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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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den Anschein, daß er bis zu seinem Lebensende da
bleiben werde. Er gehe auch nicht auf Besuche in die
Nachbarschaft, ja er gehe nicht viel mit Menschen um,
und wenn er nicht in seinen Amtsgeschäften oder in
der Schule sei, so lese er in seinem Stüblein, oder er
gehe über die Wiese in das Steinkar, gehe dort im
Sande herum, oder size dort einsam mit seinen Ge¬
danken.

Es hatte sich in der Gegend der Ruf verbreitet,
daß er wegen seiner Lebensweise Geld habe, und er
ist deßhalb schon dreimal beraubt worden.

Ich konnte von diesen Dingen weder wissen was
wahr sei, noch was nicht wahr sei. So oft ich zu
ihm kam, sah ich die ruhigen klaren blauen Augen,
das einfache Wesen, und die bittere ungeheuchelte
Armuth. Was seine Vergangenheit gewesen sei, in
das drang ich nicht ein, und mochte nicht eindringen.

Ich hatte auch mehrere Predigten von ihm gehört.
Sie waren einfach christlich, und wenn auch von
Seite der Beredsamkeit manches einzuwenden gewesen
wäre, so waren sie doch klar und ruhig, und es war
eine solche Güte in ihnen, daß sie in das Herz gingen.

Die Zeit meiner Arbeiten in jener Gegend zog sich
in die Länge. Die Steinnester jener unwirthlichen Land¬
schaften sezten uns solche Hindernisse entgegen, daß

den Anſchein, daß er bis zu ſeinem Lebensende da
bleiben werde. Er gehe auch nicht auf Beſuche in die
Nachbarſchaft, ja er gehe nicht viel mit Menſchen um,
und wenn er nicht in ſeinen Amtsgeſchäften oder in
der Schule ſei, ſo leſe er in ſeinem Stüblein, oder er
gehe über die Wieſe in das Steinkar, gehe dort im
Sande herum, oder ſize dort einſam mit ſeinen Ge¬
danken.

Es hatte ſich in der Gegend der Ruf verbreitet,
daß er wegen ſeiner Lebensweiſe Geld habe, und er
iſt deßhalb ſchon dreimal beraubt worden.

Ich konnte von dieſen Dingen weder wiſſen was
wahr ſei, noch was nicht wahr ſei. So oft ich zu
ihm kam, ſah ich die ruhigen klaren blauen Augen,
das einfache Weſen, und die bittere ungeheuchelte
Armuth. Was ſeine Vergangenheit geweſen ſei, in
das drang ich nicht ein, und mochte nicht eindringen.

Ich hatte auch mehrere Predigten von ihm gehört.
Sie waren einfach chriſtlich, und wenn auch von
Seite der Beredſamkeit manches einzuwenden geweſen
wäre, ſo waren ſie doch klar und ruhig, und es war
eine ſolche Güte in ihnen, daß ſie in das Herz gingen.

Die Zeit meiner Arbeiten in jener Gegend zog ſich
in die Länge. Die Steinneſter jener unwirthlichen Land¬
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[134/0147] den Anſchein, daß er bis zu ſeinem Lebensende da bleiben werde. Er gehe auch nicht auf Beſuche in die Nachbarſchaft, ja er gehe nicht viel mit Menſchen um, und wenn er nicht in ſeinen Amtsgeſchäften oder in der Schule ſei, ſo leſe er in ſeinem Stüblein, oder er gehe über die Wieſe in das Steinkar, gehe dort im Sande herum, oder ſize dort einſam mit ſeinen Ge¬ danken. Es hatte ſich in der Gegend der Ruf verbreitet, daß er wegen ſeiner Lebensweiſe Geld habe, und er iſt deßhalb ſchon dreimal beraubt worden. Ich konnte von dieſen Dingen weder wiſſen was wahr ſei, noch was nicht wahr ſei. So oft ich zu ihm kam, ſah ich die ruhigen klaren blauen Augen, das einfache Weſen, und die bittere ungeheuchelte Armuth. Was ſeine Vergangenheit geweſen ſei, in das drang ich nicht ein, und mochte nicht eindringen. Ich hatte auch mehrere Predigten von ihm gehört. Sie waren einfach chriſtlich, und wenn auch von Seite der Beredſamkeit manches einzuwenden geweſen wäre, ſo waren ſie doch klar und ruhig, und es war eine ſolche Güte in ihnen, daß ſie in das Herz gingen. Die Zeit meiner Arbeiten in jener Gegend zog ſich in die Länge. Die Steinneſter jener unwirthlichen Land¬ ſchaften ſezten uns ſolche Hinderniſſe entgegen, daß

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/147>, abgerufen am 05.05.2024.