einen eigenen Gärtner hiefür genommen, und hatte Pfropfreiser aus allen Gegenden Europas verschrie¬ ben. Er war gegen seine Leute sehr gut, er hielt sie ausreichend, sah, daß einem jeden sein Theil werde, daß er aber auch thue, was ihm obliege. Wenn einer krank war, ging er selber zu seinem Bette, fragte ihn, wie er sich befinde, und reichte ihm oft selber die Arznei. Er hatte im Hause nur den allgemeinen Namen Vater. Dem Prunke war er abgeneigt, daß er eher zu schlicht und unscheinbar daher ging als zu ansehnlich, seine Wohnung war einfach, und wenn er in einem Wagen ausfuhr, so mußte es ein sehr bürgerlich aussehender sein."
"Wir waren zwei Brüder, Zwillinge, und die Mutter hatte bei unserer Geburt ihr Leben verloren. Der Vater hatte sie sehr hoch geehrt, und daher keine Frau mehr genommen; denn er hat sie nie vergessen können. Weil auf der Gasse zu viel Lärm war, wur¬ den wir in den hintern Flügel gegen den Garten ge¬ than, den der Vater an das Haus angebaut hatte. Es war eine große Stube, in der wir waren, die Fenster gingen gegen den Garten hinaus, die Stube war durch einen langen Gang von der übrigen Woh¬ nung getrennt, und damit wir nicht bei jedem Aus¬ gange durch den vordern Theil des Hauses gehen
Stifter, Jugendschriften. I. 10
einen eigenen Gärtner hiefür genommen, und hatte Pfropfreiſer aus allen Gegenden Europas verſchrie¬ ben. Er war gegen ſeine Leute ſehr gut, er hielt ſie ausreichend, ſah, daß einem jeden ſein Theil werde, daß er aber auch thue, was ihm obliege. Wenn einer krank war, ging er ſelber zu ſeinem Bette, fragte ihn, wie er ſich befinde, und reichte ihm oft ſelber die Arznei. Er hatte im Hauſe nur den allgemeinen Namen Vater. Dem Prunke war er abgeneigt, daß er eher zu ſchlicht und unſcheinbar daher ging als zu anſehnlich, ſeine Wohnung war einfach, und wenn er in einem Wagen ausfuhr, ſo mußte es ein ſehr bürgerlich ausſehender ſein.“
„Wir waren zwei Brüder, Zwillinge, und die Mutter hatte bei unſerer Geburt ihr Leben verloren. Der Vater hatte ſie ſehr hoch geehrt, und daher keine Frau mehr genommen; denn er hat ſie nie vergeſſen können. Weil auf der Gaſſe zu viel Lärm war, wur¬ den wir in den hintern Flügel gegen den Garten ge¬ than, den der Vater an das Haus angebaut hatte. Es war eine große Stube, in der wir waren, die Fenſter gingen gegen den Garten hinaus, die Stube war durch einen langen Gang von der übrigen Woh¬ nung getrennt, und damit wir nicht bei jedem Aus¬ gange durch den vordern Theil des Hauſes gehen
Stifter, Jugendſchriften. I. 10
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einen eigenen Gärtner hiefür genommen, und hatte
Pfropfreiſer aus allen Gegenden Europas verſchrie¬
ben. Er war gegen ſeine Leute ſehr gut, er hielt ſie
ausreichend, ſah, daß einem jeden ſein Theil werde,
daß er aber auch thue, was ihm obliege. Wenn einer
krank war, ging er ſelber zu ſeinem Bette, fragte ihn,
wie er ſich befinde, und reichte ihm oft ſelber die
Arznei. Er hatte im Hauſe nur den allgemeinen
Namen Vater. Dem Prunke war er abgeneigt, daß
er eher zu ſchlicht und unſcheinbar daher ging als zu
anſehnlich, ſeine Wohnung war einfach, und wenn
er in einem Wagen ausfuhr, ſo mußte es ein ſehr
bürgerlich ausſehender ſein.“
„Wir waren zwei Brüder, Zwillinge, und die
Mutter hatte bei unſerer Geburt ihr Leben verloren.
Der Vater hatte ſie ſehr hoch geehrt, und daher keine
Frau mehr genommen; denn er hat ſie nie vergeſſen
können. Weil auf der Gaſſe zu viel Lärm war, wur¬
den wir in den hintern Flügel gegen den Garten ge¬
than, den der Vater an das Haus angebaut hatte.
Es war eine große Stube, in der wir waren, die
Fenſter gingen gegen den Garten hinaus, die Stube
war durch einen langen Gang von der übrigen Woh¬
nung getrennt, und damit wir nicht bei jedem Aus¬
gange durch den vordern Theil des Hauſes gehen
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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/158>, abgerufen am 16.02.2025.
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