Sie da erlauben, daß ich Ihnen, wenn Sie von dieser Gegend scheiden, von Zeit zu Zeit einen kleinen Brief schreibe, worin ich Ihnen sage, daß ich noch lebe. Wenn die Briefe ausbleiben, so wissen Sie, daß ich gestorben bin. Dann müßten Sie das Testament durch ganz sichere Hände und gegen Bescheinigung nach Karsberg gelangen lassen, oder überhaupt dorthin, wo die Ämter sind, die es in Erfüllung bringen kön¬ nen. Es ist das alles nur zur Vorsicht, wenn das ge¬ richtlich niedergelegte verloren gehen sollte. Das Testa¬ ment ist zugesiegelt und den Inhalt werden Sie nach meinem Tode erfahren, wenn Sie nehmlich nicht ab¬ geneigt sind, meine Bitte zu erfüllen."
Ich sagte dem Pfarrer, daß ich mit Freuden in seinen Wunsch eingehe, daß ich das Papier so sorg¬ fältig bewahren wolle, wie meine eigenen besten Sachen, deren Vernichtung mir unersezlich wäre, und daß ich allen seinen Weisungen gerne nachkommen wolle. Übrigens hoffe ich, daß der Zeitpunkt noch sehr ferne sei, wo das Testament und seine zwei an¬ dern Genossen entsiegelt werden würden.
"Wir stehen alle in Gottes Hand," sagte er, "es kann heute sein, es kann morgen sein, es kann noch viele Jahre dauern. Zum Zweke, den ich neben mei¬ nen Seelsorgerpflichten verfolge, wünsche ich, daß
Sie da erlauben, daß ich Ihnen, wenn Sie von dieſer Gegend ſcheiden, von Zeit zu Zeit einen kleinen Brief ſchreibe, worin ich Ihnen ſage, daß ich noch lebe. Wenn die Briefe ausbleiben, ſo wiſſen Sie, daß ich geſtorben bin. Dann müßten Sie das Teſtament durch ganz ſichere Hände und gegen Beſcheinigung nach Karsberg gelangen laſſen, oder überhaupt dorthin, wo die Ämter ſind, die es in Erfüllung bringen kön¬ nen. Es iſt das alles nur zur Vorſicht, wenn das ge¬ richtlich niedergelegte verloren gehen ſollte. Das Teſta¬ ment iſt zugeſiegelt und den Inhalt werden Sie nach meinem Tode erfahren, wenn Sie nehmlich nicht ab¬ geneigt ſind, meine Bitte zu erfüllen.“
Ich ſagte dem Pfarrer, daß ich mit Freuden in ſeinen Wunſch eingehe, daß ich das Papier ſo ſorg¬ fältig bewahren wolle, wie meine eigenen beſten Sachen, deren Vernichtung mir unerſezlich wäre, und daß ich allen ſeinen Weiſungen gerne nachkommen wolle. Übrigens hoffe ich, daß der Zeitpunkt noch ſehr ferne ſei, wo das Teſtament und ſeine zwei an¬ dern Genoſſen entſiegelt werden würden.
„Wir ſtehen alle in Gottes Hand,“ ſagte er, „es kann heute ſein, es kann morgen ſein, es kann noch viele Jahre dauern. Zum Zweke, den ich neben mei¬ nen Seelſorgerpflichten verfolge, wünſche ich, daß
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Sie da erlauben, daß ich Ihnen, wenn Sie von
dieſer Gegend ſcheiden, von Zeit zu Zeit einen kleinen
Brief ſchreibe, worin ich Ihnen ſage, daß ich noch
lebe. Wenn die Briefe ausbleiben, ſo wiſſen Sie, daß
ich geſtorben bin. Dann müßten Sie das Teſtament
durch ganz ſichere Hände und gegen Beſcheinigung
nach Karsberg gelangen laſſen, oder überhaupt dorthin,
wo die Ämter ſind, die es in Erfüllung bringen kön¬
nen. Es iſt das alles nur zur Vorſicht, wenn das ge¬
richtlich niedergelegte verloren gehen ſollte. Das Teſta¬
ment iſt zugeſiegelt und den Inhalt werden Sie nach
meinem Tode erfahren, wenn Sie nehmlich nicht ab¬
geneigt ſind, meine Bitte zu erfüllen.“
Ich ſagte dem Pfarrer, daß ich mit Freuden in
ſeinen Wunſch eingehe, daß ich das Papier ſo ſorg¬
fältig bewahren wolle, wie meine eigenen beſten
Sachen, deren Vernichtung mir unerſezlich wäre, und
daß ich allen ſeinen Weiſungen gerne nachkommen
wolle. Übrigens hoffe ich, daß der Zeitpunkt noch
ſehr ferne ſei, wo das Teſtament und ſeine zwei an¬
dern Genoſſen entſiegelt werden würden.
„Wir ſtehen alle in Gottes Hand,“ ſagte er, „es
kann heute ſein, es kann morgen ſein, es kann noch
viele Jahre dauern. Zum Zweke, den ich neben mei¬
nen Seelſorgerpflichten verfolge, wünſche ich, daß
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/188>, abgerufen am 16.02.2025.
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