zeigen, wie sie aufgesprungen sei, wie sie mich genom¬ men, in das Vorhaus getragen, mich mit meinen eigenen Ruthen gezüchtiget habe, und wie ich darnach auf dem Steine sizen geblieben sei.
"Du bist ein kleines Närrlein," sagte der Gro߬ vater, "und der alte Andreas ist ein arger Schalk, er hat immer solche Streiche ausgeführt, und wird jezt heimlich und wiederholt bei sich lachen, daß er den Einfall gehabt hat. Dieser Hergang bessert deine Sache sehr. Aber siehst du, auch der alte Andreas, so übel wir seine Sache ansehen mögen, ist nicht so schuldig, als wir andern uns denken; denn woher soll denn der alte Andreas wissen, daß die Wagen¬ schmiere für die Leute eine so schrekende Sache ist, und daß sie in einem Hause eine solche Unordnung anrichten kann; denn für ihn ist sie eine Waare, mit der er immer umgeht, die ihm seine Nahrung gibt, die er liebt, und die er sich immer frisch holt, wenn sie ihm ausgeht. Und wie soll er von gewaschenen Fußböden etwas wissen, da er Jahr aus Jahr ein bei Regen und Sonnenschein mit seinem Fasse auf der Strasse ist, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer Scheune schläft, und an seinen Kleidern Heu oder Halme kleben hat. Aber auch deine Mutter hat Recht; sie mußte glauben, daß du dir leichtsinniger Weise die
zeigen, wie ſie aufgeſprungen ſei, wie ſie mich genom¬ men, in das Vorhaus getragen, mich mit meinen eigenen Ruthen gezüchtiget habe, und wie ich darnach auf dem Steine ſizen geblieben ſei.
„Du biſt ein kleines Närrlein,“ ſagte der Gro߬ vater, „und der alte Andreas iſt ein arger Schalk, er hat immer ſolche Streiche ausgeführt, und wird jezt heimlich und wiederholt bei ſich lachen, daß er den Einfall gehabt hat. Dieſer Hergang beſſert deine Sache ſehr. Aber ſiehst du, auch der alte Andreas, ſo übel wir ſeine Sache anſehen mögen, iſt nicht ſo ſchuldig, als wir andern uns denken; denn woher ſoll denn der alte Andreas wiſſen, daß die Wagen¬ ſchmiere für die Leute eine ſo ſchrekende Sache iſt, und daß ſie in einem Hauſe eine ſolche Unordnung anrichten kann; denn für ihn iſt ſie eine Waare, mit der er immer umgeht, die ihm ſeine Nahrung gibt, die er liebt, und die er ſich immer friſch holt, wenn ſie ihm ausgeht. Und wie ſoll er von gewaſchenen Fußböden etwas wiſſen, da er Jahr aus Jahr ein bei Regen und Sonnenſchein mit ſeinem Faſſe auf der Straſſe iſt, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer Scheune ſchläft, und an ſeinen Kleidern Heu oder Halme kleben hat. Aber auch deine Mutter hat Recht; ſie mußte glauben, daß du dir leichtſinniger Weiſe die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0045"n="32"/>
zeigen, wie ſie aufgeſprungen ſei, wie ſie mich genom¬<lb/>
men, in das Vorhaus getragen, mich mit meinen<lb/>
eigenen Ruthen gezüchtiget habe, und wie ich darnach<lb/>
auf dem Steine ſizen geblieben ſei.</p><lb/><p>„Du biſt ein kleines Närrlein,“ſagte der Gro߬<lb/>
vater, „und der alte Andreas iſt ein arger Schalk, er<lb/>
hat immer ſolche Streiche ausgeführt, und wird jezt<lb/>
heimlich und wiederholt bei ſich lachen, daß er den<lb/>
Einfall gehabt hat. Dieſer Hergang beſſert deine<lb/>
Sache ſehr. Aber ſiehst du, auch der alte Andreas, ſo<lb/>
übel wir ſeine Sache anſehen mögen, iſt nicht ſo<lb/>ſchuldig, als wir andern uns denken; denn woher<lb/>ſoll denn der alte Andreas wiſſen, daß die Wagen¬<lb/>ſchmiere für die Leute eine ſo ſchrekende Sache iſt,<lb/>
und daß ſie in einem Hauſe eine ſolche Unordnung<lb/>
anrichten kann; denn für ihn iſt ſie eine Waare, mit<lb/>
der er immer umgeht, die ihm ſeine Nahrung gibt,<lb/>
die er liebt, und die er ſich immer friſch holt, wenn<lb/>ſie ihm ausgeht. Und wie ſoll er von gewaſchenen<lb/>
Fußböden etwas wiſſen, da er Jahr aus Jahr ein<lb/>
bei Regen und Sonnenſchein mit ſeinem Faſſe auf der<lb/>
Straſſe iſt, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer<lb/>
Scheune ſchläft, und an ſeinen Kleidern Heu oder<lb/>
Halme kleben hat. Aber auch deine Mutter hat Recht;<lb/>ſie mußte glauben, daß du dir leichtſinniger Weiſe die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[32/0045]
zeigen, wie ſie aufgeſprungen ſei, wie ſie mich genom¬
men, in das Vorhaus getragen, mich mit meinen
eigenen Ruthen gezüchtiget habe, und wie ich darnach
auf dem Steine ſizen geblieben ſei.
„Du biſt ein kleines Närrlein,“ ſagte der Gro߬
vater, „und der alte Andreas iſt ein arger Schalk, er
hat immer ſolche Streiche ausgeführt, und wird jezt
heimlich und wiederholt bei ſich lachen, daß er den
Einfall gehabt hat. Dieſer Hergang beſſert deine
Sache ſehr. Aber ſiehst du, auch der alte Andreas, ſo
übel wir ſeine Sache anſehen mögen, iſt nicht ſo
ſchuldig, als wir andern uns denken; denn woher
ſoll denn der alte Andreas wiſſen, daß die Wagen¬
ſchmiere für die Leute eine ſo ſchrekende Sache iſt,
und daß ſie in einem Hauſe eine ſolche Unordnung
anrichten kann; denn für ihn iſt ſie eine Waare, mit
der er immer umgeht, die ihm ſeine Nahrung gibt,
die er liebt, und die er ſich immer friſch holt, wenn
ſie ihm ausgeht. Und wie ſoll er von gewaſchenen
Fußböden etwas wiſſen, da er Jahr aus Jahr ein
bei Regen und Sonnenſchein mit ſeinem Faſſe auf der
Straſſe iſt, bei der Nacht oder an Feiertagen in einer
Scheune ſchläft, und an ſeinen Kleidern Heu oder
Halme kleben hat. Aber auch deine Mutter hat Recht;
ſie mußte glauben, daß du dir leichtſinniger Weiſe die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/45>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.