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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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mit euch zu kommen, kann euch euer Sohn sagen,
und wird euch die Zukunft zeigen. Was die Bürger¬
lichkeit anlangt, so gehörte ich zu diesem Stande.
Vergängliche Handlungen, die man Verdienste nannte,
haben mich auf eine Zeit aus ihm gerückt, ich kehre
durch meine angenommene Tochter wieder zu ihm
zurück, der mir allein gebührt. Ehrenvoller würdiger
Mann einer stettigen Thätigkeit und eines wohlge¬
gründeten Familienlebens, wenn ihr mich, der ich
beides nicht habe, für werth erachtet, so kommt an
mein Herz, und laßt uns die lezten Lebenstage freund¬
lich mit einander gehen."

Beide Männer verließen ihre Pläze, begegneten
sich auf halbem Wege zu einander, schloßen sich in
die Arme, und hielten sich einen Augenblick fest. Wie
erschütternd das auf alle wirkte, zeigte die Thatsache,
daß es todtenstill im Zimmer war, und daß manche
Augen feucht wurden.

Meine Mutter war, da Risach Mathilden ver¬
lassen hatte, zu ihr gegangen, hatte sich neben sie
gesezt, und hatte ihre beiden Hände gefaßt. Die
Frauen küßten sich, und hielten sich noch immer bei¬
nahe umfangen.

Ich und Natalie traten jezt vor Risach, und sag¬

Stifter, Nachsommer. III. 25

mit euch zu kommen, kann euch euer Sohn ſagen,
und wird euch die Zukunft zeigen. Was die Bürger¬
lichkeit anlangt, ſo gehörte ich zu dieſem Stande.
Vergängliche Handlungen, die man Verdienſte nannte,
haben mich auf eine Zeit aus ihm gerückt, ich kehre
durch meine angenommene Tochter wieder zu ihm
zurück, der mir allein gebührt. Ehrenvoller würdiger
Mann einer ſtettigen Thätigkeit und eines wohlge¬
gründeten Familienlebens, wenn ihr mich, der ich
beides nicht habe, für werth erachtet, ſo kommt an
mein Herz, und laßt uns die lezten Lebenstage freund¬
lich mit einander gehen.“

Beide Männer verließen ihre Pläze, begegneten
ſich auf halbem Wege zu einander, ſchloßen ſich in
die Arme, und hielten ſich einen Augenblick feſt. Wie
erſchütternd das auf alle wirkte, zeigte die Thatſache,
daß es todtenſtill im Zimmer war, und daß manche
Augen feucht wurden.

Meine Mutter war, da Riſach Mathilden ver¬
laſſen hatte, zu ihr gegangen, hatte ſich neben ſie
geſezt, und hatte ihre beiden Hände gefaßt. Die
Frauen küßten ſich, und hielten ſich noch immer bei¬
nahe umfangen.

Ich und Natalie traten jezt vor Riſach, und ſag¬

Stifter, Nachſommer. III. 25
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[385/0399] mit euch zu kommen, kann euch euer Sohn ſagen, und wird euch die Zukunft zeigen. Was die Bürger¬ lichkeit anlangt, ſo gehörte ich zu dieſem Stande. Vergängliche Handlungen, die man Verdienſte nannte, haben mich auf eine Zeit aus ihm gerückt, ich kehre durch meine angenommene Tochter wieder zu ihm zurück, der mir allein gebührt. Ehrenvoller würdiger Mann einer ſtettigen Thätigkeit und eines wohlge¬ gründeten Familienlebens, wenn ihr mich, der ich beides nicht habe, für werth erachtet, ſo kommt an mein Herz, und laßt uns die lezten Lebenstage freund¬ lich mit einander gehen.“ Beide Männer verließen ihre Pläze, begegneten ſich auf halbem Wege zu einander, ſchloßen ſich in die Arme, und hielten ſich einen Augenblick feſt. Wie erſchütternd das auf alle wirkte, zeigte die Thatſache, daß es todtenſtill im Zimmer war, und daß manche Augen feucht wurden. Meine Mutter war, da Riſach Mathilden ver¬ laſſen hatte, zu ihr gegangen, hatte ſich neben ſie geſezt, und hatte ihre beiden Hände gefaßt. Die Frauen küßten ſich, und hielten ſich noch immer bei¬ nahe umfangen. Ich und Natalie traten jezt vor Riſach, und ſag¬ Stifter, Nachſommer. III. 25

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/399>, abgerufen am 22.11.2024.