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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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gen Gebäude waren das ganze Kar. Die übrigen
Behausungen waren in der Gegend zerstreut. An
manchem Stein gleichsam angeklebt lag eine Hütte
mit einem Gärtchen mit Kartoffeln oder Ziegenfutter.
Weit draußen gegen das Land hin lag auch ein frucht¬
barerer Theil, der zu der Gemeinde gehörte, und
der auch Aker- Wiesen- und Kleegrund hatte.

Im Angesichte der Fenster des Pfarrhofes ging
am Rande der Wiese die Zirder vorüber, und über
den Fluß führte ein hoher Steg, der sich gegen die
Wiese herab senkte. Die Wiesenfläche war nicht viel
höher als das Flußbett. Dieses Bild des hohen
Steges über den einsamen Fluß war nebst der Stein¬
gegend das einzige, das man von dem Pfarrhofe
sehen konnte.

Wenn ich mit dem Pfarrer in sein Haus ging,
führte er mich nie in das obere Stokwerk, sondern
er geleitete mich stets durch ein geräumiges Vorhaus
in ein kleines Stüblein. Das Vorhaus war ganz
leer, nur in einer Mauervertiefung, die sehr breit
aber seicht war, stand eine lange hölzerne Bank. Auf
der Bank lag immer, so oft ich den Pfarrhof besuchte,
eine Bibel, ein großes in starkes Leder gebundenes
Buch. In dem Stüblein war nur ein weicher unan¬
gestrichener Tisch, um ihn einige Sesseln derselben

Stifter, Jugendschriften. I. 7

gen Gebäude waren das ganze Kar. Die übrigen
Behauſungen waren in der Gegend zerſtreut. An
manchem Stein gleichſam angeklebt lag eine Hütte
mit einem Gärtchen mit Kartoffeln oder Ziegenfutter.
Weit draußen gegen das Land hin lag auch ein frucht¬
barerer Theil, der zu der Gemeinde gehörte, und
der auch Aker- Wieſen- und Kleegrund hatte.

Im Angeſichte der Fenſter des Pfarrhofes ging
am Rande der Wieſe die Zirder vorüber, und über
den Fluß führte ein hoher Steg, der ſich gegen die
Wieſe herab ſenkte. Die Wieſenfläche war nicht viel
höher als das Flußbett. Dieſes Bild des hohen
Steges über den einſamen Fluß war nebſt der Stein¬
gegend das einzige, das man von dem Pfarrhofe
ſehen konnte.

Wenn ich mit dem Pfarrer in ſein Haus ging,
führte er mich nie in das obere Stokwerk, ſondern
er geleitete mich ſtets durch ein geräumiges Vorhaus
in ein kleines Stüblein. Das Vorhaus war ganz
leer, nur in einer Mauervertiefung, die ſehr breit
aber ſeicht war, ſtand eine lange hölzerne Bank. Auf
der Bank lag immer, ſo oft ich den Pfarrhof beſuchte,
eine Bibel, ein großes in ſtarkes Leder gebundenes
Buch. In dem Stüblein war nur ein weicher unan¬
geſtrichener Tiſch, um ihn einige Seſſeln derſelben

Stifter, Jugendſchriften. I. 7
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[97/0110] gen Gebäude waren das ganze Kar. Die übrigen Behauſungen waren in der Gegend zerſtreut. An manchem Stein gleichſam angeklebt lag eine Hütte mit einem Gärtchen mit Kartoffeln oder Ziegenfutter. Weit draußen gegen das Land hin lag auch ein frucht¬ barerer Theil, der zu der Gemeinde gehörte, und der auch Aker- Wieſen- und Kleegrund hatte. Im Angeſichte der Fenſter des Pfarrhofes ging am Rande der Wieſe die Zirder vorüber, und über den Fluß führte ein hoher Steg, der ſich gegen die Wieſe herab ſenkte. Die Wieſenfläche war nicht viel höher als das Flußbett. Dieſes Bild des hohen Steges über den einſamen Fluß war nebſt der Stein¬ gegend das einzige, das man von dem Pfarrhofe ſehen konnte. Wenn ich mit dem Pfarrer in ſein Haus ging, führte er mich nie in das obere Stokwerk, ſondern er geleitete mich ſtets durch ein geräumiges Vorhaus in ein kleines Stüblein. Das Vorhaus war ganz leer, nur in einer Mauervertiefung, die ſehr breit aber ſeicht war, ſtand eine lange hölzerne Bank. Auf der Bank lag immer, ſo oft ich den Pfarrhof beſuchte, eine Bibel, ein großes in ſtarkes Leder gebundenes Buch. In dem Stüblein war nur ein weicher unan¬ geſtrichener Tiſch, um ihn einige Seſſeln derſelben Stifter, Jugendſchriften. I. 7

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/110>, abgerufen am 25.11.2024.