Garten, welchen ich jezt durch eine Reihe von Jahren nicht im Sommer gesehen hatte. Die Rosen, welche hie und da zerstreut waren, glichen nicht denen meines Gastfreundes, waren aber auch nicht schlechter, als die, welche sich in dem Sternenhofe befanden. Der Garten, welcher mir in meiner Kindheit immer so lieb und traulich gewesen war, erschien mir jezt klein und unbedeutend, obwohl seine Blumen, die gerade in dieser Sommerzeit noch blühten, seine Obstbäume seine Gemüse Weinreben und Pfirsichgitter nicht zu den geringsten der Stadt gehörten. Es zeigte sich nur eben der Unterschied eines Stadtgartens und des Gartens eines reichen Landbesizers. Man wies mir alles, was man für wichtig erachtete, und machte mich auf alle Veränderungen aufmerksam. Man schien sich gleichsam zu freuen, daß man mich doch einmal zu Anfang der heißeren Jahreszeit hier habe, während ich sonst nur immer am Beginne der kälteren gekom¬ men war, wenn die Blätter abfielen, und der Garten sich seines Schmuckes entäußerte. Gegen den Abend ging der Vater wieder in die Stadt. Wir blieben in dem Garten. Da sich in einem Augenblicke die Schwe¬ ster mit dem Aufbinden eines Rebenzweiges beschäf¬ tigte, und ich mit der Mutter allein an dem Marmor¬
Garten, welchen ich jezt durch eine Reihe von Jahren nicht im Sommer geſehen hatte. Die Roſen, welche hie und da zerſtreut waren, glichen nicht denen meines Gaſtfreundes, waren aber auch nicht ſchlechter, als die, welche ſich in dem Sternenhofe befanden. Der Garten, welcher mir in meiner Kindheit immer ſo lieb und traulich geweſen war, erſchien mir jezt klein und unbedeutend, obwohl ſeine Blumen, die gerade in dieſer Sommerzeit noch blühten, ſeine Obſtbäume ſeine Gemüſe Weinreben und Pfirſichgitter nicht zu den geringſten der Stadt gehörten. Es zeigte ſich nur eben der Unterſchied eines Stadtgartens und des Gartens eines reichen Landbeſizers. Man wies mir alles, was man für wichtig erachtete, und machte mich auf alle Veränderungen aufmerkſam. Man ſchien ſich gleichſam zu freuen, daß man mich doch einmal zu Anfang der heißeren Jahreszeit hier habe, während ich ſonſt nur immer am Beginne der kälteren gekom¬ men war, wenn die Blätter abfielen, und der Garten ſich ſeines Schmuckes entäußerte. Gegen den Abend ging der Vater wieder in die Stadt. Wir blieben in dem Garten. Da ſich in einem Augenblicke die Schwe¬ ſter mit dem Aufbinden eines Rebenzweiges beſchäf¬ tigte, und ich mit der Mutter allein an dem Marmor¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0053"n="39"/>
Garten, welchen ich jezt durch eine Reihe von Jahren<lb/>
nicht im Sommer geſehen hatte. Die Roſen, welche<lb/>
hie und da zerſtreut waren, glichen nicht denen meines<lb/>
Gaſtfreundes, waren aber auch nicht ſchlechter, als<lb/>
die, welche ſich in dem Sternenhofe befanden. Der<lb/>
Garten, welcher mir in meiner Kindheit immer ſo<lb/>
lieb und traulich geweſen war, erſchien mir jezt klein<lb/>
und unbedeutend, obwohl ſeine Blumen, die gerade<lb/>
in dieſer Sommerzeit noch blühten, ſeine Obſtbäume<lb/>ſeine Gemüſe Weinreben und Pfirſichgitter nicht zu<lb/>
den geringſten der Stadt gehörten. Es zeigte ſich nur<lb/>
eben der Unterſchied eines Stadtgartens und des<lb/>
Gartens eines reichen Landbeſizers. Man wies mir<lb/>
alles, was man für wichtig erachtete, und machte<lb/>
mich auf alle Veränderungen aufmerkſam. Man ſchien<lb/>ſich gleichſam zu freuen, daß man mich doch einmal zu<lb/>
Anfang der heißeren Jahreszeit hier habe, während<lb/>
ich ſonſt nur immer am Beginne der kälteren gekom¬<lb/>
men war, wenn die Blätter abfielen, und der Garten<lb/>ſich ſeines Schmuckes entäußerte. Gegen den Abend<lb/>
ging der Vater wieder in die Stadt. Wir blieben in<lb/>
dem Garten. Da ſich in einem Augenblicke die Schwe¬<lb/>ſter mit dem Aufbinden eines Rebenzweiges beſchäf¬<lb/>
tigte, und ich mit der Mutter allein an dem Marmor¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[39/0053]
Garten, welchen ich jezt durch eine Reihe von Jahren
nicht im Sommer geſehen hatte. Die Roſen, welche
hie und da zerſtreut waren, glichen nicht denen meines
Gaſtfreundes, waren aber auch nicht ſchlechter, als
die, welche ſich in dem Sternenhofe befanden. Der
Garten, welcher mir in meiner Kindheit immer ſo
lieb und traulich geweſen war, erſchien mir jezt klein
und unbedeutend, obwohl ſeine Blumen, die gerade
in dieſer Sommerzeit noch blühten, ſeine Obſtbäume
ſeine Gemüſe Weinreben und Pfirſichgitter nicht zu
den geringſten der Stadt gehörten. Es zeigte ſich nur
eben der Unterſchied eines Stadtgartens und des
Gartens eines reichen Landbeſizers. Man wies mir
alles, was man für wichtig erachtete, und machte
mich auf alle Veränderungen aufmerkſam. Man ſchien
ſich gleichſam zu freuen, daß man mich doch einmal zu
Anfang der heißeren Jahreszeit hier habe, während
ich ſonſt nur immer am Beginne der kälteren gekom¬
men war, wenn die Blätter abfielen, und der Garten
ſich ſeines Schmuckes entäußerte. Gegen den Abend
ging der Vater wieder in die Stadt. Wir blieben in
dem Garten. Da ſich in einem Augenblicke die Schwe¬
ſter mit dem Aufbinden eines Rebenzweiges beſchäf¬
tigte, und ich mit der Mutter allein an dem Marmor¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/53>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.