Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

und Bäume der Nachbarschaft waren in einem einzi¬
gen Brausen befangen, das nur abwechselnd abnahm
und schwoll. Dazwischen schallten die Donner. Sie
schallten immer schneller und immer heller. Doch war
das Gewitter noch nicht da. Zwischen Bliz und Don¬
ner war noch eine Zeit, und die Blize, so hell sie
waren, waren doch keine Schlangen sondern nur ein
ausgebreitetes allgemeines Aufleuchten.

Endlich schlugen die ersten Tropfen an die Fenster.
Sie schlugen stark und einzeln gegen das Glas, aber
bald kamen Genossen, und in Kurzem strömte der
Regen in Fülle herunter. Er wuchs schnell gleichsam
rauschend und jagend, und wurde endlich dergestalt,
daß man meinte, ganze zusammenhängende Wasser¬
mengen fielen auf das Haus hernieder, das Haus
dröhne unter dem Gewichte, und man empfinde das
Dröhnen und Ächzen herein. Kaum das Rollen des
Donners konnte man vor dem Strömen des Wassers
hören, das Strömen des Wassers wurde ein zweites
Donnern. Das Gewitter war endlich über unserem
Haupte. Die Blize fuhren wie feurige Schnüre her¬
nieder, und den Blizen folgten schnell und heiser die
Donner, die jezt alles andere Brüllen besiegten, und
in ihren tieferen Enden und Ausläufen das Fenster¬
glas erzittern und klirren machten.

und Bäume der Nachbarſchaft waren in einem einzi¬
gen Brauſen befangen, das nur abwechſelnd abnahm
und ſchwoll. Dazwiſchen ſchallten die Donner. Sie
ſchallten immer ſchneller und immer heller. Doch war
das Gewitter noch nicht da. Zwiſchen Bliz und Don¬
ner war noch eine Zeit, und die Blize, ſo hell ſie
waren, waren doch keine Schlangen ſondern nur ein
ausgebreitetes allgemeines Aufleuchten.

Endlich ſchlugen die erſten Tropfen an die Fenſter.
Sie ſchlugen ſtark und einzeln gegen das Glas, aber
bald kamen Genoſſen, und in Kurzem ſtrömte der
Regen in Fülle herunter. Er wuchs ſchnell gleichſam
rauſchend und jagend, und wurde endlich dergeſtalt,
daß man meinte, ganze zuſammenhängende Waſſer¬
mengen fielen auf das Haus hernieder, das Haus
dröhne unter dem Gewichte, und man empfinde das
Dröhnen und Ächzen herein. Kaum das Rollen des
Donners konnte man vor dem Strömen des Waſſers
hören, das Strömen des Waſſers wurde ein zweites
Donnern. Das Gewitter war endlich über unſerem
Haupte. Die Blize fuhren wie feurige Schnüre her¬
nieder, und den Blizen folgten ſchnell und heiſer die
Donner, die jezt alles andere Brüllen beſiegten, und
in ihren tieferen Enden und Ausläufen das Fenſter¬
glas erzittern und klirren machten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="106"/>
und Bäume der Nachbar&#x017F;chaft waren in einem einzi¬<lb/>
gen Brau&#x017F;en befangen, das nur abwech&#x017F;elnd abnahm<lb/>
und &#x017F;chwoll. Dazwi&#x017F;chen &#x017F;challten die Donner. Sie<lb/>
&#x017F;challten immer &#x017F;chneller und immer heller. Doch war<lb/>
das Gewitter noch nicht da. Zwi&#x017F;chen Bliz und Don¬<lb/>
ner war noch eine Zeit, und die Blize, &#x017F;o hell &#x017F;ie<lb/>
waren, waren doch keine Schlangen &#x017F;ondern nur ein<lb/>
ausgebreitetes allgemeines Aufleuchten.</p><lb/>
        <p>Endlich &#x017F;chlugen die er&#x017F;ten Tropfen an die Fen&#x017F;ter.<lb/>
Sie &#x017F;chlugen &#x017F;tark und einzeln gegen das Glas, aber<lb/>
bald kamen Geno&#x017F;&#x017F;en, und in Kurzem &#x017F;trömte der<lb/>
Regen in Fülle herunter. Er wuchs &#x017F;chnell gleich&#x017F;am<lb/>
rau&#x017F;chend und jagend, und wurde endlich derge&#x017F;talt,<lb/>
daß man meinte, ganze zu&#x017F;ammenhängende Wa&#x017F;&#x017F;er¬<lb/>
mengen fielen auf das Haus hernieder, das Haus<lb/>
dröhne unter dem Gewichte, und man empfinde das<lb/>
Dröhnen und Ächzen herein. Kaum das Rollen des<lb/>
Donners konnte man vor dem Strömen des Wa&#x017F;&#x017F;ers<lb/>
hören, das Strömen des Wa&#x017F;&#x017F;ers wurde ein zweites<lb/>
Donnern. Das Gewitter war endlich über un&#x017F;erem<lb/>
Haupte. Die Blize fuhren wie feurige Schnüre her¬<lb/>
nieder, und den Blizen folgten &#x017F;chnell und hei&#x017F;er die<lb/>
Donner, die jezt alles andere Brüllen be&#x017F;iegten, und<lb/>
in ihren tieferen Enden und Ausläufen das Fen&#x017F;ter¬<lb/>
glas erzittern und klirren machten.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0119] und Bäume der Nachbarſchaft waren in einem einzi¬ gen Brauſen befangen, das nur abwechſelnd abnahm und ſchwoll. Dazwiſchen ſchallten die Donner. Sie ſchallten immer ſchneller und immer heller. Doch war das Gewitter noch nicht da. Zwiſchen Bliz und Don¬ ner war noch eine Zeit, und die Blize, ſo hell ſie waren, waren doch keine Schlangen ſondern nur ein ausgebreitetes allgemeines Aufleuchten. Endlich ſchlugen die erſten Tropfen an die Fenſter. Sie ſchlugen ſtark und einzeln gegen das Glas, aber bald kamen Genoſſen, und in Kurzem ſtrömte der Regen in Fülle herunter. Er wuchs ſchnell gleichſam rauſchend und jagend, und wurde endlich dergeſtalt, daß man meinte, ganze zuſammenhängende Waſſer¬ mengen fielen auf das Haus hernieder, das Haus dröhne unter dem Gewichte, und man empfinde das Dröhnen und Ächzen herein. Kaum das Rollen des Donners konnte man vor dem Strömen des Waſſers hören, das Strömen des Waſſers wurde ein zweites Donnern. Das Gewitter war endlich über unſerem Haupte. Die Blize fuhren wie feurige Schnüre her¬ nieder, und den Blizen folgten ſchnell und heiſer die Donner, die jezt alles andere Brüllen beſiegten, und in ihren tieferen Enden und Ausläufen das Fenſter¬ glas erzittern und klirren machten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/119
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/119>, abgerufen am 04.05.2024.