Dasselbe war so heiter und freundlich, wie es im¬ mer gewesen war.
Am anderen Morgen nach dem Frühmahle ging mein Gastfreund eine Zeit mit Mathilden im Garten spazieren, dann kam er in mein Zimmer, und sagte zu mir: "Ihr habt Recht, und es ist sehr gut von euch, daß ihr das, was euren hiesigen Freunden lieb und angenehm ist, euren Eltern und euren Angehö¬ rigen sagen wollt."
Ich erwiederte nichts, erröthete, und verneigte mich sehr ehrerbiethig.
Ich erklärte im Laufe des Vormittages, daß ich, sobald es nur immer möglich wäre, abreisen müßte. Man stellte mir Pferde bis zur nächsten Post zur Verfügung, und nachdem ich mein kleines Gepäck geordnet hatte, beschloß ich, noch vor dem Mit¬ tage die Reise anzutreten. Man ließ es zu. Ich nahm Abschied. Die klaren heiteren Augen meines Gastfreundes begleiteten mich, als ich von ihm hin¬ wegging. Mathilde war sanft und gütig, Natalie stand in der Vertiefung eines Fensters, ich ging zu ihr hin, und sagte leise: "Liebe liebe Natalie, lebet wohl."
"Mein lieber theurer Freund, lebet wohl," antwor¬
Dasſelbe war ſo heiter und freundlich, wie es im¬ mer geweſen war.
Am anderen Morgen nach dem Frühmahle ging mein Gaſtfreund eine Zeit mit Mathilden im Garten ſpazieren, dann kam er in mein Zimmer, und ſagte zu mir: „Ihr habt Recht, und es iſt ſehr gut von euch, daß ihr das, was euren hieſigen Freunden lieb und angenehm iſt, euren Eltern und euren Angehö¬ rigen ſagen wollt.“
Ich erwiederte nichts, erröthete, und verneigte mich ſehr ehrerbiethig.
Ich erklärte im Laufe des Vormittages, daß ich, ſobald es nur immer möglich wäre, abreiſen müßte. Man ſtellte mir Pferde bis zur nächſten Poſt zur Verfügung, und nachdem ich mein kleines Gepäck geordnet hatte, beſchloß ich, noch vor dem Mit¬ tage die Reiſe anzutreten. Man ließ es zu. Ich nahm Abſchied. Die klaren heiteren Augen meines Gaſtfreundes begleiteten mich, als ich von ihm hin¬ wegging. Mathilde war ſanft und gütig, Natalie ſtand in der Vertiefung eines Fenſters, ich ging zu ihr hin, und ſagte leiſe: „Liebe liebe Natalie, lebet wohl.“
„Mein lieber theurer Freund, lebet wohl,“ antwor¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0046"n="32"/><p>Dasſelbe war ſo heiter und freundlich, wie es im¬<lb/>
mer geweſen war.</p><lb/><p>Am anderen Morgen nach dem Frühmahle ging<lb/>
mein Gaſtfreund eine Zeit mit Mathilden im Garten<lb/>ſpazieren, dann kam er in mein Zimmer, und ſagte<lb/>
zu mir: „Ihr habt Recht, und es iſt ſehr gut von<lb/>
euch, daß ihr das, was euren hieſigen Freunden lieb<lb/>
und angenehm iſt, euren Eltern und euren Angehö¬<lb/>
rigen ſagen wollt.“</p><lb/><p>Ich erwiederte nichts, erröthete, und verneigte<lb/>
mich ſehr ehrerbiethig.</p><lb/><p>Ich erklärte im Laufe des Vormittages, daß<lb/>
ich, ſobald es nur immer möglich wäre, abreiſen<lb/>
müßte. Man ſtellte mir Pferde bis zur nächſten Poſt<lb/>
zur Verfügung, und nachdem ich mein kleines Gepäck<lb/>
geordnet hatte, beſchloß ich, noch vor dem Mit¬<lb/>
tage die Reiſe anzutreten. Man ließ es zu. Ich<lb/>
nahm Abſchied. Die klaren heiteren Augen meines<lb/>
Gaſtfreundes begleiteten mich, als ich von ihm hin¬<lb/>
wegging. Mathilde war ſanft und gütig, Natalie<lb/>ſtand in der Vertiefung eines Fenſters, ich ging zu<lb/>
ihr hin, und ſagte leiſe: „Liebe liebe Natalie, lebet<lb/>
wohl.“</p><lb/><p>„Mein lieber theurer Freund, lebet wohl,“ antwor¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[32/0046]
Dasſelbe war ſo heiter und freundlich, wie es im¬
mer geweſen war.
Am anderen Morgen nach dem Frühmahle ging
mein Gaſtfreund eine Zeit mit Mathilden im Garten
ſpazieren, dann kam er in mein Zimmer, und ſagte
zu mir: „Ihr habt Recht, und es iſt ſehr gut von
euch, daß ihr das, was euren hieſigen Freunden lieb
und angenehm iſt, euren Eltern und euren Angehö¬
rigen ſagen wollt.“
Ich erwiederte nichts, erröthete, und verneigte
mich ſehr ehrerbiethig.
Ich erklärte im Laufe des Vormittages, daß
ich, ſobald es nur immer möglich wäre, abreiſen
müßte. Man ſtellte mir Pferde bis zur nächſten Poſt
zur Verfügung, und nachdem ich mein kleines Gepäck
geordnet hatte, beſchloß ich, noch vor dem Mit¬
tage die Reiſe anzutreten. Man ließ es zu. Ich
nahm Abſchied. Die klaren heiteren Augen meines
Gaſtfreundes begleiteten mich, als ich von ihm hin¬
wegging. Mathilde war ſanft und gütig, Natalie
ſtand in der Vertiefung eines Fenſters, ich ging zu
ihr hin, und ſagte leiſe: „Liebe liebe Natalie, lebet
wohl.“
„Mein lieber theurer Freund, lebet wohl,“ antwor¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/46>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.