talie und Klotilde waren fast unzertrennlich, sie schlos¬ sen sich an einander an, bezeigten sich jede Innigkeit, und oft, wenn wir alle in das Schloß zurückgekehrt waren, gingen sie noch auf einem einsamen Wege des Gartens oder auf einem Pfade des nächstgelegenen Feldes herum.
"Siehst du, Klotilde," sagte ich, "ich konnte dir kein Bild von Natalien bringen, weil keins da war, jezt hast du sie selber."
"Um wie viel lieber als jedes Bild," antwortete sie, "aber ein Bild muß doch ausgeführt werden, da¬ mit man später wisse, wie sie in diesen Jahren aus¬ gesehen habe."
Acht Tage entließ uns Mathilde nicht von dem Sternenhofe, und jeder Tag fand seine freundliche Beschäftigung. Am neunten wurden die Anstalten gemacht, daß wir alle in das Rosenhaus abreisen konnten. Mathilde und die Eltern fuhren in unserem Reisewagen. Natalie Klotilde und ich in dem Wagen Mathildens.
Als wir den Hügel hinanfuhren, konnte mein Vater seine Neugierde kaum mehr bemeistern. Ich sah ihn öfter in dem Wagen aufstehen, und herumblicken. Es war ein wolkig heiterer Tag, Strichregen gingen
talie und Klotilde waren faſt unzertrennlich, ſie ſchloſ¬ ſen ſich an einander an, bezeigten ſich jede Innigkeit, und oft, wenn wir alle in das Schloß zurückgekehrt waren, gingen ſie noch auf einem einſamen Wege des Gartens oder auf einem Pfade des nächſtgelegenen Feldes herum.
„Siehſt du, Klotilde,“ ſagte ich, „ich konnte dir kein Bild von Natalien bringen, weil keins da war, jezt haſt du ſie ſelber.“
„Um wie viel lieber als jedes Bild,“ antwortete ſie, „aber ein Bild muß doch ausgeführt werden, da¬ mit man ſpäter wiſſe, wie ſie in dieſen Jahren aus¬ geſehen habe.“
Acht Tage entließ uns Mathilde nicht von dem Sternenhofe, und jeder Tag fand ſeine freundliche Beſchäftigung. Am neunten wurden die Anſtalten gemacht, daß wir alle in das Roſenhaus abreiſen konnten. Mathilde und die Eltern fuhren in unſerem Reiſewagen. Natalie Klotilde und ich in dem Wagen Mathildens.
Als wir den Hügel hinanfuhren, konnte mein Vater ſeine Neugierde kaum mehr bemeiſtern. Ich ſah ihn öfter in dem Wagen aufſtehen, und herumblicken. Es war ein wolkig heiterer Tag, Strichregen gingen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0387"n="373"/>
talie und Klotilde waren faſt unzertrennlich, ſie ſchloſ¬<lb/>ſen ſich an einander an, bezeigten ſich jede Innigkeit,<lb/>
und oft, wenn wir alle in das Schloß zurückgekehrt<lb/>
waren, gingen ſie noch auf einem einſamen Wege des<lb/>
Gartens oder auf einem Pfade des nächſtgelegenen<lb/>
Feldes herum.</p><lb/><p>„Siehſt du, Klotilde,“ſagte ich, „ich konnte dir<lb/>
kein Bild von Natalien bringen, weil keins da war,<lb/>
jezt haſt du ſie ſelber.“</p><lb/><p>„Um wie viel lieber als jedes Bild,“ antwortete<lb/>ſie, „aber ein Bild muß doch ausgeführt werden, da¬<lb/>
mit man ſpäter wiſſe, wie ſie in dieſen Jahren aus¬<lb/>
geſehen habe.“</p><lb/><p>Acht Tage entließ uns Mathilde nicht von dem<lb/>
Sternenhofe, und jeder Tag fand ſeine freundliche<lb/>
Beſchäftigung. Am neunten wurden die Anſtalten<lb/>
gemacht, daß wir alle in das Roſenhaus abreiſen<lb/>
konnten. Mathilde und die Eltern fuhren in unſerem<lb/>
Reiſewagen. Natalie Klotilde und ich in dem Wagen<lb/>
Mathildens.</p><lb/><p>Als wir den Hügel hinanfuhren, konnte mein<lb/>
Vater ſeine Neugierde kaum mehr bemeiſtern. Ich ſah<lb/>
ihn öfter in dem Wagen aufſtehen, und herumblicken.<lb/>
Es war ein wolkig heiterer Tag, Strichregen gingen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[373/0387]
talie und Klotilde waren faſt unzertrennlich, ſie ſchloſ¬
ſen ſich an einander an, bezeigten ſich jede Innigkeit,
und oft, wenn wir alle in das Schloß zurückgekehrt
waren, gingen ſie noch auf einem einſamen Wege des
Gartens oder auf einem Pfade des nächſtgelegenen
Feldes herum.
„Siehſt du, Klotilde,“ ſagte ich, „ich konnte dir
kein Bild von Natalien bringen, weil keins da war,
jezt haſt du ſie ſelber.“
„Um wie viel lieber als jedes Bild,“ antwortete
ſie, „aber ein Bild muß doch ausgeführt werden, da¬
mit man ſpäter wiſſe, wie ſie in dieſen Jahren aus¬
geſehen habe.“
Acht Tage entließ uns Mathilde nicht von dem
Sternenhofe, und jeder Tag fand ſeine freundliche
Beſchäftigung. Am neunten wurden die Anſtalten
gemacht, daß wir alle in das Roſenhaus abreiſen
konnten. Mathilde und die Eltern fuhren in unſerem
Reiſewagen. Natalie Klotilde und ich in dem Wagen
Mathildens.
Als wir den Hügel hinanfuhren, konnte mein
Vater ſeine Neugierde kaum mehr bemeiſtern. Ich ſah
ihn öfter in dem Wagen aufſtehen, und herumblicken.
Es war ein wolkig heiterer Tag, Strichregen gingen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/387>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.