mehr und mehr, und noch ehe der Haber in die Stop¬ peln gegangen war, und ehe die braunen Haselnüsse an den Büschen der Zäune reiften, war sie nicht mehr vorhanden. Die Menschen getrauten sich wieder her¬ vor, in den Dörfern ging der Rauch empor, wie man die Betten und die andern Dinge der Kranken ver¬ brannte, weil die Krankheit sehr anstekend gewesen war; viele Häuser wurden neu getüncht und ge¬ scheuert, und die Kirchengloken tönten wieder fried¬ fertige Töne, wenn sie entweder zu dem Gebete riefen oder zu den heiligen Festen der Kirche." In dem Augenblike gleichsam wie durch die Worte ein Bauer aus dem Amiſchhauſe von Melm nach „Eßt Enzian und Pimpinell, Der Bauer entfloh, er lief zu dem Pfarrer nach Ober¬Steht auf, ſterbt nicht ſo ſchnell. Eßt Enzian und Pimpinell Steht auf, ſterbt nicht ſo ſchnell.“ plan und ſagte ihm die Worte, und der Pfarrer ſagte ſie den Leuten. Dieſe thaten, wie das Vöglein ge¬ ſungen hatte, und die Krankheit minderte ſich immer mehr und mehr, und noch ehe der Haber in die Stop¬ peln gegangen war, und ehe die braunen Haſelnüſſe an den Büſchen der Zäune reiften, war ſie nicht mehr vorhanden. Die Menſchen getrauten ſich wieder her¬ vor, in den Dörfern ging der Rauch empor, wie man die Betten und die andern Dinge der Kranken ver¬ brannte, weil die Krankheit ſehr anſtekend geweſen war; viele Häuſer wurden neu getüncht und ge¬ ſcheuert, und die Kirchengloken tönten wieder fried¬ fertige Töne, wenn ſie entweder zu dem Gebete riefen oder zu den heiligen Feſten der Kirche.“ In dem Augenblike gleichſam wie durch die Worte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0057" n="44"/> ein Bauer aus dem Amiſchhauſe von Melm nach<lb/> Oberplan ging. Auf der Drillingsföhre ſaß ein Vög¬<lb/> lein und ſang:<lb/><lg type="poem"><l>„Eßt Enzian und Pimpinell,</l><lb/><l>Steht auf, ſterbt nicht ſo ſchnell.</l><lb/><l>Eßt Enzian und Pimpinell</l><lb/><l>Steht auf, ſterbt nicht ſo ſchnell.“</l><lb/></lg> Der Bauer entfloh, er lief zu dem Pfarrer nach Ober¬<lb/> plan und ſagte ihm die Worte, und der Pfarrer ſagte<lb/> ſie den Leuten. Dieſe thaten, wie das Vöglein ge¬<lb/> ſungen hatte, und die Krankheit minderte ſich immer<lb/> mehr und mehr, und noch ehe der Haber in die Stop¬<lb/> peln gegangen war, und ehe die braunen Haſelnüſſe<lb/> an den Büſchen der Zäune reiften, war ſie nicht mehr<lb/> vorhanden. Die Menſchen getrauten ſich wieder her¬<lb/> vor, in den Dörfern ging der Rauch empor, wie man<lb/> die Betten und die andern Dinge der Kranken ver¬<lb/> brannte, weil die Krankheit ſehr anſtekend geweſen<lb/> war; viele Häuſer wurden neu getüncht und ge¬<lb/> ſcheuert, und die Kirchengloken tönten wieder fried¬<lb/> fertige Töne, wenn ſie entweder zu dem Gebete riefen<lb/> oder zu den heiligen Feſten der Kirche.“</p><lb/> <p>In dem Augenblike gleichſam wie durch die Worte<lb/> hervor gerufen tönte hell klar und rein mit ihren<lb/> deutlichen tiefen Tönen die große Gloke von dem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0057]
ein Bauer aus dem Amiſchhauſe von Melm nach
Oberplan ging. Auf der Drillingsföhre ſaß ein Vög¬
lein und ſang:
„Eßt Enzian und Pimpinell,
Steht auf, ſterbt nicht ſo ſchnell.
Eßt Enzian und Pimpinell
Steht auf, ſterbt nicht ſo ſchnell.“
Der Bauer entfloh, er lief zu dem Pfarrer nach Ober¬
plan und ſagte ihm die Worte, und der Pfarrer ſagte
ſie den Leuten. Dieſe thaten, wie das Vöglein ge¬
ſungen hatte, und die Krankheit minderte ſich immer
mehr und mehr, und noch ehe der Haber in die Stop¬
peln gegangen war, und ehe die braunen Haſelnüſſe
an den Büſchen der Zäune reiften, war ſie nicht mehr
vorhanden. Die Menſchen getrauten ſich wieder her¬
vor, in den Dörfern ging der Rauch empor, wie man
die Betten und die andern Dinge der Kranken ver¬
brannte, weil die Krankheit ſehr anſtekend geweſen
war; viele Häuſer wurden neu getüncht und ge¬
ſcheuert, und die Kirchengloken tönten wieder fried¬
fertige Töne, wenn ſie entweder zu dem Gebete riefen
oder zu den heiligen Feſten der Kirche.“
In dem Augenblike gleichſam wie durch die Worte
hervor gerufen tönte hell klar und rein mit ihren
deutlichen tiefen Tönen die große Gloke von dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |