Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.er mich gewiß viel weniger betrachtet als ich ihn. Er "Ich bin nicht der Ehre theilhaftig," antwor¬ "Aber ich habe die Ehre gehabt," sagte ich auf "Ich kann mich nicht mehr erinnern," erwie¬ "Euer Ehrwürden sind doch derselbe Mann," sagte "Ja, ich bin derselbe Mann," antwortete er, "ich er mich gewiß viel weniger betrachtet als ich ihn. Er „Ich bin nicht der Ehre theilhaftig,“ antwor¬ „Aber ich habe die Ehre gehabt,“ ſagte ich auf „Ich kann mich nicht mehr erinnern,“ erwie¬ „Euer Ehrwürden ſind doch derſelbe Mann,“ ſagte „Ja, ich bin derſelbe Mann,“ antwortete er, „ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="92"/> er mich gewiß viel weniger betrachtet als ich ihn. Er<lb/> blieb nur ſo vor mir ſtehen, und ſah mich an. Ich<lb/> ſagte daher, um ein Geſpräch einzuleiten: „Euer Ehr¬<lb/> würden werden mich nicht mehr kennen.“</p><lb/> <p>„Ich bin nicht der Ehre theilhaftig,“ antwor¬<lb/> tete er.</p><lb/> <p>„Aber ich habe die Ehre gehabt,“ ſagte ich auf<lb/> den Ton ſeiner Höflichkeit eingehend, „mit Euer Ehr¬<lb/> würden an ein und derſelben Tafel zu ſpeiſen.“</p><lb/> <p>„Ich kann mich nicht mehr erinnern,“ erwie¬<lb/> derte er.</p><lb/> <p>„Euer Ehrwürden ſind doch derſelbe Mann,“ ſagte<lb/> ich, „der einmal vor mehreren Jahren auf einem<lb/> Kirchenfeſte bei dem Pfarrer zu Schauendorf war, und<lb/> nach dem Speiſen der erſte fort ging, weil er, wie er<lb/> ſagte, vier Stunden bis zu ſeinem Pfarrhofe zu gehen<lb/> hätte?“</p><lb/> <p>„Ja, ich bin derſelbe Mann,“ antwortete er, „ich<lb/> bin vor acht Jahren zu der hundertjährigen Jubelfeier<lb/> der Kircheneinweihung nach Schauendorf gegangen,<lb/> weil es ſich gebührt hat, ich bin bei dem Mittagseſſen<lb/> geblieben, weil mich der Pfarrer eingeladen hat, und<lb/> bin der erſte nach dem Eſſen fortgegangen, weil ich<lb/> vier Stunden nach Hauſe zurük zu legen hatte. Ich<lb/> bin ſeither nicht mehr nach Schauendorf gekommen.“<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [92/0105]
er mich gewiß viel weniger betrachtet als ich ihn. Er
blieb nur ſo vor mir ſtehen, und ſah mich an. Ich
ſagte daher, um ein Geſpräch einzuleiten: „Euer Ehr¬
würden werden mich nicht mehr kennen.“
„Ich bin nicht der Ehre theilhaftig,“ antwor¬
tete er.
„Aber ich habe die Ehre gehabt,“ ſagte ich auf
den Ton ſeiner Höflichkeit eingehend, „mit Euer Ehr¬
würden an ein und derſelben Tafel zu ſpeiſen.“
„Ich kann mich nicht mehr erinnern,“ erwie¬
derte er.
„Euer Ehrwürden ſind doch derſelbe Mann,“ ſagte
ich, „der einmal vor mehreren Jahren auf einem
Kirchenfeſte bei dem Pfarrer zu Schauendorf war, und
nach dem Speiſen der erſte fort ging, weil er, wie er
ſagte, vier Stunden bis zu ſeinem Pfarrhofe zu gehen
hätte?“
„Ja, ich bin derſelbe Mann,“ antwortete er, „ich
bin vor acht Jahren zu der hundertjährigen Jubelfeier
der Kircheneinweihung nach Schauendorf gegangen,
weil es ſich gebührt hat, ich bin bei dem Mittagseſſen
geblieben, weil mich der Pfarrer eingeladen hat, und
bin der erſte nach dem Eſſen fortgegangen, weil ich
vier Stunden nach Hauſe zurük zu legen hatte. Ich
bin ſeither nicht mehr nach Schauendorf gekommen.“
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