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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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darstelle. Der Bliz ist nur ein ganz kleines Merkmal
dieser Kraft, sie selber aber ist ein Großes in der
Natur. Weil aber die Wissenschaft nur Körnchen nach
Körnchen erringt, nur Beobachtung nach Beobach¬
tung macht, nur aus Einzelnem das Allgemeine zu¬
sammen trägt, und weil endlich die Menge der Er¬
scheinungen und das Feld des Gegebenen unendlich
groß ist, Gott also die Freude und die Glükseligkeit
des Forschens unversieglich gemacht hat, wir auch in
unseren Werkstätten immer nur das Einzelne darstellen
können nie das Allgemeine, denn dies wäre die
Schöpfung: so ist auch die Geschichte des in der
Natur Großen in einer immerwährenden Umwand¬
lung der Ansichten über dieses Große bestanden. Da
die Menschen in der Kindheit waren, ihr geistiges
Auge von der Wissenschaft noch nicht berührt war,
wurden sie von dem Nahestehenden und Auffälligen
ergriffen, und zu Furcht und Bewunderung hingerissen:
aber als ihr Sinn geöffnet wurde, da der Blik sich
auf den Zusammenhang zu richten begann, so sanken
die einzelnen Erscheinungen immer tiefer, und es erhob
sich das Gesez immer höher, die Wunderbarkeiten
hörten auf, das Wunder nahm zu.

So wie es in der äußeren Natur ist, so ist es auch
in der inneren, in der des menschlichen Geschlechtes.

darſtelle. Der Bliz iſt nur ein ganz kleines Merkmal
dieſer Kraft, ſie ſelber aber iſt ein Großes in der
Natur. Weil aber die Wiſſenſchaft nur Körnchen nach
Körnchen erringt, nur Beobachtung nach Beobach¬
tung macht, nur aus Einzelnem das Allgemeine zu¬
ſammen trägt, und weil endlich die Menge der Er¬
ſcheinungen und das Feld des Gegebenen unendlich
groß iſt, Gott alſo die Freude und die Glükſeligkeit
des Forſchens unverſieglich gemacht hat, wir auch in
unſeren Werkſtätten immer nur das Einzelne darſtellen
können nie das Allgemeine, denn dies wäre die
Schöpfung: ſo iſt auch die Geſchichte des in der
Natur Großen in einer immerwährenden Umwand¬
lung der Anſichten über dieſes Große beſtanden. Da
die Menſchen in der Kindheit waren, ihr geiſtiges
Auge von der Wiſſenſchaft noch nicht berührt war,
wurden ſie von dem Naheſtehenden und Auffälligen
ergriffen, und zu Furcht und Bewunderung hingeriſſen:
aber als ihr Sinn geöffnet wurde, da der Blik ſich
auf den Zuſammenhang zu richten begann, ſo ſanken
die einzelnen Erſcheinungen immer tiefer, und es erhob
ſich das Geſez immer höher, die Wunderbarkeiten
hörten auf, das Wunder nahm zu.

So wie es in der äußeren Natur iſt, ſo iſt es auch
in der inneren, in der des menſchlichen Geſchlechtes.

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[5/0018] darſtelle. Der Bliz iſt nur ein ganz kleines Merkmal dieſer Kraft, ſie ſelber aber iſt ein Großes in der Natur. Weil aber die Wiſſenſchaft nur Körnchen nach Körnchen erringt, nur Beobachtung nach Beobach¬ tung macht, nur aus Einzelnem das Allgemeine zu¬ ſammen trägt, und weil endlich die Menge der Er¬ ſcheinungen und das Feld des Gegebenen unendlich groß iſt, Gott alſo die Freude und die Glükſeligkeit des Forſchens unverſieglich gemacht hat, wir auch in unſeren Werkſtätten immer nur das Einzelne darſtellen können nie das Allgemeine, denn dies wäre die Schöpfung: ſo iſt auch die Geſchichte des in der Natur Großen in einer immerwährenden Umwand¬ lung der Anſichten über dieſes Große beſtanden. Da die Menſchen in der Kindheit waren, ihr geiſtiges Auge von der Wiſſenſchaft noch nicht berührt war, wurden ſie von dem Naheſtehenden und Auffälligen ergriffen, und zu Furcht und Bewunderung hingeriſſen: aber als ihr Sinn geöffnet wurde, da der Blik ſich auf den Zuſammenhang zu richten begann, ſo ſanken die einzelnen Erſcheinungen immer tiefer, und es erhob ſich das Geſez immer höher, die Wunderbarkeiten hörten auf, das Wunder nahm zu. So wie es in der äußeren Natur iſt, ſo iſt es auch in der inneren, in der des menſchlichen Geſchlechtes.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/18>, abgerufen am 29.03.2024.